Berlin/Offenburg – Für den Pflege- und Gesundheitsbereich kommt mit dem neuen Jahr die Impfpflicht. Mit dem Stichtag 15. März müssen Beschäftigte zum Beispiel in Krankenhäusern nachweisen, dass sie gegen das Coronavirus geimpft, von einer Impfung ärztlich befreit oder genesen sind. Ohne den Nachweis dürfen sie in bestimmten Einrichtungen nicht mehr arbeiten. Doch was bedeuten die Regeln für die Beschäftigten konkret? Und wie muss der Nachweis genau erfolgen? Antworten auf wichtige Fragen.
Was heißt „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ eigentlich?
Bundestag und Bundesrat haben am 10. Dezember 2021 die einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen. Genau genommen, geht es um eine „Nachweispflicht“. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen demnach bis zum 15. März einen Impf- oder Genesenen-Nachweis vorlegen, oder sie brauchen einen Nachweis, dass sie ärztlich von der Impfpflicht gegen das Coronavirus befreit sind.
Welchen Status ein Impfnachweis genau belegen muss, wird in der aktuellen Fassung der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (§ 2, Nummer 3) geregelt und vom Paul-Ehrlich-Institut festgelegt.
Die Nachweispflicht besteht gegenüber dem Arbeitgeber, erklärt Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg. Sie gilt für Menschen, die in Krankenhäusern, in Pflegeheimen, in Einrichtungen für behinderte Menschen, in Arztpraxen, bei Rettungsdiensten oder in Entbindungseinrichtungen arbeiten. Eine vollständige Auflistung ist auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums zu finden.
Wie ist der Ablauf gedacht?
Konkret soll das so ablaufen: Arbeitgeber sollen den Impf- oder Genesenenstatus ihrer Beschäftigten prüfen und die Nachweise auf Verlangen dem Gesundheitsamt vorlegen können. Eine Missachtung soll als Ordnungswidrigkeit behandelt werden, die mit Bußgeldern geahndet wird.
Droht Beschäftigten ohne Nachweis die fristlose Kündigung?
„So schnell geht das erst mal nicht“, sagt Markowski. Die Verpflichtung, den entsprechenden Nachweis zu erbringen, sei eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Kommen Beschäftigte ihr nicht nach, liege ein Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag vor. „Es finden dann die ganz normalen arbeitsrechtlichen Regelungen Anwendung.“ Heißt: Bevor der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, muss er erstmal dazu auffordern, den Nachweis zu erbringen.
Ändert sich dadurch nichts, folgt eine Abmahnung. Die ist Hinweis für Beschäftigte, dass sie ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen und der Arbeitgeber das nicht weiter hinnehmen wird. In der Abmahnung weist der Arbeitgeber darauf hin, dass eine Kündigung droht - wenn der oder sie Beschäftigte den Nachweis weiterhin nicht erbringt.
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Wer dann immer noch keinen Nachweis vorlegt, muss allerdings damit rechnen, das die Kündigung des Arbeitsverhältnisses folgt. „Da der Arbeitgeber sich an die gesetzlichen Vorgaben halten muss, hat er auch gar keine andere Wahl“, so Markowski.
Dürfen Beschäftigte ohne Nachweis überhaupt noch zur Arbeit kommen?
Nein. Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen, die keinen Nachweis vorlegen, dürfen nicht beschäftigt werden, erklärt Markowski. In einem solchen Fall wird die Person freigestellt - und zwar ohne weiter eine Vergütung zu erhalten. Wer sich nicht impfen lassen will und auch nicht anderswo beschäftigt werden kann, muss absehbar mit einer Kündigung rechnen.
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat bereits angekündigt, dass ohne Vorlage des Nachweises „schwerwiegende Konsequenzen“ drohen. Das Gesundheitsamt werde für die Beschäftigten ohne Nachweis ein Betretungsverbot verhängen, Arbeitgeber müssen eine Freistellung ohne Lohnfortzahlung veranlassen. Wenn auch später kein Impfnachweis gezeigt werde, würden Kündigungen unausweichlich.
Können Beschäftigte ohne Nachweis anderweitig beschäftigt werden?
Die Nachweispflicht ist einrichtungsbezogen, so Markowski. „Damit werden alle Arbeitsplätze in den gesetzlich benannten Einrichtungen erfasst.“ Wie die DKG betont, unterliegen demnach auch Verwaltungsbeschäftigte der Impfpflicht.
Arbeitgeber müssen laut Markowski stets versuchen, mildere Mittel zu suchen, bevor sie drastische disziplinarische Maßnahmen ergreifen oder die Lohnzahlung einstellen. Das heißt: Sofern der jeweilige Arbeitsplatz das zulässt, muss der Arbeitgeber Beschäftigen anbieten, von zu Hause aus zu arbeiten. „Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber auch andere Arbeitsplätze außerhalb der Einrichtung hat und diese anbieten kann“, so Markowski.
Es kann auch um Arbeitsplätze gehen, die nicht mit der bisherigen Position vergleichbar sind, wenn sie zu besetzen sind. Dann habe der Beschäftigte die Wahl, ob er ein solches Angebot annimmt oder die Abmahnung und Kündigung in Kauf nimmt. Laut Markowski wird es bei dieser Frage aber immer um Einzelfallentscheidungen gehen.
Drohen Ungeimpften nach der Kündigung Sanktionen beim Arbeitslosengeld?
Laut Markowski müssen Beschäftigte ohne Nachweis, die gegebenenfalls eine Kündigung erhalten, nicht mit Sanktionen beim Arbeitlosengeld rechnen: „Die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben den Verlust des Arbeitsplatzes nicht verschuldet. Sie können „lediglich“ einen gesetzlich erforderlichen Nachweis nicht erbringen“, so die Einschätzung. Es gebe hierzu aber derzeit noch keine Handlungsanweisung an die Jobcenter oder die Arbeitsagenturen.
Kommt nicht ohnehin die allgemeine Impfpflicht?
Ob es auch zu einer allgemeinen Impfpflicht kommt, ist derzeit noch offen. Geplant ist, dass der Bundestag auf der Basis von fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen entscheidet.Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), in dem Pflegearbeitgeber vertreten sind, hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen. bpa-Präsident Bernd Meurer argumentierte, das Signal einer allgemeinen Impfpflicht würde Druck von der Pflege nehmen.
„Nach der einseitigen Belastung der Pflege durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht wächst an vielen Orten die Gefahr, dass Pflegekräfte dem Beruf den Rücken kehren. Das muss die Politik unbedingt verhindern“, so Meurer. Risikogruppen könnten am besten geschützt werden, wenn auch Besucher und Angehörige geimpft sind.