AboAbonnieren

Analyse von InfektionskettenWelche Rolle spielen Kinder in der Corona-Pandemie?

Lesezeit 3 Minuten
Kinder Corona Verbreitung

Welche Rolle spielen Kinder bei der Verbreitung des Coronavirus?

  1. Seit Beginn der Corona-Pandemie stellt sich immer wieder die Frage, welche Rolle Kinder bei der Verbreitung des Virus spielen.
  2. Bisherigen Untersuchungen zufolge sind Kinder nicht ansteckender als Erwachsene. Obwohl sie bei anderen Infektionskrankheiten als Treiber gelten.
  3. Eine Analyse von Infektionsketten in zwei indischen Bundesstaaten kommt nun allerdings zu einem anderen Ergebnis. Die Wissenschaftler sehen Bedarf zu weiteren Untersuchungen.

Seit Beginn der Corona-Pandemie stellt sich immer wieder eine Frage: Welche Rolle spielen Kinder? Relativ schnell fanden Forscher heraus, dass sie deutlich seltener schwer an der von Coronaviren ausgelösten Krankheit Covid-19 erkranken als Erwachsene. Längst nicht so eindeutig ist die Sachlage bei der Frage, welche Rolle Kinder bei der Weitergabe des Virus spielen. Eine umfangreiche Analyse von Infektionsketten in Indien, die im Fachblatt „Science“ veröffentlicht wurde, lässt darauf schließen, dass Kinder bei der Verbreitung doch eine größere Rolle einnehmen könnten als bislang angenommen.

Bisherige Untersuchungen waren tendenziell zu anderen Ergebnissen gekommen. Obwohl Kinder bei Infektionskrankheiten, zum Beispiel der Grippe, als Treiber gelten. So heißt es in einer Studie eines Teams rund um den Virologen Christian Drosten auch in der aktualisierten Fassung, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass Kinder nicht genau so ansteckend seien wie Erwachsene. Dabei hatten die Wissenschaftler die Viruslast im Körper untersucht und waren zu dem Schluss gekommen, dass sich in den Rachen von Kindern und Erwachsenen eine gleich hohe Anzahl an Viren befinde.

Analyse von 570.000 Kontaktpersonen

Bei der nun veröffentlichten Studie wählten die Wissenschaftler eine andere Herangehensweise. Sie haben die Daten von knapp 570.000 Menschen aus zwei indischen Bundesstaaten untersucht, in deren Umfeld eine Person an Covid-19 erkrankt war. Der Fokus lag dabei schlicht auf der Frage, ob sich jemand angesteckt hatte oder nicht. Von diesen 570.000 Menschen waren knapp 85.000 infiziert.

Alles zum Thema Christian Drosten

Das Ergebnis: Das Virus wird vor allem an Gleichaltrige weitergegeben. Dies ziehe sich durch alle Altersgruppen, am auffälligsten sei diese Erkenntnis jedoch bei Kindern bis 14 Jahren. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass sozialer Kontakt unter Kindern die Ausbreitung des Coronavirus deutlich begünstigen könne. Die Schließung von einigen Schulen habe wohl größere Ausbreitungen verhindert. „Kinder sind sehr effiziente Überträger, was sich in früheren Studien nicht so gezeigt hat“, so der Studienautor Ramanan Laxminarayan von der Princeton University.

Bedarf an weiterer Forschung

Die Wissenschaftler weisen allerdings auch darauf hin, dass man die Gegebenheiten des sozialen Miteinanders in Indien, die sich deutlich von anderen Ländern unterscheiden können, berücksichtigen müsse. Auch lasse sich bei einer solchen Analyse von Kontaktdaten nicht immer rekonstruieren, wer zuerst infiziert war. Denn im Fall des Coronavirus können Menschen auch ohne Symptome ansteckend sein, was die Pandemie so gefährlich macht. Studien zur Kontaktverfolgung könnten demnach nur eine Tendenz aufzeigen, hinter der sich dann die Wahrheit verbergen könnte. Das Team der Wissenschaftler sieht auf der Grundlage ihrer Forschung den Bedarf einer genaueren Untersuchung.

Neben der Rolle, die Kinder in der Pandemie einnehmen, lieferte die Analyse der Infektionsketten in Indien noch weitere Erkenntnisse. So geht ein Großteil der Infektionen wohl weiter von sogenannten Superspreadern aus. Mehr als die Hälfte der erfassten Neuinfektionen ließen sich auf weniger als zehn Prozent der ursprünglich Infizierten zurückführen. 71 Prozent der Infizierten gaben das Virus hingegen anscheinend überhaupt nicht weiter. Die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren, lag laut der Untersuchung bei Kontakten mit hohem Risiko bei 10,7 Prozent, bei Kontakten mit niedrigem Risiko bei 4,7 Prozent. Am größten war die Gefahr, wenn die Menschen in einem Haushalt leben.