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Niedrigster StandSo wenig jugendliche Rauschtrinker wie nie - so geht Erste Hilfe im Ernstfall

Lesezeit 5 Minuten
Eine Person trinkt aus einer Flasche. (Symbolbild)

Es gibt weniger Rauschtrinker unter Jugendlichen. Was, wenn es doch mal ausartet? (Symbolbild)

Jugendliche und Kinder, die wegen Komasaufen im Krankenhaus landen, gibt es immer weniger. Falls es doch mal zu einer Alkoholvergiftung kommt, ist Helfen angesagt. Wir sagen wie.

Manchmal findet eine Partynacht kein Ende und der Konsum der Getränke ebenso wenig: Waren es schon vier, sechs, acht Longdrinks? Wie viele Kurze kommen dazu? Da kann es Einem schlecht ergehen, oder vielleicht ist es auch die Freundin oder der Freund, die auf einmal benommen oder verwirrt wirken und sich nicht mehr auf den Beinen halten können. Das können Zeichen einer Alkoholvergiftung sein.

Immerhin: Nach der Studie einer Krankenkasse ist die Zahl der Fälle von Rauschtrinken und Komasaufen bei Kindern und Jugendlichen auf ein historisches Tief gesunken. Im Jahr 2023 wurden deutschlandweit etwa 7.650 Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren wegen einer Alkoholvergiftung in Krankenhäusern behandelt – ein Rückgang von fast 28 Prozent im Vergleich zu 2022, wie die Kaufmännische Krankenkasse KKH mitteilte. Damit wurde der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2006 verzeichnet.

Nur zwischen 2019 und dem ersten Corona-Jahr 2020 verzeichnete die KKH zudem mit gut 30 Prozent einen noch stärkeren Rückgang. Der Hintergrund war allerdings ein anderer: Damals fielen pandemiebedingt viele Gelegenheiten zum Rauschtrinken weg - etwa Partys, Festivals und Konzerte.

Die Krankenkasse wertete den Angaben zufolge Daten der eigenen 12 bis 18 Jahre alten Versicherten zur stationären Behandlung einer Alkoholvergiftung aus - und rechnete die Ergebnisse anhand von Zahlen des Statistischen Bundesamtes auf die bundesweite Bevölkerungszahl dieser Altersgruppe hoch.

Anteil der jugendlichen Rauschtrinker sinkt

Das heißt: Nach den Daten der eigenen Versicherten der Kasse lag der Anteil der 12- bis 18-Jährigen mit einer stationär behandelten Alkoholvergiftung 2023 in der Altersgruppe bei 0,14 (2022: 0,19) Prozent. Hochgerechnet auf die rund 5,5 Millionen Menschen in dem Alter in Deutschland kam die Kasse auf die etwa 7.650 (2022: rund 10.680) Fälle. Unter den eigenen Versicherten in der Altersgruppe waren es knapp 150. Die KKH zählt nach eigenen Angaben mit rund 1,5 Millionen Versicherten zu den größten bundesweiten Krankenkassen.

Als Rauschtrinken gilt nach KKH-Angaben der Konsum von fünf oder mehr alkoholischen Getränken etwa bei einer Party. Das entspreche etwa 70 Gramm Reinalkohol. Allerdings warnte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) im vergangenen Jahr, es gebe keine sichere Alkoholmenge für einen unbedenklichen Konsum.

Psychologin: „Rauschtrinken kann zu dauerhaften Schäden führen“

Die KKH-Psychologin Franziska Klemm mahnte: „Weniger Krankenhausaufenthalte bedeuten noch nicht, dass der Alkoholkonsum bei Jugendlichen insgesamt zurückgegangen ist.“ Die Zahlen erfassten nämlich nur die jugendlichen Rauschtrinker, die wegen ihrer Alkoholexzesse in der Notaufnahme landeten. 

Heranwachsende reagierten besonders empfindlich auf das Zellgift, erklärte sie. So erhöhe Alkohol das Risiko für Krebs, Herz-Kreislauf- und Lebererkrankungen. „Besonders Rauschtrinken kann zu dauerhaften Schäden führen“, sagte Klemm. Und je früher Jugendliche damit anfingen, desto größer sei die Gefahr für die Gesundheit.

„Jeder Schluck ist schädlich“

Nach Angaben der Kasse trinken Kinder und Jugendliche Alkohol häufig, um ihre Gefühle besser zu regulieren. Schüchterne, ängstliche oder depressive Jugendliche erhofften sich so eine Stimmungsveränderung. Auch spiele der soziale Druck innerhalb einer Gruppe eine wichtige Rolle - wie auch das Austesten von Grenzen. Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert warnte zu Jahresbeginn: „Noch immer ist vielen nicht bewusst: Egal, wie viel und was man trinkt, jeder Schluck ist schädlich.“

Erste Hilfe bei Alkoholvergiftung

Doch was, wenn es doch passiert ist? Bei einem Verdacht auf eine Alkoholvergiftung gilt: Lieber einmal zu oft den Notruf 112 wählen als einmal zu selten, stellt die Initiative „Alkohol? Kenn dein Limit“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung klar. Eine schwere Alkoholvergiftung kann nämlich lebensgefährlich werden, da sie einen Atemstillstand oder ein Kreislaufversagen zur Folge haben kann. Nicht immer können Außenstehende erkennen, wie ernst die Lage ist.

Stabile Seitenlage schützt vor dem Ersticken

Was also tun? Der erste Schritt ist es, die Person in eine stabile Seitenlage zu bringen. Sie sorgt dafür, dass die Atemwege frei bleiben, sodass Erbrochenes abfließen kann, erklärt das Deutsche Rote Kreuz. Das verhindert das Ersticken.

Dafür kniet man sich zunächst neben die bewusstlose Person. Den Arm auf der zugewandten Seite legt man angewinkelt nach oben. Den zweiten Arm legt man über die Brust der bewusstlosen Person und platziert die Hand unter ihrer Wange.

Diese Hand hält man als Helfer oder Helferin nun fest, während man das weiter entfernte Knie der Person fasst und sie dann vorsichtig auf die Seite dreht. Das Knie legt man angewinkelt ab. Der Ellenbogen des oberen Arms ruht in der Armbeuge des unteren. Der Hals sollte überstreckt sein, der Mund leicht geöffnet.

Wer zahlt, wenn man den Rettungswagen ruft?

Nun sollten Helferinnen und Helfer einen Notruf unter der Nummer 112 absetzen. Übrigens: Wer Angst hat, dass es für die betroffene Person teuer wird, kann aufatmen. In den allermeisten Fällen zahlt die Krankenkasse die Kosten für den Rettungswagen, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Hat die betrunkene Person ihre Versichertenkarte jedoch nicht bei sich, geht die Rechnung nach dem Krankenhausaufenthalt erst einmal an sie. Sie muss die Kostenübernahme mit der Krankenkasse dann selbst regeln.

Bis der Rettungswagen eintrifft, gilt: die betrunkene Person nicht alleine lassen und sie vor dem Auskühlen schützen. Auf keinen Fall sollte man versuchen, sie zum Erbrechen zu bringen, warnt die Initiative. Sie kann dabei ersticken. Ist die Person ansprechbar, sollte man sie wachhalten und ihr Wasser zu trinken geben.

Was passiert bei Alkoholvergiftung im Krankenhaus?

Angekommen im Krankenhaus - jetzt wird der Magen ausgepumpt? Dieses Bild haben viele im Kopf. So eine Magenspülung wird der BZgA zufolge aber nur noch selten durchgeführt. Meist legt das Personal im Krankenhaus Infusionen, um den Körper mit Flüssigkeit zu versorgen. Zudem überwacht es Kreislauf, Atmung und Herzschlag - und handelt, wenn etwas davon entgleist. Nach 12 bis 24 Stunden können Betroffene einer Alkoholvergiftung in aller Regel das Krankenhaus wieder verlassen.

Gerade Minderjährige haben oft Angst, dass ihre Eltern von dem Ausflug in die Klinik erfahren. Und tatsächlich ist es so, dass das Krankenhaus bei Patientinnen und Patienten unter 18 Jahren die Eltern informiert. Immerhin: Schule oder Arbeitgeber erfahren von der Alkoholvergiftung nichts, erklärt die BZgA, auch wenn Betroffene noch länger krankgeschrieben sein sollten. (dpa)