USA-Experte Thomas Jäger von der Uni Köln spricht in unserem Interview über den Wahlausgang in den USA und die Folgen.
Kölner USA-Experte Thomas Jäger„Trumps Wille ist künftig der Maßstab für Politik“
Herr Professor Jäger, wie überrascht sind Sie vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahl?
Nicht sonderlich überrascht. In den wahlentscheidenden Swing States war es von vornherein klar, dass es in die eine oder in die andere Richtung gehen könnte. Die Umfragen haben beide Möglichkeiten offengelassen. Die große Frage war, ob Kamala Harris mit ihrer Fokussierung auf das Thema Schwangerschaftsabbruch Frauen wirklich in so großer Zahl gewinnen würde, dass es für sie reicht. Jetzt wissen wir: Ist nicht gelungen. Hingegen hat Trump nicht nur die weißen, sondern auch afroamerikanischen und die hispanischen Männer in großer Zahl hinter sich gebracht. Das erklärt das Ergebnis.
Wie erklären Sie sich diese tektonischen Überlagerungen – und was sind die Folgen?
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Erstens hat der Kulturkrieg in den USA jetzt noch deutlicher als bisher eine Geschlechterdimension. Was man übrigens auch am Scheitern des Referendums in Florida sieht, das Recht auf Abtreibung in die Verfassung aufzunehmen. Zweitens wissen wir, dass eine Mehrheit der Afroamerikaner und auch der Hispanics Trumps Deportationsideen sehr gut findet. Mit der Ankündigung eines harten Vorgehens gegen illegale Einwanderer musste er im Wahlkampf also keine Stimmung drehen, sondern konnte auf der vorhandenen aufbauen.
Auch bei denen, die selbst ethnischen Minderheiten angehören?
Afroamerikaner und Hispanics begreifen sich selbst längst als Amerikaner. Einwanderer sind für sie nur die, die jetzt ins Land kommen.
Was erwarten Sie von Trump nach diesem Sieg?
Er wird genau das tun, was er angekündigt hat. Mit dem gleichzeitigen Sieg der Republikaner bei den Wahlen zum Senat und Repräsentantenhaus hat er den vollen legislativen Rückhalt. Eine nennenswerte innerparteiliche Opposition gibt es nicht. Er ist jetzt da, wo er hinwollte: Der Wille des Präsidenten – Trumps Wille - ist künftig der Maßstab für Politik.
Und was ist sein Wille?
Der wird sich jetzt insbesondere auf die Fragen konzentrieren, die ihm im Wahlkampf geholfen haben. Das heißt, es wird eine scharfe Grenzsicherung geben. Es wird absehbar ein Deportationsprogramm geben, das besser vorbereitet sein wird als der „Muslim-Bann“ vor vier Jahren, der zu völlig chaotischen Verhältnissen bei der Einreise in die USA geführt hatte. Jetzt hat er einen Kopf in seiner Nähe, Stephen Miller, der seit Jahren als „Deportationszar“ das entsprechende Programm plant und damit künftig die Politik bestimmen wird. Als drittes wird Trump sehr schnell zusehen, dass es zu den versprochenen Steuersenkungen kommt.
Damit gerät der US-Staatshaushalt noch weiter in die Schieflage. Was bedeutet das für das internationale Finanzsystem und für die Märkte?
Die Märkte reagieren erst mal positiv. Wenn Unternehmenssteuern sinken, dann freuen sich die Börsen. Auch der Dollar bleibt erst einmal stark. Das wird sich ändern, wenn dann die Zölle dazukommen. Trumps Idee zur Finanzierung seiner Steuerpläne ist es ja, die Belastungen vom Inland weg ins Ausland zu verlagern – etwa durch Zölle.
Erste Andeutungen zu alledem waren schon seiner Sieges- oder Dankesrede in der Wahlnacht entnehmen. Würden Sie sagen, das war schon im Nukleus das, was er vorhat?
Dazu zweierlei. Auf der einen Seite hat er in seiner Ansprache versucht, im Moment des größten Triumphs die öffentliche Meinung (3:26) weiter zu imprägnieren mit dem, was ihm wichtig ist. Auf der anderen Seite muss das dann ja in die parlamentarische Arbeit und den Regierungsalltag mit Gesetzen und Verordnungen eingehen. Das wird noch ein bisschen dauern, weil die neue Regierung ja erst einmal in Gang kommen muss. Und Trump selbst verfügt dann auch erst ab dem 20. Januar 2025 über die Autorität, Dekrete zu unterzeichnen.
In seiner Rede fehlte der gesamte Bereich Sicherheit, die Nato, der Ukraine-Krieg, der Nahe Osten.
Das hat in den USA, ehrlich gesagt, ja auch niemanden interessiert. Sowohl der Krieg in Gaza als auch der in der Ukraine wurde von genau einem Prozent der US-Bürger als das wichtigste Thema für die Wahlentscheidung genannt. Und dann hat Trump es vor der Wahl geschafft, mit seiner Positionierung zum Nahostkonflikt die arabischstämmigen Amerikaner davon abzuhalten, Harris zu wählen. Jetzt kann ihm das egal sein. Der Nahostkonflikt ist für ihn überhaupt kein wichtiges Thema. Und an das vollmundige Versprechen, den Krieg in der Ukraine noch vor seinem Amtsantritt an nur einem Tag zu beenden, wird er jetzt wahrscheinlich auch nicht mehr erinnert werden wollen.
Was leiten Sie denn aus Trumps bizarrer Eloge auf Elon Musk mit dessen großartigen Raketen ab?
Das war eine Reverenz an Musks Einsatz im Wahlkampf. Seine Social-Media-Aktivitäten, auch dies Lotterie zugunsten Trumps haben entscheidend dazu beigetragen, dass Trump den Informationsraum wieder dominieren konnte, was zuvor über längere Zeit hinweg nicht der Fall war. Ob die zwei Männer in Zukunft auch gut miteinander arbeiten werden - da habe ich so meine Zweifel, denn Musk hat eine sehr eigene Vorstellung davon, was er will.
Er denkt ja offenbar an einen Ministerposten.
Ja, und zwar genauer an ein Amt für effektives Regieren, das als eine Meta-Ministerium über allen anderen konstruiert wäre. Da wird man sehen müssen, was daraus wird.