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Biden oder Trump?Die wichtigsten 20 Fragen und Antworten zur US-Wahl

Lesezeit 14 Minuten
Weißes Haus nachts

Am 3. November findet in den USA die Präsidentenwahl statt.

Washington – Millionen Amerikaner werden am 3. November entscheiden, wer als mächtigster Politiker der westlichen Welt ins Weiße Haus einzieht. Präsident Donald Trump (74) bewirbt sich um eine zweite Amtszeit, sein Herausforderer ist der ehemalige Vizepräsident und Demokrat Joe Biden (77).

Der Republikaner Trump will weiter mit Vizepräsident Mike Pence (61) regieren, Biden im Falle eines Wahlsiegs mit Senatorin Kamala Harris (55). Sie wäre bei einem Wahlsieg die erste Frau und erste Schwarze im Amt des Vizepräsidenten. Abgestimmt wird zudem über die Abgeordneten des Repräsentantenhauses und rund ein Drittel der Sitze des Senats.

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Hier die wichtigsten Informationen in 20 Fragen und Antworten im Überblick:

Wie funktioniert das Wahlsystem?

Die US-Wähler können nur indirekt darüber abstimmen, wer der nächste Präsident wird. Ihre Stimme entscheidet über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums („Electoral College“), das dann den Präsidenten wählt. In 48 der 50 Bundesstaaten funktioniert das so: Der Kandidat, der sich eine Mehrheit sichern kann, bekommt alle Stimmen zugesprochen. Ein Beispiel: Falls Trump Florida mit 50,1 Prozent der Stimmen gewinnen sollte, bekäme er die Stimmen der 29 Wahlleute des Bundesstaats, Biden ginge komplett leer aus. Amerikaner sprechen daher vom Prinzip „the winner takes all“ (alles für den Gewinner). Einzig in den beiden kleinen Bundesstaaten Nebraska und Maine werden die Stimmen der Wahlleute annähernd proportional vergeben.

Was hat es mit den Wahlleuten auf sich?

Die Anzahl der Wahlleute eines Bundesstaats entspricht der von dort entsandten Zahl der US-Senatoren und Kongressabgeordneten und richtet sich damit in etwa nach der Einwohnerzahl. Die Wahlleute stimmen 41 Tage nach der Präsidentenwahl ab, dieses Jahr am 14. Dezember. Sie richten sich dabei nach dem Ergebnis in ihrem Bundesstaat - in vielen Staaten würde den Wahlmännern und Wahlfrauen sonst eine Strafe drohen. Um Präsident zu werden, muss ein Kandidat mindestens die Stimmen von 270 Wahlleuten gewinnen. Das offizielle Ergebnis wird dann erst am 6. Januar im Kongress bekanntgegeben.

Wegen des indirekten Wahlsystems ist es möglich, dass ein Kandidat die meisten Direktstimmen bekommt, die Wahl aber trotzdem verliert. Das war zum Beispiel 2016 der Fall. Damals stimmten mehr Amerikaner für Hillary Clinton, Donald Trump konnte sich aber durch die von ihm gewonnenen Bundesstaaten die Mehrheit der Wahlleute sichern.

Wieso wird an einem Dienstag gewählt?

Seit 1845 ist der Wahltag gesetzlich als der Dienstag nach dem ersten Montag im November festgelegt. Der Wahltag ist ein normaler Arbeitstag. Dass er auf einen Dienstag im November fällt, hat historische Gründe. Im 19. Jahrhundert lebten die meisten Amerikaner noch von der Landwirtschaft. Im Frühjahr und Sommer waren viele Bauern damit beschäftigt, ihre Felder zu bestellen. Im November hingegen war die Erntezeit in den meisten Gebieten vorüber, das Klima dennoch mild genug, um mit Pferdegespann oder zu Fuß Reisen zum nächstgelegenen Wahllokal anzutreten. Der Sonntag kam weder für die Anreise noch für die Wahl in Frage, denn da ging man in die Kirche.

Wer darf wählen?

Wahlberechtigt ist zunächst jeder der rund 330 Millionen US-Bürger, der mindestens 18 Jahre alt ist. Das sind gut 233 Millionen. Ausgeschlossen sind Bewohner von US-Außengebieten wie Puerto Rico. In den meisten Bundesstaaten dürfen zudem Häftlinge und Menschen, die wegen einer schweren Straftat verurteilt wurden, nicht wählen. Das betrifft einer Bürgerrechtsgruppe zufolge rund sechs Millionen Menschen. Alle anderen Bürger müssen sich vor der Abstimmung zuerst beim zuständigen Wahlamt registrieren lassen. 2016 gab es rund 214 Millionen eingetragene Wähler, von denen 140 Millionen abstimmten.

Wieso ist die Wahlbeteiligung eher gering?

Im historischen Verlauf zeigt sich, dass die Wahlbeteiligung höher lag, je kontroverser der Wahlkampf ablief. Als es 2012 um Barack Obamas Wiederwahl ging, stimmten nur knapp 55 Prozent ab. Nach dem polarisierenden Wahlkampf 2016 wählten 63 Prozent der Stimmberechtigten. In diesem Jahr ist die Wahlbeteiligung wegen der Pandemie schwer einzuschätzen. Für die eher geringe Wahlbeteiligung in den USA werden hohe Registrierungshürden in vielen Bundesstaaten verantwortlich gemacht, aber auch die Frustration der Wähler. Ein weiterer Grund: In einigen Bundesstaaten wie beispielsweise Kalifornien gewinnt traditionell immer dieselbe Partei.

Auf welche Bundesstaaten kommt es besonders an?

Florida gilt als der Jackpot: Mit 29 Wahlleuten ist es einer der wichtigsten umkämpften Staaten. Dahinter folgen die traditionellen „Battleground States“ oder „Swing States“, also jene Bundesstaaten, die mal für einen Republikaner und mal für einen Demokraten stimmen. Dazu gehören Pennsylvania (20 Stimmen) und Ohio (18), genauso wie Michigan, Wisconsin und Minnesota (zusammen 36 Stimmen). Aktuelle Umfragen deuten auch in Georgia (16), North Carolina (15) und Arizona (11) auf einen offenen Stimmausgang hin. Ein wahres Erdbeben wäre es, falls es Biden gelingen würde, Texas zu gewinnen. Der große Staat mit 36 Stimmen geht seit Jahrzehnten an Republikaner - manche Umfragen räumen ihm dort aber zumindest geringe Chancen ein.

Viele andere Staaten sind kaum umkämpft. Für die Demokraten etwa sind die Staaten an der Westküste eine sichere Bank, darunter das bevölkerungsreiche Kalifornien sowie Oregon und Washington. Auch im Nordosten gibt es zahlreiche als sicher geltende Staaten, darunter New York, New Jersey, Connecticut, Massachusetts, Rhode Island, Delaware und Maryland. Die Republikaner schneiden dafür in der Regel im Zentrum des Landes stark ab, darunter im Mittleren Westen sowie im Süden. Sie gewinnen in der Regel Staaten wie Montana, Kansas, Oklahoma, Missouri, Tennessee, Kentucky, West Virginia, Arkansas, Alabama, Louisiana, Mississippi und South Carolina.

Wieso ist die Präsidentenwahl so wichtig?

Der Machtfülle des US-Präsidenten kann wohl kein Amt in der westlichen Welt das Wasser reichen. Der Präsident ist Staats- und Regierungschef sowie Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er hat in der Außenpolitik weitestgehend freie Hand. Auch in vielen anderen Politikbereichen - von Militäreinsätzen bis hin zur Verhängung von Strafzöllen und der Regulierung von Einwanderung und Umweltschutz - kann der Präsident sehr viel entscheiden. Zudem kann er über Verfügungen, sogenannte „executive orders“, zumindest zeitweise auch in Politikbereiche eingreifen, die sonst der gesetzgeberischen Funktion des Parlaments vorbehalten sind. Für Maßnahmen, die Geld kosten oder Gesetze verändern sollen, braucht er aber den Kongress.

Könnte die Wahl noch verschoben werden?

Das ist extrem unwahrscheinlich. Präsident Trump hatte im Juli eine Verschiebung zeitweise ins Gespräch gebracht, bevor er sich wieder von der Idee distanzierte. Die Hürden für eine Verschiebung wären extrem hoch, weil der Termin seit 1845 gesetzlich festgeschrieben ist. Nötig wäre eine Änderung durch den Kongress, die noch dazu vor Gerichten angefochten werden könnte. Die Demokraten, die das Repräsentantenhaus kontrollieren, lehnen eine Verschiebung ab. Zudem wären auf diesem Weg nur einige Wochen zu gewinnen, denn der weitere Zeitplan ist in der Verfassung festgeschrieben und damit noch starrer. Der Starttermin für den neuen Kongress ist demnach der 3. Januar, der Amtsantritt des neuen Präsidenten am 20. Januar.

Wann beginnt, wann endet die Wahl?

Briefwähler können lange vor der Wahl am 3. November abstimmen. Zudem bieten die meisten Bundesstaaten auch schon vorab die Möglichkeit einer Abstimmung in Wahllokalen an. In Minnesota, South Dakota, Vermont, Virginia, Wyoming und Illinois etwa konnte schon im September abgestimmt werden, im Oktober bieten dann sehr viele Staaten Termine an. Am Wahltag selbst werden die Wahllokale in den verschiedenen Zeitzonen jeweils bis in den Abend geöffnet sein, also nach mitteleuropäischer Zeit (MEZ) bis in den Morgen des 4. November.

Wann ist mit dem Wahlergebnis zu rechnen?

Bei den vergangenen Präsidentenwahlen stand der Sieger meist noch in der Wahlnacht fest. Experten gehen aber davon aus, dass in diesem Jahr wegen der Pandemie wesentlich mehr Menschen per Briefwahl abstimmen werden. Daher könnte sich die Auszählung der Stimmen deutlich verzögern - um einige Tage oder sogar noch länger.

Das US-Wahlrecht wird vor allem von den Bundesstaaten bestimmt. Mancherorts dürfen sogar noch am Wahltag abgesendete Stimmzettel gezählt werden, zudem ist die Auszählung von Briefwahlstimmen komplexer, etwa wegen eines nötigen Abgleichs der Unterschriften der Wähler. Wenige Tausend Stimmen könnten über den Wahlausgang in einem Staat entscheiden - eine verzögerte Auszählung der Briefwahlunterlagen könnte also von großer Bedeutung sein. Die im Staat Michigan für die Wahl verantwortliche Politikerin Jocelyn Benson hat wegen der Zunahme der Briefwahl vorgeschlagen, dieses Jahr lieber von einer „Wahlwoche“ als von einem Wahltag zu sprechen.

Zudem wollen Umfragen zufolge mehr Demokraten als Republikaner die Briefwahl nutzen. Daher könnten die ersten Auszählungsergebnisse aus den Wahllokalen mancherorts Trump in Führung sehen, die Auszählung der Briefwahlunterlagen letztlich aber Biden zum Sieg verhelfen. In einzelnen Bundesstaaten könnte es zudem auch Klagen und Forderungen nach einer Neuauszählung geben. Im Jahr 2000 etwa stand das Ergebnis im Bundesstaat Florida, das letztlich auch über die Präsidentenwahl entschied, erst gut einen Monat nach der Wahl fest. Der Rechtsstreit ging bis vor das Oberste Gericht in Washington.

Wer gibt die Wahlergebnisse bekannt?

Es gibt in den USA keine Wahlbehörde, die zeitnah die Ergebnisse fürs ganze Land bekanntgeben würde. Resultate werden nach und nach vor Ort - also in Wahllokalen, Bezirken und Bundesstaaten - bekanntgegeben. Eine wichtige Rolle kommt daher großen US-Medien zu, die örtliche Ergebnisse zusammentragen und diese teils mit anderen Daten kombinieren, um zu prognostizieren, wer eine Wahl gewonnen hat. Als sehr verlässlich gelten die von der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) ermittelten Ergebnisse.

Was sagen die Umfragen?

In landesweiten Umfragen liegt Biden seit Monaten deutlich vor Trump. Die Webseite FiveThirtyEight etwa, die zahlreiche Umfragen auswertet und gewichtet, sieht Biden bei 50 Prozent der Stimmen, Trump bei 43 Prozent. Bis zur Wahl kann sich aber noch vieles ändern. Zudem haben landesweite Befragungen wegen des Wahlsystems nur begrenzte Aussagekraft. Trump war es 2016 gelungen, durch seine Siege in den Bundesstaaten die Mehrheit der Wahlleute zu gewinnen, obwohl er keine Mehrheit der Stimmen hatte. Vor vier Jahren hatte Hillary Clinton in Umfragen lange gut in Führung gelegen – verlor aber gegen Trump.

Welche Rolle spielt die Briefwahl?

Die Behörden rechnen mit einer massiven Zunahme der Briefwahl, weil Millionen Amerikaner wegen Corona nicht den Gang ins Wahllokal riskieren wollen. Weil die Wahl immer an einem normalen Arbeitstag stattfindet, stimmten zum Beispiel 2016 bereits fast ein Viertel der Wähler per Post ab. Das waren gut 33 Millionen Stimmen. Viele Bundesstaaten haben es wegen der Pandemie einfacher gemacht oder Fristen verlängert, um die Briefwahl zu ermöglichen. Manche Staaten wie zum Beispiel Kalifornien, Ohio und New Jersey schicken die Wahlunterlagen sogar unaufgefordert an die Bürger. In diesem Jahr könnte Experten zufolge fast jede zweite Stimme per Post kommen.

Wieso ist die Briefwahl plötzlich umstritten?

Trump hat die etablierte Form der Abstimmung zum Zankapfel gemacht. Er warnte, dass die Zunahme der Briefwahl zu massiver Wahlfälschung führen werde. Vor allem kritisiert er, dass in manchen Staaten Wahlunterlagen unaufgefordert verschickt werden. Mancherorts würden Stimmzettel an „Tote und Hunde“ verschickt, sagte Trump. Er betrachtet die Briefwahl als Finte der Demokraten, um ihn mit Hilfe einer hohen Wahlbeteiligung zu schlagen. Auch missfällt ihm, dass manche Briefwähler schon Wochen vor der Wahl abstimmen können und damit etwa die TV-Duelle zwischen ihm und Biden nicht sehen werden.

Was ist an Trumps Warnungen dran?

Trump hat bislang keine stichhaltigen Beweise vorgelegt. Experten und selbst viele Republikaner weisen Trumps Warnungen zurück. Wahlbetrug ist in den USA sehr selten. Selbst kleinere Fälle können zu Gefängnisstrafen führen, wie eine Übersicht der konservativen Stiftung Heritage Foundation zeigt. Experten der Denkfabrik Brennan Center zufolge waren bei untersuchten Abstimmungen nur rund 0,0025 Prozent der in Wahllokalen abgegebenen Stimmen von Betrug betroffen, bei Briefwahl sogar noch weniger. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Amerikaner die Briefwahl manipuliere, sei geringer als die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, hieß es.

Welche Folgen könnten Trumps Warnungen haben?

Viele Demokraten befürchten, dass Trump die Rechtmäßigkeit der Abstimmung insgesamt in Frage stellen könnte. Das ist die Logik: Sollte Trump unterliegen, könnte er von Wahlbetrug sprechen und sich weigern, das Ergebnis anzuerkennen. Eine verzögerte Bekanntgabe des Ergebnisses könnte seinen Vorwürfen Rückenwind verschaffen. Das Szenario ist nicht aus der Luft gegriffen. Im August etwa sagte Trump mehrfach, er werde nur verlieren, „falls die Wahl manipuliert ist“. Die Zweifel sind gesät: Vor vier Jahren hatten in einer Umfrage rund 60 Prozent der Befragten Vertrauen, dass die Wahlergebnisse richtig ausgezählt würden, im August waren es nur noch 45 Prozent.

Wie geht es nach der Wahl weiter?

Am 14. Dezember stimmen die 538 Wahlfrauen und Wahlmänner in ihren Bundesstaaten ab, was im Idealfall nur eine Formsache ist und das Ergebnis aus den Bundesstaaten widerspiegelt. Am 6. Januar wird im US-Kongress ab 19.00 Uhr MEZ bei einer gemeinsamen Sitzung der beiden Parlamentskammern offiziell bekanntgegeben, wer der nächste Präsident und Vizepräsident sein wird. Der neue Präsident leistet dann am 20. Januar bei einer festlichen Zeremonie vor dem Kapitol in Washington ab 18.00 Uhr MEZ seinen Amtseid ab („Inauguration“).

Was passiert, falls Trump die Wahl nicht anerkennt?

Trump hat bei Nachfragen von Journalisten mehrfach offengelassen, ob er eine Wahlniederlage akzeptieren würde. Es gibt in der jüngeren US-Geschichte aber kein Vorbild für ein Szenario, in dem ein Amtsinhaber sich weigerte, seine Niederlage einzuräumen. Auch die Rechtslage ist auf einen solchen Fall nicht vorbereitet. Sollte es dazu kommen, dürfte sich die Spaltung des Landes in gegnerische politische Lager gefährlich zuspitzen. Es gibt für diesen Fall viele mögliche Szenarien - allesamt sind natürlich spekulativ.

Szenario eins: Trumps Wahlkampfteam wehrt sich in einem oder mehreren Bundesstaaten mit Klagen gegen eine Niederlage und verlangt eine Neuauszählung der Stimmen. Trump würde mit Blick auf die Briefwahl wohl von massivem Wahlbetrug sprechen, ungeachtet des Wahrheitsgehalts einer solchen Behauptung. Trump kündigt Wochen nach der Wahl an, dass er das Weiße Haus im Januar verlassen wird – seine Vorwürfe über den angeblichen Wahlbetrug wird er aber weiter äußern.

Szenario zwei: Trumps Kampagne geht juristisch erfolglos gegen das Ergebnis vor. Der Präsident weigert sich trotzdem, seine Niederlage einzuräumen. Die Wahlleute stimmen für Biden als neuen Präsidenten, Trump müsste also am 20. Januar abtreten. Biden hatte im Juni gesagt, er sei „absolut überzeugt“, dass das Militär Trump notfalls aus dem Weißen Haus eskortieren würde, falls er sich weigern sollte. Generalstabschef Mark Milley erklärte aber, das Militär werde auch im Fall eines umstrittenen Wahlausgangs keine Rolle spielen.

Szenario drei: In diesem komplizierten und wohl unwahrscheinlicheren Fall ist die Wahl denkbar knapp für Biden ausgefallen. Jetzt könnte das Ergebnis aus einem Bundesstaat wie Wisconsin oder Michigan, wo die Republikaner das Parlament kontrollieren, entscheidend sein. Das Parlament könnte dort bei der Beglaubigung der Ergebnisse unter dem Vorwand des Wahlbetrugs Trump zum Wahlsieger erklären, auch wenn Biden die meisten Stimmen bekommen hätte. Die demokratischen Gouverneure müssten das Ergebnis aber noch abzeichnen. Sie könnten dann ein anderes Ergebnis nach Washington schicken - Chaos wäre in einer solchen Situation programmiert. Eine ähnlich umstrittene Wahl konnte 1877 nur mit einem politischen Kuhhandel gelöst werden.

Szenario vier: Biden verliert die Wahl und räumt seine Niederlage ein, Trumps zweite und letzte Amtszeit beginnt am 20. Januar.

Szenario fünf: Biden gewinnt mit großem Vorsprung, weswegen Trump seine Niederlage trotz der Bedenken bezüglich der Briefwahl einräumt.Szenario sechs: Biden verliert die Wahl knapp, verlangt vereinzelt Neuauszählungen und spricht von Wahlbetrug. Letztlich räumt er seine Niederlage ein, Trumps zweite Amtszeit beginnt am 20. Januar. Es dürfte jedoch zu Protesten von Demokraten und linken Gruppen kommen.Szenario sieben: Biden sichert sich - wie auch Clinton 2016 - die meisten Direktstimmen, verliert letztlich aber knapp wegen der Zusammensetzung des Wahlkollegiums. Es dürfte zu Protesten kommen, die wohl auch die Fairness des Wahlsystems in Frage stellen würden.

Katastrophenszenario: Trump verliert, er und das Justizministerium weigern sich aber, das Ergebnis anzuerkennen. Es kommt zu Protesten und Ausschreitungen im ganzen Land. Trump setzt die Nationalgarde ein, er könnte sogar das Kriegsrecht ausrufen („insurrection act“), um das Militär einsetzen zu können. Es drohen Chaos und Gewalt. So etwas ist in der US-Geschichte noch nicht vorgekommen.

Worüber wird am 3. November noch abgestimmt?

Zeitgleich mit der Präsidentenwahl wird auch über die Zusammensetzung des US-Kongresses abgestimmt. Zur Wahl stehen alle 435 Mandate im Repräsentantenhaus sowie rund ein Drittel der 100 Sitze im Senat. In den Bundesstaaten gibt es zudem viele Volksabstimmungen. In Colorado etwa wird über die Wiedereinführung von grauen Wölfen in der freien Wildbahn abgestimmt, in Mississippi über die Zulassung von Marihuana als Arzneimittel und das Design der neuen Flagge des Bundesstaates.

Wie wichtig sind die Kongress-Wahlen?

Die Präsidentenwahl überschattet in der öffentlichen Wahrnehmung fast alles, vor allem im Ausland. Doch ohne eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses, dem Repräsentantenhaus und dem Senat, kann ein Präsident innenpolitisch nur wenig nachhaltig verändern. Das Parlament hat die Budgethoheit und das Vorschlagsrecht für Gesetze. Der Senat muss zudem bei der der Besetzung aller herausragenden Regierungsämter zustimmen - vom Minister bis zum Botschafter. Gleiches gilt für die Ernennung von Bundes- und Verfassungsrichtern.

Die Zahl der Abgeordneten eines Bundesstaats im Repräsentantenhaus richtet sich in etwa nach der Bevölkerungszahl. Im Senat hingegen stehen jedem Staat zwei Sitze zu - für das winzige Rhode Island mit einer Million Einwohner genauso wie für Kalifornien mit 40 Millionen. Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre komplett neu gewählt.Seit 2018 kontrollieren die Demokraten das Repräsentantenhaus. Die Republikaner haben im Senat die Mehrheit. Trump hofft, den Senat zu verteidigen; ein Sieg bei der Wahl zur Abgeordnetenkammer scheint für die Republikaner kaum möglich. Die Demokraten wiederum hoffen, den Senat zu erobern. Dort haben die Republikaner nur eine knappe Mehrheit (53 gegen 47). Ein Präsident, dessen Partei beide Kammern kontrolliert, kann viele seiner politischen Prioritäten umsetzen. (dpa)