AboAbonnieren

Von Woelki abgemahnter Pfarrer„Urteil darüber, wie Menschen ihre Partnerschaft leben, steht mir nicht zu“

Lesezeit 7 Minuten
Pfarrer Herbert Ullmann vor seiner Kirche St. Lambertus in Mettmann

Pfarrer Herbert Ullmann vor seiner Kirche St. Lambertus in Mettmann

Pfarrer Ullmann segnete gleichgeschlechtliche Paare und wurde dafür abgemahnt. Warum er es trotzdem tat, erzählt er im Interview.

Herr Pfarrer Ullmann, Sie haben am 26. März in einem Gottesdienst unter anderem gleichgeschlechtliche Paare gesegnet und wurden dafür jetzt von Kardinal Woelkis Generalvikar Guido Assmann abgemahnt. Aber Sie wussten doch vorher schon, dass die katholische Kirche solche Segnungen verbietet. Warum haben Sie’s trotzdem gemacht?

In der Geschichte der Kirche war vieles verboten, was die Gläubigen sich irgendwann nicht mehr haben verbieten lassen. Im bürgerlichen Bereich nennt man das „zivilen Ungehorsam“.

Rom sagt: Gott kann die Sünde nicht segnen. Sie schon?

Was Gott segnen kann, das überlassen wir am besten Gott selbst. Ich segne Menschen und nicht abstrakt eine bestimmte Lebensform. Und wende mich den Menschen zu, die um den Segen bitten, weil Gott sich ihnen zuwendet. Damit ist nach biblischem Zeugnis übrigens immer auch der Ruf zur selbstkritischen Reflexion, religiös formuliert: zur Umkehr verbunden. Aber ein Urteil darüber, wie Menschen ihre Partnerschaft und ihre Sexualität leben, steht mir nicht zu.

Haben Sie das immer schon so gesehen?

Nein. Ich komme aus einem bürgerlichen, bewahrend denkenden Elternhaus. Im Studium galt ich als „schwarze Socke“. Aber durch die praktische Erfahrung als Seelsorger habe ich viele Lebensbereiche, in denen es kirchenrechtlich oder dogmatisch eindeutig zugeht, als sehr vielschichtig kennengelernt.

Können Sie ein Beispiel geben?

Wenn man mitbekommt, welches Schicksal und welche persönliche Dramen hinter der Entscheidung einer Frau für eine Abtreibung stehen, kann man nicht mehr daherkommen und sie quasi zur Mörderin erklären und aus der kirchlichen Gemeinschaft verstoßen. Ich jedenfalls kann das nicht.

Wenn man mitbekommt, welches Schicksal und welche persönliche Dramen hinter der Entscheidung einer Frau für eine Abtreibung stehen, kann man nicht mehr daherkommen und sie quasi zur Mörderin erklären und aus der kirchlichen Gemeinschaft verstoßen.
Pfarrer Ullmann

Hat es Sie gewurmt, dass das Verbot aus Köln nicht nur die Segnung schwuler und lesbischer Paare umfasst, sondern auch wiederverheiratete Geschiedene?

Wenn wir das so konsequent handhaben wollten, müssten wir über die Hälfte der Leute, die unsere Pfarrgemeinden tragen, von der Kommunion und den Sakramenten ausschließen. Und da sage ich: undenkbar! Ich bestreite überhaupt nicht die Notwendigkeit einer Rechtsordnung. Aber wenn das Kirchenrecht sich die Seelsorge noch bis ins kleinste Detail unterwirft, dann muss man sich nicht wundern, wenn keiner mehr nach Seelsorge verlangt. Gott sei Dank mache ich solch eine Erfahrung nicht. Aber nach 38 Jahren in der Seelsorge befremdet es mich und macht mich auch traurig, dass ich mich in Widerspruch zur kirchlichen Lehre setzen muss, wenn ich die Menschen erreichen will.

Und wieso akzeptieren Sie dann jetzt das Verbot?

Weil eine offizielle, unmittelbar an mich gerichtete Aufforderung vorliegt. Ich hatte mir einen in meinem Gewissen geprüften Freiraum eingeräumt – und bin zurückgepfiffen worden. Das ist jetzt so. Und da kann ich nicht mehr – in kölscher Manier – den Erzbischof einen guten Mann sein lassen, sondern ich sehe mich insoweit an mein Gehorsamsversprechen als Priester gebunden, als ich nicht einem ausdrücklichen Verbot zuwiderhandle. Ich möchte auch nicht Galionsfigur einer Art von Widerstand werden, durch die ich mir meine Freiheit in der Seelsorge verbauen würde. Dafür bin ich auch nicht der Typ.

Ich sehe mich insoweit an mein Gehorsamsversprechen als Priester gebunden, als ich nicht einem ausdrücklichen Verbot zuwiderhandle
Pfarrer Ullmann

Die Segensfeiern waren ja auch nicht Ihre Idee, sondern die einer „AG Regenbogen“ aus Ihrer Gemeinde. Haben Sie gedacht, Sie könnten sich dahinter ein bisschen verstecken?

Ich sage es umgekehrt: Ich möchte diese Gruppe nicht hinter mir verstecken. Die Stimme der AG Regenbogen ist nach meinem Verständnis von Gemeinde die „vox populi“ – die Stimme des Volkes Gottes. Ich habe großen Respekt vor diesem Engagement und werde das Bemühen der AG, ihre Themen in der Öffentlichkeit präsent zu halten und Formen der Zuwendung zu gleichgeschlechtlich Liebenden zu finden, auch weiter nach Kräften unterstützen.

Pfarrer Ullmann glaubt, angeschwärzt worden zu sein

Sie waren im Erzbistum Köln beileibe nicht der Einzige, der Segensfeiern für homosexuelle Paare angeboten hat. Warum, glauben Sie, hat das Verbot – nach allem, was bekannt ist – nur Sie getroffen?

Weil es über den Umweg aus Rom nach Köln kam. Es muss uns jemand aus dem inneren Kreis der Gemeinde in Rom angeschwärzt haben mit der Absicht, mir als Leitendem Pfarrer und der Gemeinde nachhaltig zu schaden. Das hinterlässt schon einen bitteren Nachgeschmack.

Es muss uns jemand aus dem inneren Kreis der Gemeinde in Rom angeschwärzt haben mit der Absicht, mir als Leitendem Pfarrer und der Gemeinde nachhaltig zu schaden.
Pfarrer Ullmann

Wie kommen Sie auf den inneren Kreis?

Ich habe keine Nachforschungen angestellt und werde das auch nicht tun. Aber klar ist: Die römische Intervention in Köln geht - anders als vom Erzbistum behauptet – deutlich über das hinaus, was über unsere Segensfeier in der Presse zu lesen war.

Nämlich?

Rom fragt auch nach der Predigt von Laien im Gottesdienst oder nach der Taufe durch Laien. Davon stand nirgends was in der Zeitung. Aber beides sind Themen, die auf dem „Synodalen Weg“ behandelt wurden. Und genau die wurden in Rom angezeigt. Ich sehe das so: Da sollen den Beschlüssen des Synodalen Wegs, die sowohl Rom als auch Kardinal Woelki ablehnen, möglichst wirkungsvoll Steine in den Weg gelegt werden. Allerdings scheint das Zutrauen in den Erzbischof auch nicht sonderlich groß zu sein. Sonst hätte man sich ja erstmal an ihn wenden können, statt direkt nach Rom zu schreiben.

Wie war eigentlich die Resonanz auf die Berichte über die Maßregelung aus Köln?

Der Zahl nach überwältigend. Briefe, Mails und Textnachrichten aus dem ganzen Bundesgebiet.

Und inhaltlich?

Zu 95 Prozent habe ich Zustimmung und Rückhalt für unser Vorgehen erfahren. Die ablehnenden fünf Prozent waren in fast ausschließlich in einem respektlosen, aggressiven, hasserfüllten Ton gehalten. Die Sprache: beleidigend, unterirdisch.

Hätten Sie sich gewünscht, dass Kardinal Woelki selbst mit Ihnen gesprochen hätte – und nicht nur sein Generalvikar?

Also, ich kenne Guido Assmann seit vielen Jahren. Ich schätze ihn menschlich. Ich habe mir gesagt: „Das ist wohl jetzt sein Job. Er ist halt das Sprachrohr des Bischofs.“ Was den Kardinal betrifft: Wir kennen uns schon aus dem Studium. Er war ein Jahr weiter als ich. Nach seinen beiden „Freisemestern“ in Freiburg hat er mir angeboten, sein Zimmer dort zu übernehmen. Also, wir hatten einen Draht zueinander. Insofern hätte ich mir schon ein Wort von ihm selbst gewünscht. Ich glaube, das wäre der bessere Weg gewesen. Aber ich habe den Eindruck, das administrativ-bürokratische Herangehen – bis hinein in die Sprache – ist ein Riesenmanko unserer innerkirchlichen Kommunikation.

Pfarrer Ullmann äußert sich zu Kardinal Woelki

Sie haben durchblicken lassen, dass Sie Woelki am Beginn seiner Zeit in Köln anders erlebt haben.

Ja. Das war damals eine Zeit des Aufatmens. Nicht nur ich habe ihn als jemanden wahrgenommen, der Freiräume eröffnen möchte und Vertrauen zu seinen Pfarrern hat. Davon ist wenig übrig geblieben. Wissen Sie, es ist nicht meine Absicht, auf den Erzbischof einzudreschen. Das Amt des „Episkopos“ – des Aufsehers ist sicher schwierig. Deshalb komme ich auch nicht daher und tue so, als könnte und wüsste ich alles besser. Aber ich würde mir eben dieses Maß an Vertrauen wünschen, das ein Bischof auch haben sollte. Nun steht er allerdings auch selbst unter Druck aus Rom.

Sie meinen, wegen des Rücktrittangebots, über das der Papst immer noch nicht entschieden hat?

Der Kardinal von Köln ist in der Kirche ja nun nicht irgendwer. Wenn ich nochmal an unseren Fall hier in Mettmann und den Brief aus Rom denke: Irgendein „Unterteufel“ in einer römischen Behörde setzt da etwas auf, und ein nachgeordneter Bischof – nicht etwa der Kardinalpräfekt als Chef des Dikasteriums – unterschreibt es. Da könnte der Kardinal von Köln auch sagen: „Also, Leute, wir regeln die Dinge hier so, wie wir es für angemessen halten. Und irgendeinem Sekretär in Rom bin ich keine Rechenschaft schuldig.“ Es gäbe viele Möglichkeiten, eine solche Sache abzubiegen. Den Bischöfen in den Nachbarbistümern gelingt das ja auch.

Am 20. September, dem neunten Jahrestag von Kardinal Woelkis Amtseinführung ist eine Segnungsfeier auf der Domplatte in Köln geplant, womöglich mit einer anschließenden Demo. Werden Sie daran mitwirken?

Ich habe es nicht vor, weil ich auf eine solche Idee auch nicht gekommen wäre. Ob ich privat hinfahre und mir anschaue, was passiert, ist eine andere Frage. Ich weiß aber, dass unsere  AG Regenbogen und viele Gemeindemitglieder dabei sein werden, auch aus den Gremien. Wir wollen Flagge zeigen.


Zur Person

Herbert Ullmann, geb. 1959, ist seit 2012 Leitender Pfarrer in Mettmann und seit 2020 zusätzlich in Wülfrath. Zuvor war er gut zehn Jahre Pfarrer und Dechant in Neuss. Knapp zehn Jahre war Ullmann mit Leitungsaufgaben in zwei Einrichtungen der Priesterausbildung soiwe der Jugend- und Schulseelsorge betraut. (jf)