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Kommunikation mit TierenWarum wir mit unserem Hund sprechen sollten

Lesezeit 5 Minuten
Ein XL-Bully-Hund in England (Symbolbild). Die meisten Hundebesitzer sprechen mit ihren Tieren.

Ein XL-Bully-Hund in England (Symbolbild). Die meisten Hundebesitzer sprechen mit ihren Tieren.

Die meisten Menschen sprechen mit ihren Tieren, aber warum? Ein Forscher erklärt, wie es sein kann, dass unser Hund uns tatsächlich versteht.

Wer ein Haustier besitzt, spricht meist auch mit ihm. Egal, ob es sich dabei um einen Hund, ein Meerschwein oder eine Schildkröte handelt. Warum tun wir das, wenn doch eigentlich klar ist, dass Tiere uns gar nicht verstehen? Oder tun sie das vielleicht doch?

„Mit unseren Tieren zu sprechen, ist etwas vollkommen natürliches“, erklärte die Professorin Hal Herzog einmal gegenüber dem Magazin „The Atlantic“. Die Psychologin forscht unter anderem zu Mensch-Tier-Beziehungen. Menschen hätten die Tendenz dazu, andere Dinge zu vermenschlichen und ihnen dabei alle möglichen Arten von Eigenschaften zuzuschreiben – in diesem Fall die Fähigkeit, uns zu verstehen. Der wissenschaftliche Fachbegriff dafür lautet Antropomorphismus.

Laut einer Studie neigen vor allem Halter- und Halterinnen, die sich einsam fühlen dazu, ihr Tier zu vermenschlichen. Auch Menschen mit einem ausgeprägten Bedürfnis nach Kontrolle hatten laut der Studie einen Hang zum Antropomorphismus, dürften demnach also häufiger mit ihren Tieren sprechen. Gedanklich menschliche Eigenschaften auf ihr Tier zu übertragen, könnte solchen Menschen helfen, ihr Tier als ihnen ähnlicher und damit als besser berechenbar zu empfinden, heißt es in der Veröffentlichung.

Am häufigsten sprächen Menschen mit Hunden, so Herzog. In Studien habe sich gezeigt, dass Menschen zu Hunden anders als zu erwachsenen Menschen sprechen und mehr wie zu einem Baby: nämlich in kurzen und grammatikalisch einfachen Sätzen. Unbewusst gehen sie scheinbar davon aus, dass sie die menschliche Sprache dadurch besser verstehen würden.

Hunde verstehen einige Wörter

Das erscheint zunächst als Unsinn. Aber ist es wirklich so dumm? Zu welchem Anteil kann unser Hund – abgesehen von erlernten Kommandos – uns verstehen, wenn wir ihm etwas erzählen? Der Meeresbiologe und Verhaltensforscher Karsten Brensing ist Experte für die Kommunikation zwischen Menschen und Tieren und hat ein Buch über „Die Sprache der Tiere“ geschrieben.

„Mit seinem Hund zu sprechen, ist keinesfalls dumm und ich würde es im Gegenteil jedem empfehlen“, sagt Brensing. Seinen Hund nicht bloß zu kommandieren, sondern darüber hinaus mit ihm „in den Dialog zu treten“ und seine Reaktionen wahrzunehmen, ermögliche erst ein echtes gemeinsames Sozialleben. „Und wir sind für unseren Hund schließlich der soziale Partner, ohne den er sich einsam fühlen würde“, sagt Brensing. Die Kommunikation zwischen Mensch und Hund sei ein Sonderfall, weil wir schon so lange eng zusammenleben.

Wie ein Film in einer fremden Sprache

Wie eine in diesem Jahr erschienene Studie gezeigt hat, sind Hunde nur dazu in der Lage, neben antrainierten Kommandos einige „Objektwörter“ zu erfassen, also die Namen von Dingen. Sie haben zum Beispiel eine Vorstellung davon, was ein Ball ist, wie eine Messung der Hirnströme zeigte. Die menschliche Sprache in Form von Sätzen beherrschen Hunde jedoch nicht – daran kann auch langsames Sprechen nichts ändern.

„Hunde und auch Wölfe können aber auf unsere Mimik reagieren und unsere Köpersprache deuten. Tatsächlich können sie uns besser lesen, als umgekehrt wir sie“, erklärt Brensing. Außerdem könnten Hunde gut den Kontext erkennen und so eine Situation intuitiv erfassen, wenn wir mit ihnen reden: „Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass sie selbst gesprochene Sätze verstehen.“ Man könne sich das so vorstellen, als ob man einen Film in einer fremden Sprache ohne Untertitel anschaut: Dem wichtigsten Handlungsstrang kann man trotzdem meist folgen. Oder so, als ob man in einem anderen Land auf dem Markt etwas kaufen möchte. Auch ohne gemeinsames Vokabular ist es möglich, dort zu verhandeln.

Affen benutzen dieselben Gesten

Ein weiterer Ausnahmefall sei die Kommunikation mit Primaten, unseren nächsten Verwandten im Tierreich. Für sie gelte, dass sie nonverbal oft dieselbe Sprache sprechen wie wir. Denn wir teilen eine Vielzahl gebräuchlicher Gesten. „Eine erhobene Faust zum Beispiel ist extrem aggressiv – das empfinden wir genauso wie ein Affe im Kongo“, erklärt der Verhaltensforscher. Andere Kommunikationsformen seien in Säugetieren angelegt worden, noch ehe es Primaten und Menschen gab. Daher ist auch mit anderen Tieren eine bestimmte Art der Verständigung möglich. So gebe es zum Beispiel indigene Völker in Asien oder Südamerika, die sich bei der Jagd in wilde Tiere hineinfühlen und bestimmte Gesten, die diese verstehen, zur Selbstverteidigung nutzen, sagt Brensing. „In dem sie auf gefährliche Tiere zugehen und den Blickkontakt suchen, signalisieren sie ihnen: Ich bin keine Beute.“

Allgemein sei beim Kontakt mit Raubtieren, die einen fressen wollen, ein dominantes Auftreten richtig: „Bei Tigern oder Haien sollte man sich eher groß machen und sie anschauen, um zu zeigen: Hallo, ich bin auch gefährlich. Und in keinem Fall versuchen zu flüchten, denn dadurch verhält man sich automatisch wie Beute.“

Verschiedene Arten von „Muh“?

Andere Tiere, wie zum Beispiel ein Bär, würden uns normalerweise nur anfallen, wenn sie sich bedroht fühlen. „Dann ist es besser, den Blickkontakt zu meiden und sich möglichst unauffällig zu verhalten.“ Für Hunde als domestizierte Raubtiere gelte das Gleiche. „Sie sehen uns normalerweise nicht mehr als Beute an, können aber aus einem Beschützerinstinkt heraus oder zur Revierverteidigung aggressiv werden, daher ist es auch hier besser, sie nicht anzustarren.“

Als Mensch über Laute mit Tieren zu kommunizieren, bleibe schwierig, sagt Brensing. Auch wenn man versuche, diese in ihrer eigenen Sprache zu adressieren. „Es gab bereits einige wissenschaftliche Versuche dazu, Tierlaute zu erlernen und zu imitieren. Diese waren aber nicht besonders erfolgreich“, so der Experte. Brensing glaubt, das könnte daran liegen, dass wir die Sprache der Tiere noch nicht richtig verstehen. So klinge für uns der Laut der Kuh immer nach einem „Muh“. Möglich sei aber, dass verschiedene Nuancen des Muhs etwas ganz Unterschiedliches bedeuten. „Mithilfe von künstlicher Intelligenz lassen sich Tierlaute in Zukunft aber wohl immer besser entschlüsseln“, glaubt Brensing. Möglich, dass wir uns dann immer besser mit Tieren in deren eigener Sprache „unterhalten“ können.

Versuchen könne man es natürlich auch jetzt schon. „Wenn Sie einen Vogel im Garten singen hören, versuchen Sie doch einfach einmal, den Laut zu imitieren“, so Brensing. „Sie werden merken, dass er ihnen wahrscheinlich antworten wird.“ Dabei sollte man eine wichtige Regel beachten, und den Vogel keinesfalls bei seinem eigenen Gesang unterbrechen. „Das gilt im Vogelreich als ausgesprochen unhöflich.“