Es schmerzt beim Schlucken, die Stimme ist kratzig und alle fünf Minuten kommt der Hustenanfall – sollte man in der Corona-Krise vorsichtshalber immer zum Arzt, wenn man einen Atemwegs-Infekt hat?
Oder bleibt man besser daheim, weil die Ansteckungsgefahr in einer Arztpraxis noch höher ist? Und wann ist ein Corona-Test wirklich angezeigt?
Diese Fragen, die viele gerade umtreiben, haben wir vier Experten gestellt: Einem Kinderarzt, einem Allgemeinmediziner, einer Infektiologin und einem Apotheker.
Köln – Im Herbst und Winter sind meist viele Patienten in den Wartezimmern der Arztpraxen. Normalerweise sitzen sie dort dicht an dicht neben Menschen, deren Nase läuft, die gefühlt alle zehn Sekunden Husten müssen oder deren Hautfarbe sich kaum von der weißen Wandfarbe des Wartebereichs unterscheidet. Doch wie sieht es in der Corona-Pandemie aus? Sollte bei jedem Kratzen im Hals der Arzt aufgesucht werden, um eine Covid-19-Infektion auszuschließen oder laufen Patienten sogar Gefahr, sich im Wartezimmer mit dem Virus anzustecken? Carsten König, Hausarzt in Düsseldorf und Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), Thomas Preis, Vorsitzender der Kölner Apotheken und Teil des Corona-Expertenrates des „Kölner Stadt-Anzeiger“, Kinderarzt Jakob Maske vom Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte in Berlin und Clara Lehmann, Infektiologin, klären über die wichtigsten Fragen auf.
Sollten Patienten in dieser Herbst- und Wintersaison bei Krankheitssymptomen schneller als sonst einen Arzt aufsuchen, um eine Corona-Infektion auszuschließen?
Carsten König: Hat jemand nur leichte Erkältungssymptome, ist es besser, wenn er sich zu Hause auskuriert. Statt in die Praxis zu kommen, raten wir unseren Patienten zum telefonischen Kontakt und erkundigen uns nach zwei bis drei Tagen nach ihrem Befinden.
Clara Lehmann: Das hängt entscheidend davon ab, wie sich das Infektionsgeschehen in Deutschland weiterentwickelt: Wenn wir sehen, dass die Infektionszahlen immer weiter zunehmen, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass möglicherweise eine Covid-19-Erkrankung vorliegt. Dann ist es empfehlenswert, dass Patienten mit Krankheitssymptomen zügig einen Arzt aufsuchen. Wenn wir es jedoch schaffen, die Infektionszahlen wieder zu kontrollieren, dann wird die Wahrscheinlichkeit natürlich geringer, an Covid-19 erkrankt zu sein. Insgesamt müssen wir alle sehr aufmerksam sein und am besten zu Hause bleiben, wenn wir Symptome haben, um keine weiteren Menschen anzustecken.
Thomas Preis: Nein. Das ist grundsätzlich nicht nötig. Aber immer dann wenn typische Corona-Symptome auftreten, sollten Sie Ihren Arzt anrufen. Die Praxis wird Sie dann zunächst telefonisch beraten und entscheiden, was zu tun ist. Laut Weltgesundheitsorganisation sind typische Symptome trockener Husten, Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns, Kopf- und Gliederschmerzen, Halskratzen oder Atemnot.
Jakob Maske: Eltern sollten auch in der Corona-Krise Ruhe bewahren. Haben sie aber den Eindruck, dass ihr Kind besonders krank ist, sollten sie natürlich zum Arzt gehen. Besteht der Verdacht, dass es eine Covid-19-Infektion sein könnte, sollten Eltern sich zunächst telefonisch oder per E-Mail an die Praxis wenden.
Ab wann sollte ein Arzt aufgesucht werden? Welche Symptome sind entscheidend?
Carsten König: Wer unter schweren Symptomen wie starken Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und Fieber über 38 Grad leidet oder schon länger Husten mit Auswurf hat, sollte sich von einem Hausarzt untersuchen lassen. Wichtig ist, dass Patienten immer erst anrufen, bevor sie in eine Praxis kommen. So können Wartezeiten vermieden und infektiöse Patienten separiert werden. Auch wenn sich eine Infektion nach zwei bis drei Tagen nicht bessert oder gar verschlechtert, ist es ratsam, zum Arzt zu gehen.
Clara Lehmann: Die Krankheitsverläufe sind sehr unterschiedlich und ähneln teilweise stark einer Grippe. Sehr charakteristisch sind vor allem Veränderungen von Geruchs- und Geschmackssinn. Bei Beschwerden wie Fieber, trockenem Husten und Atemnot sollte ein Arzt aufgesucht werden. Wenn die Atemnot zunimmt, ist es sogar dringend zu empfehlen, einen Arzt zu konsultieren. Das Besondere bei einer Covid-19-Erkrankung ist, dass die Patienten zum Teil nur wenig Luftnot verspüren. Wenn man sich die Lunge in der CT-Untersuchung ansieht, dann sieht es aber oft sehr schlimm aus. Es ist etwas, das wir so bisher nicht kennen.
Thomas Preis: Besonders zu erwähnen sind Symptome wie Fieber, Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns und Atemnot. Immer dann, wenn man sich besonders krank und schlapp fühlt, dann sollte der Arzt kontaktiert werden.
Jakob Maske: Das hängt sehr vom Alter ab – kleine Säuglinge bis drei Monate sollten immer sofort zum Arzt gebracht werden, wenn sie schlecht trinken oder Fieber mit 38 Grad haben. Sind Kinder älter, kann man ein bis zwei Tage abwarten und die Symptome beobachten. Daran ändert sich auch durch Covid-19 nichts. Machen sich Eltern Sorgen, ist das Kind sehr schlapp, möchte nichts trinken, agiert ungewöhnlich oder hat Durchfall, sollten sie natürlich in die Kinderarztpraxis kommen.
Wann sollte unbedingt ein Corona-Test durchgeführt werden?
Carsten König: Ganz sicher, wenn jemand weiß, dass er Kontakt zu einem Menschen mit einer Sars-CoV-2-Infektion hatte oder auf einer Familienfeier war und danach mehrere Gäste positiv auf Covid-19 getestet wurden. Auch wer im Ausland in einem Risikogebiet war, sollte sich testen lassen. Bei typischen Covid-19-Syptomen mit Fieber, starkem Krankheitsgefühl, Husten und starken Halsschmerzen empfiehlt sich ein Test.
Clara Lehmann: Alle Patienten mit Fieber und Atemwegserkrankungen oder Geruchs- und Geschmacksveränderungen sollten sich testen lassen. Vor allem wenn sie Kontakt zu einer positiven Person hatten oder aus einem Risikogebiet zurückkehren.
Thomas Preis: Ein Test auf das neuartige Coronavirus wird vom Robert Koch-Institut unter anderem empfohlen, wenn ein Mensch in den letzten 14 Tagen Kontakt zu einer positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Person hatte und Symptome zeigt beziehungsweise an einer Lungenentzündung erkrankt und sich in einer Umgebung wie einem Krankenhaus oder einem Altenheim befindet, in dem gehäuft Lungenentzündungen auftreten. Ich rate zur Anwendung dieser Empfehlung.
Jakob Maske: Das entscheidet der Arzt immer individuell. Immer, wenn es einen Corona-Fall in der Umgebung des Kindes gibt, führen Mediziner einen Test durch oder wenn uns Patienten für ihr Alter ungewöhnlich krank vorkommen.
Ist die Sorge vor einer Corona-Infektion beim Besuch des Hausarztes beziehungsweise des Kinderarztes berechtigt?
Carsten König: Für die Patienten ist die Gefahr gering. In der Praxis haben wir die Stühle im Wartezimmer weit auseinander gestellt und Patienten sowie Personal tragen einen Mund-Nasen-Schutz. Infizierte Patienten separieren wir, damit sie keinen Kontakt zu anderen Patienten haben. Die Gefahr besteht wenn für uns Ärzte oder das medizinische Personal in den Praxen.
Clara Lehmann: Nein, diese Sorge ist nicht berechtigt. Man muss keine Angst vor einer Ansteckung haben, weil die Mitarbeiter aus dem medizinischen Bereich mittlerweile alle sehr routiniert in der Umsetzung der Hygienevorschriften sind. Solange alle (Patient und medizinisches Personal) eine Maske tragen und die Hygienevorschriften einhalten, besteht ein gewisser Schutz vor SARS-CoV-2. Es ist ganz wichtig, dass man weiterhin zum Hausarzt geht, wenn es notwendig ist. Bei Herz- oder anderen Beschwerden sollte man nicht zu lange zu Hause bleiben.
Verhalten bei Covid-19-Verdacht
Sind Patienten sich unsicher, ob sie erkältet sind oder sich mit Covid-19 infiziert haben, sollten sie sich immer erst telefonisch an ihren Arzt wenden oder können die Arztrufnummer 116 117 wählen, informiert die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein. Wie sich Patienten im Fall einer Infektion verhalten sollten und wo sie sich in Nordrhein-Westfalen testen lassen können, steht auf der Webseite der KVNO.
Thomas Preis: Besonders wichtig ist, dass Patienten bei Corona-Verdacht keinesfalls direkt und ohne telefonische Rücksprache das Wartezimmer einer Arztpraxis aufsuchen und damit unter Umständen riskieren, andere Menschen anzustecken. Weiterhin sollte man den Gang zur Arztpraxis auf die wirklich notwendigen Besuche reduzieren. Rezepte über regelmäßig benötigte Arzneimittel können beispielsweise vorbestellt werden.
Jakob Maske: Die Gefahr sich in einer Kinder- und Jugendarztpraxis mit Covid-19 anzustecken, ist sehr gering. Bei den Kindern in unserer Praxis ist nicht einmal ein Prozent der getesteten Kinder an Sars-CoV-2 erkrankt.