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Drohungen aus Moskau zur US-Wahl„Wenn er es versucht, könnte Trump der neue JFK werden“

Lesezeit 6 Minuten
Donald Trump zusammen mit Wladimir Putin. Die USA werfen Russland erneut Einflussnahme auf die US-Wahlen vor. Der Ton aus Russland wird unterdessen so rau wie nie. (Archivbild)

Donald Trump zusammen mit Wladimir Putin. Die USA werfen Russland erneut Einflussnahme auf die US-Wahlen vor. Der Ton aus Russland wird unterdessen so rau wie nie. (Archivbild)

Vor der US-Wahl verschärft sich Moskaus Tonfall. Während ein Putin-Vertrauter mit mehr als Einmischung droht, dementiert der Kreml.

Wenn es nach Moskau geht, kann Russland alles gleichzeitig sein: Es kann fiktive „Nazis“ in Kiew bekämpfen und gleichzeitig selbst faschistisch sein. Es kann anderen Eskalation vorwerfen, während es selbst einen Nachbarstaat auslöschen will – und natürlich kann dieses Russland auch Nordkoreaner an die Front schicken, während es sich über westliche Hilfe für die Ukraine als „Weg in den dritten Weltkrieg“ echauffiert.

So verwundert es auch nicht, dass Russland sowohl offen einräumen kann, dass es die Gesellschaften der „Feinde im Westen“ zerstören will, als auch gleichzeitig versichern kann, dass Russland sich niemals in fremde Belange einmischen würde. Für Moskau ist Widersprüchlichkeit kein Problem. „Das ist denen völlig gleich. Die haben da auch keine Skrupel oder kein Schamgefühl“, ordnete der Russland-Experte Matthäus Wehowski die widersprüchlichen Volten der russischen Propaganda im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bereits im Juni ein.

Moskau leugnet Einmischung während Medwedew dazu aufruft

„Wie Präsident Wladimir Putin wiederholt betont hat, respektieren wir den Willen des amerikanischen Volkes“, versicherte nun also Russlands Botschaft in den USA am Samstag. „Alle Unterstellungen über ‚russische Machenschaften‘ sind böswillige Verleumdungen“, zitierte die „Moscow Times“ die Diplomaten weiter.

Nahezu zeitgleich erklärte der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew, es sei Moskaus Absicht, „Massenunruhen in den Großstädten der Nato-Staaten“ herbeizuführen. Das Leben der Amerikaner und Europäer solle sich in einen „völlig verrückten Alptraum verwandeln, in dem sie nicht mehr in der Lage sein werden, wilde Fiktion von der Realität und höllisches Böses von der Routine des Lebens zu unterscheiden“, erklärte der nunmehrige Vizechef des russischen Sicherheitsrats und amtierende Chef von Putins Partei gegenüber RT.

US-Wahl im Fokus: „Aber Elon Musk könnte ja auch uns gehören“

Margarita Simonjan, Chefin des Propagandasenders, hatte sich derweil kurz zuvor noch in einer russischen Talksendung darüber gefreut, dass Tech-Milliardär und Trump-Unterstützer Elon Musk „auch uns gehören könnte“ – wer noch Russland „gehört“, verriet Simonjan dabei nicht.

Wenige Tage vor der US-Wahl, bei der am 5. November der Republikaner Donald Trump und die Demokratin Kamala Harris ins Rennen gehen, nehmen die russischen Einflussversuche in den USA derweil deutlich zu. Bereits bei vorherigen Wahlen hatte Washington dem Kreml immer wieder Manipulationsversuche vorgeworfen. Auch 2024 ist das nicht anders.

US-Geheimdienste warnen vor Moskaus Desinformation

So warnten die US-Geheimdienste am Wochenende erneut vor gezielter Desinformation aus Russland, insbesondere durch Fake-Videos in den sozialen Netzwerken, hinter denen „russische Influencer“ stecken sollen. Derartige Vorfälle seien Teil einer „umfassenderen Anstrengung Moskaus, unbegründete Fragen über die Integrität der US-Wahl aufzuwerfen und Spaltung unter den Amerikanern zu schüren“, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme mehrerer US-Behörden.

Dass Russland versucht, westliche Gesellschaften aufzustacheln und so für soziale Unruhen und damit Instabilität zu sorgen, scheint mittlerweile offensichtlich. Entsprechende Vorwürfe kamen zuletzt aus Großbritannien, auch im deutschsprachigen Raum lassen sich immer wieder Desinformationskampagnen nachweisen.

Zweifel an der Wahl nutzen Donald Trump – und damit auch dem Kreml

Nun steht die US-Wahl im Fokus – und Zweifel an der Integrität der Wahl zu säen, hilft nicht nur dabei, in den USA neue Unruhe zu produzieren, sondern auch Donald Trump, der erneut die legitimen Wahlergebnisse anzweifeln könnte. Bei der letzten Wahl endete die Lügenstrategie des Republikaners mit dem Sturm auf das US-Kapitol, einer Zäsur in der Geschichte des Landes.

Nun soll Trump, darauf deuten die Moskauer Signale eindeutig hin, im Idealfall ins Weiße Haus zurückkehren. Wenn das nicht gelingt, soll der Republikaner, der Putin so gerne lobt, wenigstens noch für so viel Zerstörung sorgen wie möglich. So scheint Putins Plan für die US-Wahl auszusehen.

Moskau will „maximale Demütigung des Westens, einschließlich Europas“

Das Ziel der russischen Außenpolitik sei der Zusammenbruch der Vereinigten Staaten und die „maximale Demütigung des Westens, einschließlich Europas“, fasste Medwedew Russlands Pläne am Samstag derweil wenig zurückhaltend zusammen. Die einzige Alternative dazu sei ein „totaler Krieg bis zur völligen Vernichtung der Menschheit“, fügte der Moskauer Lautsprecher an, der, wie bereits oft, erneut mit Atomschlägen drohte.

Abseits dieser grundsätzlichen Ziele sei es „der Weg zur Hölle, zum Dritten Weltkrieg“, wenn der nächste Chef im Weißen Haus der Ukraine weiterhin Waffen liefere, stellte Medwedew schließlich klar – und zeigte damit auch recht deutlich, welchen Wahlsieger man sich in Moskau erhofft. Trump hat bereits mehrmals angedeutet, den Krieg in der Ukraine in kürzester Zeit beenden zu können. Das Ende der Waffenlieferungen wäre dafür ein einfaches Mittel.

Medwedew droht Donald Trump: „Er könnte der neue JFK werden“

Später legte Medwedew in seinem Telegram-Kanal schließlich noch einmal nach – und machte dabei klar, dass auch ein Sieg von Trump den Kreml nicht vom Kriegskurs abbringen werde. Während Kamala Harris laut Medwedew „dumm“ und „unerfahren“ sei und „Angst vor allen um sie herum habe“, sei Trump mittlerweile „müde“ befand der Sicherheitsratsvize.

Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew gilt als enger Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin. (Archivbild)

Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew gilt als enger Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin. (Archivbild)

„Er kann den Krieg nicht stoppen. Nicht an einem Tag, nicht in drei Tagen, nicht in drei Monaten“, stellte Medwedew klar – und drohte dem Republikaner schließlich offen: „Wenn er es wirklich versucht, könnte er der neue JFK werden.“ Medwedew spielte damit auf die Erschießung des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy an. Der „beste Weg“ für die Kandidaten in den USA den 5. November „angenehm zu gestalten“, sei es daher, „das Kiewer Nazi-Regime weiter zu zerschlagen“, so der Putin-Vertraute. Die Wünsche Moskaus an Trump, sollte er gewählt werden, sind also kein Geheimnis.

Russland präsentiert angeblichen amerikanischen Überläufer

Neben den schrillen Worten Medwedews, Fake-Kampagnen in den sozialen Netzwerken und dem Geraune in Moskauer TV-Studios versucht Moskau in diesen Tagen jedoch auch mit anderen Methoden Unruhe zu stiften. So präsentierte die russische Staatsagentur Ria Novosti am Wochenende einen angeblichen amerikanischen „Überläufer“. Der Mann namens Daniel Martindale habe zwei Jahre lang der russischen Armee mit Informationen über Stellungen der Ukrainer geholfen, verkündete man in Moskau mit triumphalem Unterton.

„Ich habe alles dafür getan, um das Leben russischer Soldaten zu retten“, zitierte die Agentur den Mann, der russischen Angaben zufolge im Besitz eines amerikanischen Passes ist. Martindale wolle nun die russische Staatsbürgerschaft haben, berichtete Ria weiter und versuchte sich damit prompt an der von Medwedew gewünschten „Demütigung“ des „Feindes“.

Moskau im Kampf gegen den Westen: „Maximalen Schaden zufügen“

Moskau macht weiterhin also kein großes Geheimnis aus seinen Absichten, Medwedew hat sie noch einmal überdeutlich artikuliert. Man müsse versuchen, den USA und Europa „jeden Tag maximalen Schaden“ zuzufügen, erklärte der Ex-Präsident und enge Vertraute von Wladimir Putin am Wochenende noch. Es handele sich nicht mehr um einen „Stellvertreterkrieg“, sondern um einen direkten Konflikt.

Von der Energieinfrastruktur über Industrie und Bankwesen bis hin zu den „Sozialdiensten“ westlicher Länder müsse alles „zerstört“ werden, forderte Medwedew. Abseits von Atombomben sollte Russland außerdem „Feinden des Westens“ alle möglichen Waffen übergeben und einen „Krieg im Weltraum“ gegen den Westen beginnen, polterte Moskaus lautester Propagandist drauflos, während die russische Botschaft routiniert versicherte, man mische sich nirgendwo ein.

Nicht nur USA: Kreml-Einflussnahme als „globales Phänomen“

„Unsere Informationen deuten darauf hin, dass hochrangige russische Regierungsbeamte, auch im Kreml, diese Art von Einflussnahme als wertvoll und effektiv erachten“, hieß es unterdessen bereits vor gut einem Jahr in einem Bericht der US-Geheimdienste zu russischen Manipulationsversuchen in zahlreichen Ländern weltweit. Kürzlich hatte auch das FBI umfassend über russische Einflussversuche berichtet.

Moskau nutze dabei ein Netz aus Spionen, Staatsmedien und sozialen Netzwerken und ziele damit nicht nur auf die USA, vielmehr handele es sich um „ein globales Phänomen“, heißt es aus Washington. „Die russischen Desinformations- und Troll-Kampagnen in den sozialen Netzwerken laufen weiter“, hatte auch Russland-Experte Wehowski im Sommer in dieser Zeitung bereits gewarnt. Medwedews deutliche Worte kurz vor der US-Wahl scheinen dafür nur der jüngste Beleg zu sein.