Kinder machen viel Arbeit und kosten viel Geld, hört man allenthalben. Stimmt. Aber sie sind auch hinreißend, bezaubernd, umwerfend. Lassen Sie Kinder in Ihr Leben!
Weltkindertag 2024Kinder sind ein Glück: Eine Liebeserklärung an alle unter 18
Wussten Sie, dass man eine gläserne Saftflasche auch mit einem weichen Softball so kaputtschießen kann, dass der Orangensaft darin wunderbar gelb über die gesamte Wohnzimmertapete spritzt, wenn man nur einen besonders günstigen Winkel wählt und mit richtig Schmackes tritt? Haben Sie die Präpositionen des Ablativs noch parat? Sind Sie über 40 und kennen dennoch alle Influencer-Modemarken? Probieren Sie regelmäßig eine völlig neue Sportart aus? BMX vielleicht? Oder Wasserballett?
Wenn Sie auf all diese Fragen mit Ja antworten, dann gratuliere ich Ihnen in aller Form. Sie haben Kontakt zu Kindern. Vielleicht haben Sie selbst welche zu Hause. Vielleicht laden Sie sich aber auch nur gern die Nichten und Neffen für ein Übernachtungswochenende ein. Vielleicht arbeiten Sie in einer Schule oder einer Kindertageseinrichtung. Vielleicht sind Sie Schwimmtrainer oder Sozialarbeiterin. Vielleicht sprechen Sie einfach mit den Jugendlichen in Ihrer Nachbarschaft.
In jedem Fall wissen Sie: Kinder machen viel Arbeit, ja. Und ich rede nicht nur von schmutziger Wäsche und den verschütteten Saftflaschen. Das Leben mit ihnen ist eine ewige Herausforderung: Sie müssen erzogen werden, strengen an, kosten Geld. Sie gehen einem tierisch auf die Nerven. Aber hier ist heute mal kein Platz zum Jammern. Denn Kinder sind in erster Linie ein Glück. Und dieser Text soll deshalb nichts weiter werden als eine Liebeserklärung an alle Menschen unter 18.
Milchzahn raus, Meeting futsch
Denn so ein geordnetes und ödes Erwachsenenleben bekommt schwungvolle Unordnung durch Kinder. Sie tanzen an einem ganz gewöhnlichen Homeoffice-Dienstagnachmittag im Wohnzimmer. Sie hindern uns daran, an langweiligen Meetings teilzunehmen, weil sie sich just eine halbe Stunde vorher beim Raufen einen Milchzahn ausschlagen lassen. Sie räumen Küchenschränke so gründlich um, dass Sie am Ende das Mehl nicht mehr finden oder es Wochen später im Schuhschrank nebenan entdecken.
Und wir Erwachsenen profitieren. Nicht nur der Geduldsfaden wird dicker, Kinder schulen auch unsere Reaktionsfähigkeit. Sie zwingen uns dazu, eingefahrene Handlungsautobahnen in unserem Gehirn zu verlassen und den Umweg über längst eingerostete Synapsen zu wählen. Sie machen uns spontan, kreativ, beweglich.
Tun Sie was gegen Ihre Verkalkung – lassen Sie Kinder in Ihr Leben!
Ein Spidermankostüm zum Geburtstagskaffee bei Oma? Warum eigentlich nicht? Mit dem 15-Jährigen die bedingte Wahrscheinlichkeit aus der zehnten Klasse Stochastik nochmal durchdenken und vielleicht sogar verstehen? Was für ein Training! Ein Remote-Verkaufsgespräch am Spielfeldrand in der Sonne statt im Büro führen? Flutscht manchmal sogar besser. Man muss bei niedrig anrauschenden Bällen nur ab und zu den Kopf einziehen. Wenn Sie nicht vorhaben, schon mit 35 vor lauter Langeweile und beginnender Verkalkung eine wohlgeordnete Bonsaizucht zu eröffnen, dann lassen Sie Kinder in Ihr Leben!
Aber nicht nur das Gehirn halten Kinder auf Trab. Sie trainieren auch körperlich. Meine Mutter beispielsweise, die Sport in ihrer Jugend für eine absurd überflüssige Tätigkeit hielt, lernte mit uns Kindern gemeinsam das Skifahren. Für die Enkel stieg sie sogar zeitweise ins Fußballbusiness ein.
Wer fürchtet, im Urlaub beim faul am Strandliegen Muskelmasse zu verlieren und eher Gewicht zuzulegen, dem sei gesagt: Das passiert Ihnen nicht, wenn Sie mit Menschen unter 12 reisen. Dann rennen Sie nämlich. Wahlweise hinter einem wackelnden Kleinkind her, das sich in die Fluten zu stürzen droht oder hinter einem Ball oder einem Drachen oder einer achtlos ausgezogenen und nun davonsegelnden Unterhose.
Regenwurm über den Gehweg helfen – Kinder sind die besten Achtsamkeitstrainer
Und dann geht es ja auch um Achtsamkeit. „Jetzt“ ist eine Zeitangabe, die vielleicht niemand so gut mit Leben füllen kann wie ein Kind, das gerade versucht, einen Ball auf einem zweiten zu balancieren. Einen Turm aus Legosteinen zu bauen. Einem Regenwurm über den Gehweg zu helfen. Mit einem Erdbeerjoghurt sehr gleichmäßig den Esstisch zu bestreichen.
Kennen Sie das wunderbare Gefühl von Dankbarkeit, wenn ab und zu im Alltag das wirkliche Glück aufleuchtet? Keine Gehaltserhöhung, kein Lottogewinn, kein Auto, keine Weltreise, kein Erfolg der Erde kann so viele Endorphine freisetzen, wie einer dieser winzigen Momente das manchmal tut: Der Blick auf die sandige Badewanne, in der man nach einem Tag am Strand die glücklichgespielten Kinder geduscht hat. Der Geruch von frisch gebackenem Brot, den der Kopf der schlafenden Ältesten verströmt. Das Kichern aus dem Kinderzimmer, wenn der Jüngste abends im Bett noch einen Comic liest. Das Jubeln des Fünfzehnjährigen, wenn ihm ein Flickflack gelingt.
Stellen Sie sich vor: Eine riesige Immobilie, in der nie eine Kinderbande rumrennt
Und selbst das viele Geld, das Kinder kosten – ein Glück, dass es für sie investiert ist. Stellen Sie sich vor, Sie hätten das alles in Partys, Alkohol oder andere Dummheiten gesteckt. In eine riesige Immobilie, in der nie eine Kinderbande rumrennt. In gediegene Abendessen bei gedämpfter Musik. In sündhaft teure Hautcremes, die uns vom Altern ablenken wollen, Falten aber doch nicht wegzaubern. So gesehen ist das Geld in einem Fahrrad, einem Kinderbuch, einer Blockflöte, einer neuen Tapete für das völlig versaute Wohnzimmer wirklich gut angelegt.
Apropos Geld: Kinder sind tatsächlich auch finanziell eine Bereicherung – wenn man ein bisschen warten kann. Denn natürlich zahlt der Fratz, der heute auf unsere Kosten kiloweise Steak mit Kartoffelbrei, Spaghetti Bolognese oder das teure Biomüsli verschlingt, im besten Fall mal Ihre Rente. Er sorgt vielleicht dafür, dass diese Gesellschaft neue Ideen hat, die uns wirtschaftlich voranbringen. Am Ende erfindet er eine CO2-Fress-Maschine, eine Pille gegen Demenz oder eine genügsame Pflanze, die die ganze Weltbevölkerung satt machen kann. Einige unserer Kinder werden uns pflegen, unsere Wasserkisten schleppen, Friedensverhandlungen führen oder für uns seniorengerechte Wohnungen planen.
Das Warten darauf wird gar nicht so lange dauern. Und das ist eigentlich ziemlich traurig. Schließlich sind Menschen den kleinsten Teil ihres Lebens Kinder. Also warten Sie nicht zu lange: Holen Sie die Kinder früher aus der Betreuung! Zählen Sie Bäume, streicheln Sie Raupen, sammeln Sie Steine, legen Sie den Kopf auf den Rasen und erzählen Sie sich Geschichten über die Wolkenmonster, die gerade am Himmel vorüberziehen. Sie werden danach wieder spüren, was Glück ist.