Impfen oder nicht?Wie Eltern und Jugendliche in Köln die Kinder-Impfung sehen
Köln – „Ängstlich und unsicher“ sei er bei den ersten Impfungen von Kindern und Jugendlichen in seiner Praxis in Köln-Junkersdorf gewesen, sagt Marcel Razzaghi. Seit März dieses Jahres impft der Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Kinder ab zwölf Jahren. Zuerst hat er nur jene mit Vorerkrankungen oder Risikopatienten im Umfeld behandelt, später auch alle anderen. Inzwischen haben er und seine Kollegen rund 200 Kinder und Jugendliche geimpft. Razzaghis junge Patienten vertragen die Impfung gut. Er sagt aber auch, dass er seine Entscheidung zu impfen jederzeit ändern könnte.
Was das Impfen von Jugendlichen ab zwölf Jahren angeht, herrscht Uneinigkeit. Auf der einen Seite ist da die Ständige Impfkommission (Stiko), die keine allgemeine Empfehlung für die Impfung von Kindern und Jugendlichen ausspricht. Auf der anderen Seite Politiker wie Jens Spahn und Karl Lauterbach.
Die Argumentation der Stiko: Es liegen zu wenige Daten vor, um eine generelle Empfehlung auszusprechen. Der CDU-Gesundheitsminister hingegen hat angekündigt, auch Jugendlichen unter 18 Jahren ein Impfangebot machen zu wollen. Die Stiko habe sich in ihrer Position zu den Impfungen „ein bisschen verrannt“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach dem Deutschlandfunk – und rät zum Impfen.
Weniger Bedenken bei Jugendlichen ab 15 Jahren
Jakob Maske vom Bundesverband für Kinder- und Jugendärzte und Kinderarzt Marcel Razzaghi schließen sich den Bedenken der Stiko an. „Es gibt für die Zwölf- bis 14-Jährigen noch keine ausreichende Studienlage, zu den möglichen Risiken einer Impfung. Beispielsweise einer Herzmuskelentzündung bei den Jungs. Darum möchte ich beim Impfen noch nicht in die Vollen gehen“, so Razzaghi. Er unterscheidet zwischen der Gruppe der Zwölf- bis 14-Jährigen und den Jugendlichen von 15 bis 18 Jahren.
Die Jüngeren impft er nur in Ausnahmefällen. Ab 15 Jahren hat er weniger Bedenken: „Das Immunsystem ist in diesem Alter fast wie das der Erwachsenen“. Für Marcel Razzaghi haben auch Erfahrungen mit Post-Covid-Patienten dazu geführt, dass er sich für die Impfungen von Teenagern entschied. Er habe „ganz schwere Verläufe“ von jungen Menschen miterlebt. In der Gruppe der unter 15-Jährigen hingegen sei ihm das nie begegnet.
Dazu kommt, dass die Jugendlichen ab 15 Jahren am meisten unter der Pandemie gelitten hätten. „Diese soziale Komponente ist für mich auch ein Grund sie zu impfen“, so der Arzt.
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Seit Ende Juli macht auch das Impfzentrum Köln den unter 18-Jährigen ein Impfangebot. Laut der Stadt Köln haben bisher 539 Kinder und Jugendliche diese Möglichkeit wahrgenommen. Die meisten Eltern vereinbaren mit ihrem Nachwuchs nach den Erfahrungen von Razzaghi aber einen Impftermin beim Kinderarzt: Er schätzt, dass rund 70 Prozent der Praxen in den südlichen und westlichen Teilen Kölns auch die Zwölf- bis 18-Jährigen impfen. Ein Termin sei aktuell relativ einfach zu bekommen.
Andrang am Impfzentrum Köln ist längst vergangen
Am Impfzentrum Köln ist um die Mittagszeit relativ wenig los. Viele Einzelpersonen verlassen nach ihrer Impfung das Messegelände, etwa ein Drittel der Menschen ist aber mit Kindern unterwegs. Wer sie nach den Gründen für ihre Entscheidung fragt, bekommt oft Folgendes zu hören: Die Kinder und Jugendlichen hätten selbst die Initiative ergriffen und um eine Impfung gebeten. Viele Familien holen vor dem Piks noch den Rat vom Hausarzt ein.
Catja Wollenweber ist in ihrer Klasse eine Ausnahme. Die meisten ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler wollen sich nicht impfen lassen – aus Unsicherheit. Die Schülerin aus Pesch sieht das anders: „Ich möchte mich impfen lassen, um mich und andere zu schützen“, sagt sie. Ihre Mutter Claudia unterstützt den Wunsch der Tochter.
Anna und Norbert Schmitz sind mit ihren 14 Jahre alten Zwillingen Leonard und Viktoria gekommen. „Die frei verfügbaren Termine hier waren definitiv ein Anreiz“ , sagt Norbert Schmitz.
Debatten von Experten und Politik verunsichern
Der 13-jährige Tim Kürth wohnt mit seiner Familie in Merheim. Auch er möchte sich impfen lassen. Seine Mutter Nicole findet das gut – auch wegen des Rests der Familie. „Ich habe insgesamt sechs Kinder und es geht darum, alle zu schützen“ , sagt sie. Zwei der älteren Kinder, 17 und 19 Jahre alt, sind bereits geimpft. Der Schutz ist für sie das Wichtigste. Aber auch die Aussicht, wieder in Urlaub fahren zu können, spielt für die Familie aus Merheim eine Rolle.
Der zwölf Jahre alte Toni Popovic aus Dünnwald ist bereits zwei Mal geimpft. Vor fünf Wochen hatte die Hausärztin Restdosen zur Verfügung. Die zweite Impfdosis sei „schwerlich“ zu beschaffen gewesen, sagt seine Mutter Britta Popovic. Weil es inzwischen das Angebot des Impfzentrums gibt, hat sich die Familie dann dorthin gewandt: „Die machen ja wirklich aktiv Werbung, man solle ohne Termin kommen. Das kam uns jetzt sehr gelegen.“
Dass es noch keine allgemeine Empfehlung für die Impfung von Kindern und Jugendlichen gibt, habe sie verunsichert. Überzeugt hätten sie dann Experten wie Karl Lauterbach. Auch Marcel Razzaghi spürt in seiner Praxis, wie sehr die Debatten von Experten und Politik Eltern beeinflussen und verunsichern. Sein Weg: Transparent erklären – und Unsicherheiten nicht verschweigen.