Verwirrung um Steinmeier-AbsageWar der Bundespräsident in Kiew wirklich unerwünscht?
Die Empörung in Deutschland war groß: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wollte mit einem Besuch in Kiew seine Solidarität zur Ukraine demonstrieren, ein symbolischer Schulterschluss mit dem seit sieben Wochen unter Beschuss stehenden Land – doch dessen Präsident Wolodymyr Selenskyj lehnte ab.
Ein Affront, schließlich sind Staatsbesuche des Bundespräsidenten im Ausland Ausdruck der Qualität der bilateralen Beziehungen. Steinmeier sei unerwünscht, titelten die Medien, Wirtschaftsminister Habeck nannte das Vorgehen „einen großen diplomatischen Fehler“, andere wurden noch deutlicher.
Selenskyj meldet sich zu Wort: Keine offizielle Anfrage
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag meldete sich schließlich Selenskyj selbst zu Wort – und überraschte mit seiner Aussage, dass eine offizielle Anfrage nie vorgelegen hätte. Ein ukrainischer Berater des Stabchefs dementierte die Absage des geplanten Besuchs in einem „CNN“-Interview ebenfalls.
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Die ukrainische Führung bestreitet somit, ein Veto gegen den Besuch des Staatsoberhauptes der Bundesrepublik ausgesprochen zu haben. Andere ukrainische Politiker sowie der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hatten die Absage hingegen verteidigt. Zum geplatzten Besuch Steinmeiers gibt es demnach widersprüchliche Angaben. Es stellt sich die Frage: War der Bundespräsident wirklich unerwünscht?
War Steinmeier unerwünscht?
Wie die „Tagesschau“ berichtet, soll der deutschen Botschafterin in Kiew eine Absage von der ukrainischen Präsidentialverwaltung schriftlich gegeben worden sein. Die ARD-Nachrichtensendung bezieht dabei sich auf Informationen der Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, Tina Hassel.
Am Donnerstag berichtete das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) dann entsprechend. Das Büro des ukrainischen Präsidenten habe den geplanten Besuch des Bundespräsidenten gegenüber der deutschen Botschaft abgesagt. Das gehe aus einer informellen Nachricht hervor, die dem RND vorliege.
RND: Kiew wollte unabhängigen Steinmeier-Besuch
Dass Steinmeier grundsätzlich „unerwünscht“ in Kiew sei, geht aus dem RND-Bericht jedoch nicht hervor. So habe die ukrainische Seite mit der Absage erklärt, dass man einen deutschen Besuch für substanzieller und akzeptabler halte, wenn er unabhängig von der Visite der Staatschefs Polens und der Baltenrepubliken gehalten werde. Zudem führte Kiew Sicherheitsbedenken und eine logistische Überlastung als Gründe für die Absage an. Das Bundespräsidialamt wollte sich am Donnerstag auf RND-Anfrage nicht mehr zum Sachverhalt äußern.
Steinmeier selbst erfuhr von der Absage laut „Spiegel“ bei einem Treffen mit dem polnischen Präsidenten Duda. Die „Bild“ hatte als erstes darüber berichtet, dass Steinmeier „nicht erwünscht“ sei.
Olaf Scholz äußert sich nicht zu möglicher Kiew-Reise
Die neuerlichen Aussagen Selenskyjs könnten nun als Versuch diplomatischer Schadensbegrenzung gedeutet werden. Während die Absage an Steinmeier in Deutschland als Affront gewertet wird, sind die Ukrainer ihrerseits enttäuscht, dass der deutsche Kanzler Olaf Scholz bislang – trotz Einladung – keine Bereitschaft signalisiert, nach Kiew zu reisen. Die Frage, ob er Selenskyjs Einladung annehmen werde, ließ der SPD-Politiker am Mittwoch offen. (pst/das)