Wenn es darum geht, Liebesbeweise zu entziffern, leben Männer und Frauen scheinbar auf unterschiedlichen Sternen: „Er liebt mich nicht, weil er es mir nie sagt“, vermutet manche Frau. „Was will sie eigentlich? Ich mache doch alles für sie“, denkt der Mann. Da beide ihre Gefühle unterschiedlich zeigen, sind Missverständnisse kein Wunder. Doch beide Partner können lernen, sie zu überbrücken.
Liebt er mich wirklich?
Männer und Frauen kommunizierten extrem unterschiedlich, sagt Mathias Jung, Paartherapeut und Buchautor aus Lahnstein. Mädchen lernten von klein auf, Gefühle zu deuten und darüber zu sprechen. Jungen dagegen rivalisierten mehr und bewiesen einander mit Worten, wer der Stärkere sei. Frauen würden tendenziell eher dazu erzogen, Zärtlichkeit verbal auszudrücken oder sie durch Gesten zu zeigen. Männer hingegen sind laut Jung eher wortkarg und „emotionale Sparschweine“. Wenn Frauen verbale Liebesbeweise vermissen, sollten sie dies dem Mann mitteilen. Wichtig sei es, Ich-Botschaften zu senden, zum Beispiel „Ich bin mir nicht sicher, ob du mich wirklich liebst. Wie kann ich es merken?“ Bei Du-Botschaften wie „Nie sagst du mir, dass du mich liebst“ mache der andere dicht.
Hingabe in Form von Taten
Die positive Seite: Männer zeigen Hingabe in Form von Taten. Frauen könnten jedoch oft nicht entschlüsseln, dass ihr Partner aus Liebe zum Beispiel das Auto zum Kundendienst bringt, das Frühstück macht oder im Haushalt hilft. „Sie sollte genauer auf diese nonverbalen Gesten schauen, diese auch wertschätzen und nicht für selbstverständlich halten“, empfiehlt Jung. Dies rechtfertige aber nicht, dass Männer nicht reden. Beim Flirten seien sie ja erstaunlich kommunikativ. Männer könnten in sich gehen und überlegen: „Was kostet es mich, einmal zu fragen: „Schatz, wie geht es dir? Wie fühlst du dich?“ Oder die drei Zauberworte „Ich liebe dich“ zu sagen?“
Außerdem rät Jung Männern dazu, mehr über Körpersprache und Zärtlichkeit zu kommunizieren. „Wenn sie ihre Frau häufiger in den Arm nehmen und küssen, dann ist das ein Liebesbeweis.“
Liebesbeweis über den Sex
Die Schweizer Psychotherapeutin Julia Onken meint, dass Frauen ein stärkeres Bedürfnis haben, sich mitzuteilen oder über ihr Innenleben zu sprechen als Männer. „Sie sind es gewohnt, mit der besten Freundin über ihre Seelenlandschaft zu reden.“ Onken rät Frauen, ihre Erwartungen in dieser Hinsicht zu überdenken. Sie sollten nicht davon ausgehen, dass sie sich mit Männern wie mit einer guten Freundin austauschen können. Auch folgende Gedankengänge seien unsinnig: „Wenn er mich lieben würde, dann würde er doch spüren, was ich mir wünsche.“ Sie empfiehlt, dem Partner klar mitzuteilen, was man von ihm brauche. Täglich Liebesbeweise von ihm zu erwarten, sei aber unrealistisch.
Für viele Männer funktioniert der Liebesbeweis über den Sex: Wenn die Frau mit ihnen schlafe, sei die Welt und die Beziehung in Ordnung, erklärt Jung. „Ungeliebt fühlt er sich allerdings, wenn sie die Burgbrücke einzieht.“ Frauen hätten häufig nur Lust auf Sex, wenn die Beziehung stimme. Und wenn sie durch Wertschätzung und Zärtlichkeit darauf eingestimmt seien. „Der Sex am Abend beginnt mit dem Kuss beim Frühstück“, sagt Jung. Männer würden sich häufig schwer damit tun, zu verstehen, dass bei Frauen erst die Übereinstimmung in der Beziehung und dann der Sex komme. Sie selbst hätten keine Probleme damit, Konflikte im Bett zu lösen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf könnten Frauen es vielleicht schaffen, sexuelle Avancen des Mannes als Liebesbeweis zu sehen und diese anzunehmen.
Klassische Unterschiede schwinden
Michael Mary, Hamburger Paarberater und Buchautor, sieht die klassischen Unterschiede im Verhalten von Männern und Frauen schwinden. Er warnt vor Theorien, die davon ausgingen, dass die Rollen biologisch begründet seien oder vor populären Ansätzen wie Männer seien vom Mars und Frauen von der Venus. Vielmehr sollten beide Partner beim Entschlüsseln von Liebesbeweisen darauf achten, wie das Gefühl der Zuneigung entsteht. Wodurch blüht der andere auf? Liebt sie es etwa, wenn er mit ihr wegfährt? Schläft er mit ihr oder begehrt er sie? „Oft sind es liebevolle Gesten oder Bestätigungen, die viel über die Liebe aussagen“, sagt Mary.
Wenn zum Beispiel der eine Kopfschmerzen habe und der andere frage, ob er ihm eine Tablette bringen solle. Auch wie man auf die Bedürfnisse des anderen eingehe und sich ihm zuwende, spiele eine entscheidende Rolle. Dazu gehöre, nicht zu erwarten, dass der Partner alle Bedürfnisse des anderen befriedigen kann.
Will sie zum Beispiel unbedingt einen Tanzkurs machen und er hat keine Lust darauf, dürfe er ablehnen. Das sei kein Liebesentzug. Er könne ihr aber vorschlagen, dass sie einen Tanzkurs mit einem Bekannten macht - nicht aus Gleichgültigkeit heraus, sondern, weil er möchte, dass sie zufrieden ist. (dpa)
Literaturtipps: Julia Onken/Mathias Jung: Das Beziehungsspiel von Mann und Frau. Kösel. 176 S. Euro ab 2,95. Michael Mary: Wie Frauen und Männer die Liebe erleben. Nordholt-Verlag. 124 S. Euro 14,80.