AboAbonnieren

Selenskyj reagiert mit Hitler-VergleichPutin nennt Bedingungen für Verhandlungen – und droht mit „Strafe“

Lesezeit 5 Minuten
Kremlchef Wladimir Putin spricht nach neuen westlichen Sanktionen von „Diebstahl, der nicht ungestraft bleiben wird“, sein enger Vertrauter Dmitri Medwedew (r.) dreht unterdessen mal wieder vollkommen durch. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin spricht nach neuen westlichen Sanktionen von „Diebstahl, der nicht ungestraft bleiben wird“, sein enger Vertrauter Dmitri Medwedew (r.) dreht unterdessen mal wieder vollkommen durch. (Archivbild)

Wladimir Putin nennt für Kiew nicht akzeptable Bedingungen für Verhandlungen. Dmitri Medwedew rastet derweil mal wieder aus.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat das Einfrieren russischer Vermögenswerte im Ausland sowie die Verwendung zur Unterstützung der Ukraine als „Diebstahl“ bezeichnet. Westliche Staaten versuchten, „eine Art Rechtsgrundlage“ zu finden, sagte der Kremlchef am Freitag vor Führungskräften des russischen Außenministeriums. „Aber trotz aller Beschönigungen ist Diebstahl immer noch Diebstahl und wird nicht ungestraft bleiben.“

Der Kremlchef erklärte am Freitag zudem, Verhandlungen mit der Ukraine seien nur möglich, wenn Kiew seine Truppen aus den vier von Russland illegal besetzten ukrainischen Regionen zurückziehe. Außerdem müsse die Ukraine ihre Nato-Beitrittspläne aufgeben, forderte Putin. Zudem benannte Putin einen „neutralen, blockfreien und atomwaffenfreien Status der Ukraine“ sowie die Aufhebung aller westlichen Sanktionen als „notwendige Voraussetzungen“.

Wladimir Putin nennt Bedingungen für Verhandlungen

Sollte Kiew diese Bedingungen erfüllen, werde Russland „buchstäblich in derselben Minute“ folgen, das „Feuer einstellen“ und Verhandlungen aufnehmen, erklärte Putin. Die eigenen Truppen aus der Ukraine zurückziehen, wie Kiew es für den Beginn von Verhandlungen fordert, will der Kremlchef unterdessen nicht.

Die Ukraine wies die Forderungen, deren Erfüllung einer Kapitulation Kiews gleichkämen, umgehend zurück. Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die Bedingungen als „Ultimatum“, das Adolf Hitlers Vorgehen im Zweiten Weltkrieg ähnele.

„Russland sieht in Verhandlungen lediglich ein anderes Mittel als Krieg, um die jeweiligen Kriegsziele zu erreichen“, ordnete der Kölner Politologe Thomas Jäger die Forderungen im sozialen Netzwerk X ein. „Die Vorstellung hierzulande, Verhandlungen seien der Gegensatz zum Krieg, ist Putin fremd.“ Beides seien für den Kreml „Mittel zur Erreichung politischer Zwecke“. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch der Politikwissenschaftler Carlo Masala. „Man nennt sowas Diktatfrieden“, schrieb er bei X.

Vor den Reaktionen aus Moskau hatten sich die Staats- und Regierungschefs der sieben großen Industriestaaten auf einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden Dollar (gut 46 Milliarden Euro) für die Ukraine geeinigt, der aus eingefrorenem russischen Vermögen finanziert werden soll. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte die Einigung am Rande des G7-Gipfels in Süditalien am Donnerstag als „historisch“.

Olaf Scholz begrüßt Sanktionen und sieht Wladimir Putins Plan als gescheitert

Bei der Plattform X schrieb der Kanzler außerdem: „Putin hat einen Plan: Er will den Krieg so lang vorantreiben, bis alle aufgeben, die Ukraine zu unterstützen.“ Dieser Plan sei nun „gescheitert“ erklärte Scholz weiter. „Als G7 mobilisieren wir etwa 50 Milliarden Dollar für die Ukraine – für die Verteidigung ihrer Souveränität.“

Vor der Reaktion von Kremlchef Putin hatte der Entschluss der G7 bereits für scharfe Reaktionen aus Moskau gesorgt. „Jeden Tag sollten wir versuchen, den Ländern, die unserem Land und all unseren Bürgern diese Beschränkungen auferlegt haben, maximalen Schaden zuzufügen“, schrieb der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew in seinem Telegram-Kanal.

Dmitri Medwedew dreht mal wieder durch: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“

Der nunmehrige Sicherheitsratsvize benannte explizit die Wirtschaft, Institutionen, Machthaber und „das Wohlergehen ihrer Bürger“ als Bereiche, in denen Moskau den westlichen Ländern Schaden zufügen wolle. Russland müsse „überall Schaden anrichten“, so Medwedew. Der enge Vertraute von Kremlchef Putin bekräftigte zudem Russlands Plan, „Gegner des Westens“ mit Waffen zu beliefern. „Wir sollten ihnen alle möglichen Waffen geben, außer Atomwaffen (vorerst)“, hieß es von dem Moskauer Hardliner, der einst als Reformer galt.

Medwedew bediente sich bei seiner Wortmeldung erneut schriller Töne. Wenn der Westen „Angst vor einem Krieg im Weltraum“ habe, soll er ihn bekommen, so der Ex-Präsident. Gleiches gelte für „Fake News“ und „soziale Explosionen“, schrieb er weiter. „Verwandeln wir ihr Leben in einen verrückten Albtraum, in dem sie nicht zwischen wilder Fiktion und der Realität des Tages, zwischen dem höllisch Bösen und der Routine des Lebens unterscheiden können.“ Dabei gebe es „keine Regeln“ mehr, fügte Medwedew an. Es gelte nun „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, so der russische Propaganda-Lautsprecher.

Boris Pistorius: Dauernde Drohungen aus Russland nicht zu ernst nehmen

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) empfahl am Freitag unterdessen, die dauernden Drohungen aus Moskau nicht zu ernst zu nehmen. „Wir dürfen uns nicht von jeder Äußerung von Putin ins Bockshorn jagen lassen“, sagte der SPD-Politiker am Freitag anlässlich eines Treffens der nuklearen Planungsgruppe der Nato in Brüssel.

Putin habe eine besondere Art, „diesen hybriden Krieg zu führen“, sagte Pistorius weiter: „Mal droht er, mal lockt er, mal zeigt er sich irritiert, dann wieder aggressiv.“ Deutschland und die Nato müssten lernen, damit umzugehen und bei der Unterstützung der Ukraine und der eigenen Verteidigung und Abschreckung Kurs halten.

Dmitri Medwedew: „Propagandistischer Bluthund“ von Wladimir Putin

Ähnlich sehen das auch viele Politik- und Russland-Experten. Die ständigen Drohungen aus Russland dienten vor allem dazu, den Westen von der weiteren Unterstützung der Ukraine abzuhalten, hatte Politologe Jäger bereits im letzten Jahr gegenüber dieser Zeitung erklärt. Je öfter Medwedew drohe, desto weniger müsse man ihn ernst nehmen, erklärte Jäger.

Die ständigen Drohungen erfüllten zudem auch einen innenpolitischen Zweck. Der ehemalige Präsident sei einer der „engsten Vertrauten“ von Putin, führte Jäger aus. „Was er jetzt macht, ist, wenn man so will, den propagandistischen Bluthund für Putin zu spielen, der immer wieder herum bellt und die Zähne fletscht – und das auch nach innen.“ Im Westen habe Medwedew mit derartigen Tönen seinen „relativ guten Namen“ aus der Vergangenheit verspielt.

Dmitri Medwedew wird für Wutausbrüche regelmäßig verhöhnt

Tatsächlich werden die oftmals schrillen und mit vulgären Beleidigungen versehenen Wutausbrüche Medwedews kaum noch ernst genommen. Stattdessen kommen immer wieder Gerüchte über den Alkoholkonsum des russischen Ex-Präsidenten auf.

In den sozialen Netzwerken wird Medwedew für seine Wortmeldung zudem regelmäßig verhöhnt und mit Memes lächerlich gemacht. Zuletzt hatte Medwedew Kanzler Scholz als „Scheisskopf“ betitelt und eine Karte veröffentlicht, in der sich Russland bis an Polens Grenze erstreckt. (mit afp)