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Teil 4 der Serie „Jetzt aber!“Wie es gelingt, ausgeglichener und zufriedener zu werden

Lesezeit 6 Minuten
Clifford Opoku-Afari sitzt vor einer Wand in seinem Studio.

Wer ausgeglichen sein möchte, braucht eine Mischung aus Anspannung und Entspannung.

Auch emotionale Fitness ist wichtig. Der Kölner Coach Clifford Opoku-Afari erklärt, wie wir im Alltag Entspannung und Zufriedenheit finden.

Wenn alles gut läuft, leben Sie jetzt schon seit einem Monat gesünder als zuvor, sind fitter, stärker und beweglicher geworden. Vielleicht hat es kleinere Rückschläge gegeben, aber auch da haben Sie gelernt, wie Sie damit umgehen und wieder oben auf die Welle kommen. Nämlich indem Sie sich nicht zu viel vornehmen und die für sich passenden Rituale finden, die Sie dann konsequent durchziehen. So wird nach und nach aus einem Vorsatz eine Gewohnheit, die Sie nicht mehr missen wollen.

Menschen müssen lernen, zur Ruhe zu kommen

Körperlich sind Sie also fit. Doch wie sieht es mental aus? Wie kann es gelingen, auch geistig stärker und vor allem ausgeglichener zu werden? Dazu lohnt es sich, den Begriff ausgeglichen einmal genauer zu betrachten. „Ausgeglichenheit hat etwas mit einer Gleichung zu tun. Man muss also schauen, ob an einer Stelle etwas fehlt und was das ist“, erklärt der Kölner Speaker, Fitnesstrainer und Coach Clifford Opoku-Afari.

Wenn alles gut liefe, müssten Kräfte, Energien und Wünsche in jedem von uns wie im bekannten Yin-Yang-Zeichen ausgeglichen sein. Konkret heißt das: Entspannung und Anspannung sind zu gleichen Teilen vorhanden. „In unserer Kultur kommt jedoch die Seite des Ruhens und der Entspannung oft zu kurz. Stattdessen soll alles noch schneller und effizienter gehen. Ständig geht es um Beschleunigung“, meint Opoku-Afari. Seiner Meinung nach wäre es viel wichtiger, den Menschen beizubringen, wie sie wieder herunterfahren und zur Ruhe kommen können.


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Hunde sind die besten Vorbilder

Um das zu üben, kann man sich ein Beispiel an Tieren nehmen. Opoku-Afari empfiehlt, dazu Hunde zu beobachten: „Die sind immer entweder voll bei der Sache oder ganz entspannt. Bei ihnen gibt es wenig dazwischen.“ Geht man mit ihnen spazieren, freuen sie sich und sind voller Energie. Kommt man wieder nach Hause, ist Entspannung angesagt. Der Hund legt sich hin, streckt alle Viere von sich und ruht sich aus. Kurz gesagt: Er macht entweder das Eine oder das Andere, er ist entweder aktiv oder entspannt. Einen halbgaren Mix aus beidem gibt es nicht. Daran sollten wir uns ein Vorbild nehmen und in allem, was wir tun, voll bei der Sache sein. Egal, ob das Anspannung oder Entspannung ist. „Das können wir Menschen nicht mehr, und das fehlt uns. Deshalb sind wir unausgeglichen“, ist Opoku-Afari überzeugt.

„Wir sind nie im Moment und bei der Sache“

Im Alltag kann dieses Dilemma zum Beispiel so aussehen: Wenn wir arbeiten, haben wir den Wunsch, uns zu entspannen, weil es zu viel ist. Wenn wir entspannen, grübeln wir trotzdem über die Arbeit nach, schauen aufs Handy und beantworten Mails. Wir sind weder voll bei der einen, noch bei der anderen Sache. „Wir sind nie im Moment und nie bei dem, was wir gerade tun. Das führt zu einer permanenten Unausgeglichenheit“, sagt Opoku-Afari.

Um wieder mehr im Augenblick leben zu können, hilft seiner Meinung nach vor allem der Smartphone-Entzug. Nachrichten, Anrufe, Benachrichtigungen und Social Media lenken uns ab. Schon Kinder haben heute ein Handy und werden früh an die ständige Beschallung gewöhnt. Zudem gibt es immer mehr Krisen und schlechte Nachrichten. „Damit sind die Menschen zunehmend überfordert“, glaubt Opoku-Afari. Wer ausgeglichener werden möchte, sollte deshalb unbedingt seine Medien- und Nachrichtenzeit reduzieren oder zeitweilig ganz weglassen.

Social-Media-Kanäle aussortieren

Vor allem die Social-Media-Nutzung sollte überprüft werden. Wer noch nicht bereit ist, sich von einigen Kanälen oder Plattformen zu trennen, kann mit dem Aussortieren beginnen. Überprüfen Sie kritisch, wem Sie alles folgen und was die Inhalte bei Ihnen auslösen. „Überlegen Sie bei jedem Einzelnen: Tut mir dieser Inhalt gut oder regen mich die Beiträge eher auf, weil ich dadurch das Gefühl bekomme, minderwertig zu sein“, rät Opoku-Afari.

Um langfristig ausgeglichener zu werden, sollte man ab und an überprüfen, wie viel Ballast sich im Leben angesammelt hat und wovon man sich besser trennen sollte. Dabei spielt nicht nur Digital Detox eine Rolle. Wer ruhiger werden möchte, sollte sich unbedingt auch regelmäßig in der Natur aufhalten und zum Beispiel im Wald spazieren gehen – ohne Handy. Auch Meditation hilft, einen ruhigeren Geist zu entwickeln. Ganz wichtig ist guter Schlaf. Dazu gehört auch, zwei Stunden vor dem Zubettgehen keine Nachrichten mehr zu konsumieren und möglichst kein Handy oder Smartphone zu benutzen.

Nicht vor sich selbst weglaufen

Auch die echte Welt um sich herum sollte überprüft werden. Es gibt Menschen, die sich ständig überfordern und ihre Tage komplett voll packen mit Terminen und Verabredungen. Sie gehen nach der Arbeit ständig irgendwo hin und treffen sich mit vielen Menschen, sind aber nie wirklich da. Opoku-Afari sieht in diesem Verhalten eine permanente Ablenkung und eine Flucht vor sich selbst: „Jemand, der immerzu im Brass ist und nicht zur Ruhe kommt, weiß genau, dass es für ihn übel aussehen würde, wenn er denn einmal zur Ruhe käme. Dann kommen Themen hoch, die man versucht, mit Arbeit, exzessivem Sport oder ständigen Verabredungen zu überdecken. Wer ausgeglichen werden möchte, muss aber lernen, Zeit mit sich selbst zu verbringen und auch negative Gedanken auszuhalten.“

Das ist gerade am Anfang nicht immer leicht. Opoku-Afari hat Klienten erlebt, die es nicht einmal 15 Minuten am Tag in Ruhe und vor allem ohne Handy aushalten. Er sagt: „Das ist schon eine harte Aussage, dass man es nicht einmal schafft, eine Viertelstunde am Tag einfach nur zu sein, ohne eine Aufgabe zu erledigen oder sich abzulenken. Aber die Gesellschaft belohnt einen dafür, wenn man so arbeitet und so lebt.“ Er hofft deshalb auf einen generellen gesellschaftlichen Wandel, in dem anerkannt wird, wenn jemand aus dem Hamsterrad aussteigen will, um ausgeglichen, gesund und fit zu werden.

Mehr Bereitschaft, über psychische Probleme zu sprechen

Der Wandel muss aber auch im Kleinen stattfinden. Nicht jeder ist stark genug, sich von vermeintlichen sozialen Verpflichtungen fernzuhalten, wenn er eigentlich Ruhe und Zeit für sich braucht. Oft ist der Widerstand groß und es braucht jede Menge Rechtfertigung, wenn jemand nicht an einem Event teilnehmen will.

Opoku-Afari ist aber optimistisch, dass sich das bald ändern wird und glaubt, dass die meisten Menschen auch dank Psychotherapie achtsamer mit sich umgingen. „Zwar langsam, aber spürbar verändert sich etwas. Es gibt weitaus mehr Bereitschaft, über diese Themen zu reden. Noch vor zehn Jahren war das für mich kaum machbar, da wollte niemand über seine psychischen Probleme sprechen. Heute kommen meine Klienten von sich aus zu mir. Die Bereitschaft wächst zunehmend, weil die Leute verstehen, dass es so nicht weitergehen kann“, erzählt Opoku-Afari.

Die Menschen lernen also nach und nach, dass es nicht nur darum geht, die Erwartungen der Gesellschaft zu erfüllen und fremdbestimmt zu leben, sondern dass es wichtiger ist, mehr bei sich und seinen Bedürfnissen zu sein. Bleibt zu hoffen, dass das gelingt.