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NotfallverhütungsmittelDie Pille danach rezeptfrei in der Apotheke

Lesezeit 4 Minuten

Jetzt gibt es sie rezeptfrei: Die Pille danach.

Die Pille danach verspricht Sicherheit nach dem Risiko. Wenn die Pille vergessen wurde oder das Kondom geplatzt ist, soll sie einmalig eingenommen eine ungewollte Schwangerschaft verhindern.

Notfallverhütungsmittel mit Ulipristalacetat können bis zu 120 Stunden nach dem ungeschützten Sex oder dem Versagen anderer Verhütungsmittel eingenommen werden. Am zuverlässigsten wirkt die Pille danach jedoch innerhalb von 24 Stunden. „Der wichtigste Vorteil der rezeptfreien Vergabe der Pille danach ist, möglichst schnell und unkompliziert nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr aktiv zu werden und eine ungewollte Schwangerschaft verhindern zu können“, sagt Daphne Hahn, Bundesvorsitzende von der Beratungsstelle pro familia. „Wenn junge Frauen erst einen Arzt aufsuchen müssen, geht dieser Vorteil verloren.“

Rezeptfreie Pille danach

Der Ruf nach einer rezeptfreien Pille danach wurde auch laut, als 2013 eine junge Frau nach einer Vergewaltigung von zwei katholischen Kliniken in Köln abgewiesen wurde, weil diese die Pille danach nicht verschreiben wollten. Ab Sonntag gibt es die Präparate Ella One mit dem neueren Wirkstoff Ulipristalacetat und Pidana mit dem älteren Wirkstoff Levonorgestrel nun nach einer ausführlichen Beratung in der Apotheke auch ohne Rezept. Jedenfalls theoretisch. „Wie es praktisch aussieht, müssen wir sehen“, sagt Axel Vogelreuter, Apotheker in der Apotheke am Neumarkt. Das ist eine Frage der Logistik: „Momentan gibt es nur verschreibungspflichtige Packungen auf Vorrat, die wir nicht rezeptfrei rausgeben dürfen.“ Unklar ist, ob alle Apotheken rechtzeitig mit rezeptfreien Packungen beliefert werden. Die geplante Regelung sieht für Frauen bis 18 Jahren vor, dass sie die Pille danach kostenfrei erhalten, wenn sie ein ärztliches Rezept vorlegen. Frauen zwischen 18 und 20 Jahren zahlen mit Rezept nur 5 Euro zu. Ohne Rezept müssen sie wie alle anderen je nach Präparat etwa 16 bis 35 Euro zahlen.

Keine „Abtreibungspille“

Die Pille danach verschiebt den Eisprung solange, bis die Spermien nach spätestens fünf Tagen abgestorben sind. Hat der Eisprung bereits stattgefunden oder sich das Ei bereits in der Gebärmutter eingenistet, kann die Pille die Schwangerschaft nicht mehr verhindern. „Das ist problematisch, weil viele Frauen gar nicht wissen, wann ihr Eisprung ist“, sagt Apotheker Vogelreuter. Es ist also keine „Abtreibungspille“, sondern beugt einer möglichen Schwangerschaft vor – wenn auch nicht zu 100 Prozent. Die vollkommene Sicherheit schafft jedoch kein Verhütungsmittel. Klar ist: Die Pille danach ist ausschließlich für den Notfall gedacht und kann andere Verhütungsmethoden nicht ersetzen. Auch weil sie viele Nebenwirkungen hat. Studien belegen, dass sie unter anderem Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Unterleibschmerzen, Brustschmerzen und Zyklusverschiebungen zur Folge haben kann.

Hoch dosiertes Arzneimittel

„Im Grunde genommen ist es sinnvoll, sich vor der Einnahme des Arzneimittels von der Frauenärztin oder dem Frauenarzt beraten zu lassen“, sagt Bernhard Harlfinger, Gynäkologe und Vorstandsmitglied des Berufsverbandes der Frauenärzte. „Von den Frauen, die bisher zu mir in die Praxis gekommen sind mit der Bitte um ein Rezept zur Notfallverhütung, konnte ich zwei Drittel beruhigt wieder nach Hause schicken, ohne dass sie sich mit einem so hoch dosierten Arzneimittel belasten mussten.“ Der Berufsverband der Frauenärzte fürchtet sogar, dass die Zahl ungewollter Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche ohne die ärztliche Beratung zunehmen könnte. In den Handlungsempfehlungen der Apotheker fehlten wichtige Beratungsinhalte, heißt es in einer Pressemitteilung. Zum Beispiel der Hinweis, dass beide Wirkstoffe ab einem gewissen Körpergewicht gar nicht mehr zuverlässig wirken. Außerdem fehle der Hinweis, dass auch die Kupferspirale noch bis zu fünf Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr unabhängig von Körpergewicht und Eisprung eine Schwangerschaft verhindern und gleich als Verhütungsmittel weiter verwendet werden kann.

Fragenkatalog aus der Apotheke

„Es kommt auf eine vernünftige Beratung an“, sagt Apotheker Axel Vogelreuter. „Die Pille danach ist keine Schmerztablette, die wir einfach rausgeben können. Sie erfordert mehr Beratungsaufwand und Verantwortung.“ Deshalb hat die Apotheke einen Fragenkatalog erarbeitet, der vor der Herausgabe abgearbeitet und schriftlich festgehalten wird. Es ist schwierig für Apotheken, dem Missbrauch vorzubeugen. Zum Beispiel kann nicht überprüft werden, ob die Pille für die Abholerin persönlich bestimmt ist oder sogar auf Vorrat angeschafft wird. Die Apotheke am Neumarkt gibt allerdings ein Mindestalter vor: An Mädchen unter 14 soll die Pille nicht rausgegeben werden.