Die Kritik an der „Welt am Sonntag“, die Musks Wahlwerbung für die AfD abdruckte, reißt nicht ab. Inzwischen nimmt die Debatte eine neue Wendung.
„Dünnste Suppe, die jemals abgedruckt wurde“Weiter Trubel um Musks AfD-Kommentar – Text wurde wohl zum Teil von KI verfasst
Der Gastbeitrag von Elon Musk in der „Welt am Sonntag“ schlägt auch gut eine Woche nach Veröffentlichung hohe Wellen in Deutschland. Musk hatte in der „WamS“ Wahlwerbung für die AfD gemacht. Angesichts des angeblichen „wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs“ Deutschlands sei die AfD „der letzte Funke Hoffnung für dieses Land“, schrieb er. Die Darstellung der Partei als rechtsextrem sei „eindeutig falsch“.
Mit Erscheinen des Textes brach eine Welle des Protestes aus, auch innerhalb des Springer-Verlags war die Veröffentlichung übereinstimmenden Medienberichten und Äußerungen aus der Redaktion zufolge extrem umstritten. Zahlreiche Redaktionsmitglieder wehrten sich dagegen – teilweise öffentlich. Die Leiterin des Meinungsressorts Eva Marie Kogel gab ihre Kündigung in den sozialen Netzwerken bekannt.
Musks Pro-AfD-Kommentar in der „Welt am Sonntag“ und die Folgen
Der „Spiegel“ berichtet außerdem, dass Robin Alexander, preisgekrönter Politikjournalist und Mitglied der Chefredaktion, Poschardt sowie dessen designierten Nachfolger Jan Philipp Burgard persönlich gebeten habe, von einer Veröffentlichung abzusehen. Poschardt kommentierte einen auf X geteilten Auszug aus dem Bericht am Freitag (3. Januar) mit einem Lach-Emoji.
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Inhaltlich war der Musk-Text von Journalistinnen und Journalisten sowie Wissenschaftlern bereits zuvor scharf kritisiert worden. Thomas Jäger, Politikwissenschaftler an der Universität Köln etwa nannte den Musk-Kommentar in einem Interview bei ntv „die dünnste Suppe, die jemals abgedruckt wurde“.
Umstrittener Kommentar in „Welt am Sonntag“: Ließ Elon Musk eine KI für ihn schreiben?
Nun allerdings gibt es erhebliche Zweifel, ob Musk den Meinungstext überhaupt selbst verfasst hat. Jäger teilte am Freitag auf X einen Ausschnitt aus einem Artikel, der der Frage nachgeht, ob Elon Musk den Beitrag für die Welt überhaupt verfasst hat. Demnach gibt es Hinweise darauf, dass der Text, der in der „Welt am Sonntag“ als Musk-Kommentar abgedruckt wurde, von Künstlicher Intelligenz erstellt worden sei.
Recherchen des Berliner „Tagesspiegel“ liefern für diesen Verdacht Indizien. Demnach wurde ein KI-Chat-Bot von einem Musk-Unternehmen damit beauftragt, „einen Meinungsartikel für eine konservativ eingestellte Zeitung zu schreiben, der zeigt, warum nur die AfD Deutschland retten könne“, heißt es dort.
Ergebnisse von KI-Analysetools mehr oder weniger eindeutig
Der KI-Chatbot Grok – vom 2023 von Elon Musk gegründeten Unternehmen xAI entwickelt – liefere unter diesen Vorgaben einen dem abgedruckten Kommentar zum Verwechseln ähnlichen Text. Ganze Passagen seien identisch. Der „Tagesspiegel“ stützt sich auch auf die Meinung eines KI-Experten. Demnach sehe Reinhard Karge vom Deutschen Zentrum für Künstliche Intelligenz „keinen anderen Grund, warum ein Sprachmodell etwas so Ähnliches auswerfen sollte“.
Die Erkenntnisse decken sich mit denen von „T-Online“. Das Portal hat die englische Version des Musk-Kommentares von verschiedenen Analysetools überprüfen lassen – und kommt dabei zu einem eindeutigen Ergebnis. Die Ergebnisse variieren etwas, keines der Tools ist davon überzeugt, dass ein Mensch mehr als die Hälfte des Beitrages selbst verfasst hat. Laut „GPTZero“ sind gar 93 Prozent des Gastbeitrags von einer KI produziert. Auch die FAZ zweifelt öffentlich daran, dass Musk den Text selbst geschrieben hat.
Weder die Welt noch Elon Musk haben die Berichte über den Einsatz von KI im Zusammenhang mit dem Kommentar bislang kommentiert.
Olaf Scholz hält Elon Musks Eintreten für die AfD für bedenklich
Wie der „Spiegel“ unterdessen berichtet, ist der „Welt“-Chefredakteur Poschardt von den ganzen Diskussionen und Unruhen rund um den Musk-Kommentar offensichtlich genervt. Er habe in einer Redaktionskonferenz darüber geklagt, ihm hätten „die Debatten das Weihnachtsfest verhagelt“, wie der „Spiegel“ von Teilnehmern der Konferenz erfahren haben will.
Während Poschardt den Abdruck nach wie vor vehement verteidigt, hat sich nun auch Bundeskanzler Olaf Scholz – von Musk mehrfach angegangen – zur Causa geäußert. Scholz sieht die persönlichen Angriffe von Elon Musk gegen ihn und weitere deutsche Spitzenpolitiker zwar gelassen, das Eintreten des US-Techonlogiemilliardärs für die AfD hält er jedoch für bedenklich. „Als Sozialdemokraten sind wir es seit dem vorletzten Jahrhundert gewöhnt, dass es reiche Medienunternehmer gibt, die sozialdemokratische Politik nicht schätzen – und mit ihrer Meinung auch nicht hinter dem Berg halten“, sagte Scholz dem Magazin „Stern“. „Da muss man cool bleiben“.