AboAbonnieren

Wichtige WinterurteileEis nicht beseitigt - muss ich Strafe zahlen?

Lesezeit 5 Minuten

Alle Jahre wieder sorgt der erste Wintereinbruch für zahlreiche Unfälle. Nicht selten enden diese vor Gericht im Streit um Schmerzensgeld und Schadenersatz. Damit Sie heil durch den Winter kommen, beantworten Experten von anwalt.de die wichtigsten Rechtsfragen:

Welche Stellen am Auto sollte ich freikratzen?

Bei einer vereisten Scheibe droht ein Bußgeld von zehn Euro. Kommt es zu einem Unfall, sind es sogar 35 Euro. Allerdings gilt das nicht, wenn bloß die Heckscheibe vereist ist, solange die Seitenspiegel frei sind, entschied das OLG Karlsruhe (Az.: 3 Ss 12/86). Scheiben sollten dennoch so weit wie möglich frei sein, sonst erhöht sich bei einem Unfall schnell die Mitschuld. Und wer nur Gucklöcher freikratzt, dem droht wegen grober Fahrlässigkeit obendrein Ärger mit der Versicherung.

Bei alldem sollten Fahrer Scheinwerfer, Rücklicht, Blinker und Kennzeichen sowie Schneemassen und Eisplatten nicht vergessen. Schnee und Eis können zum Beispiel beim Bremsen vom Dach auf die Windschutzscheibe rutschen und plötzlich die Sicht versperren. Auch ohne Unfall beträgt das Bußgeld hier bis zu 80 Euro und drei Punkte in Flensburg, bei einem Unfall sind 120 Euro fällig. Bei Personenschäden droht sogar ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Muss man die Winterreifen aufziehen?

Wenn man bei Glatteis und Schneematsch nicht mit sogenannten M+S-Reifen unterwegs ist, drohen ein Bußgeld von 40 Euro und ein Punkt, bei Verkehrsbehinderung sogar 80 Euro und ein Punkt. Gefährdet man andere oder baut einen Unfall, erhöht sich das Bußgeld auf 100 Euro bzw. 120 Euro. Die Winterreifenpflicht gilt auch für Motorräder. Ausnahmen gibt es nur für bestimmte Nutzfahrzeuge.

Nicht zuletzt kann falsche Bereifung auch den Versicherungsschutz kosten. So blieb ein Autofahrer auf seinen Kosten sitzen, weil er mit seinen Sommerreifen im Winter bergabwärts ins Rutschen geraten war. Die aufgezogenen Schneeketten halfen da auch nicht mehr, weil sie Winterreifen voraussetzen (OLG Frankfurt/Main, Az.: 3 U 186/02).

Was, wenn das Räumfahrzeug Schäden anrichtet?

Schäden, die ein Winterdienst-Fahrzeug durch hochgeschleuderte Eisbrocken an einem Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn verursacht, müssen ersetzt werden. Denn diese Gefahr ist nicht unabwendbar. Das Räumfahrzeug kann nämlich seine Geschwindigkeit anpassen (OLG Koblenz, Az.: 12 U 95/12).

Vereiste Straßen, Dachlawinen: Lesen Sie auf der nächsten Seite, wann Sie räumen und streuen müssen.

Nächste Seite: Eisglatte Straßen - wer haftet für Stürze?

Eisglatte Straßen: Wer haftet für Stürze?

Wenn jemand auf schlecht oder gar nicht geräumten bzw. gestreuten Wegen stürzt, geht es häufig vor Gericht. Bei der Räumpflicht kommt es in erster Linie auf die Satzung der Stadt oder Gemeinde an. Oft muss der jeweilige Grundstückseigentümer von 7 Uhr bis 20 Uhr Schnee und Eis wegräumen, an Sonn- und Feiertagen meist ab 9 Uhr.

Wer früher oder später unterwegs ist, kann bei einem Sturz meist keinen Schadenersatz verlangen. Auch kommt es darauf an, ob man mit dem Kommen einer Person rechnen musste. So ging eine gestürzte Pflegedienst-Mitarbeiterin leer aus, weil ihr Besuch bei Patientin sonntags um 10 Uhr nicht vorgesehen war (BGH, Az.: VI ZR 138/11).

Bahnsteige müssen ebenfalls geräumt werden. Häufig überträgt die Deutsche Bahn den Winterdienst anderen Unternehmen. Wenn jemand stürzt, haftet sie aber trotzdem. Denn mit dem Ticketverkauf schließt die Bahn mit dem Fahrgast einen Vertrag. Und der verpflichtet sie unter anderem, für einen sicheren Weg zum Zug zu sorgen, urteilte der Bundesgerichtshof im Januar 2012 (Az.: X ZR 59/11). Auch Schneematsch vor Gebäude-Eingängen oder U-Bahn-Stationen muss entfernt werden. Bei viel Verkehr kann sogar eine ständige Reinigungskraft vor Ort notwendig sein, entschied das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg (Az.: 215 C 116/10).

Welche Strafen drohen den Verursachern?

Wird mangelhaft geräumt, droht nicht nur ein Bußgeld: Möglich ist auch eine Geldstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung. Das hat das Amtsgericht Berlin Tiergarten entschieden. In dem verhandelten Fall hatte ein Winterdienst-Mitarbeiter dick vereiste Stellen nicht entfernt, über die ein Rentner später stürzte und sich die Schulter brach (Az.: (277 Cs) 3012 PLs 4836/10 (274/10)).

Was gilt bei Dachlawinen und Eiszapfen?

Eine andere Gefahr droht von oben in Form von Dachlawinen und Eiszapfen. Mieter eines Ein- oder Zweifamilienhauses darf der Vermieter dazu verpflichten, Eiszapfen am Dach zu entfernen. Das gilt, wenn er ihnen im Mietvertrag sämtliche Verkehrssicherungspflichten für das Haus überträgt. Auf ein entsprechendes Urteil des Amtsgerichts München weist der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland hin (Az.: 433 C 19170/11). Der Mieter muss dann darauf achten, dass von dem Gebäude keine Gefahren für Dritte oder fremdes Eigentum ausgehen.

Auch ist der Mieter in diesen Fällen verpflichtet, Eiszapfen zu beseitigen und Dachlawinen vorzubeugen. Wird durch diese etwa das Auto eines Besuchers beschädigt, müssen Mieter für den Schaden aufkommen. Schadenersatzansprüche gegen den Vermieter bestehen nicht.

Bei Mietwohnungen wird dies anders beurteilt. Da die Mieter jeweils nur einen Teil des Gebäudes mieten, können ihnen die Verkehrssicherungspflichten nicht vollständig übertragen werden. Für einzelne Pflichten wie das Schneeräumen und Streuen können die Mieter jedoch vertraglich herangezogen werden. Hauseigentümer müssen aber bei Dachlawinen nicht immer reagieren, sofern die örtliche Satzung nichts anderes sagt. Vielmehr kommt es auf die allgemeine Schneelage des Ortes, die besondere Beschaffenheit und Lage des Gebäudes und den ortsüblichen Umgang bei schneebedeckten Dächern an. Das entschied 2012 das OLG Hamm (Az.: I-9 U 119/12).

Schneeballschlachten in der Schule - wer haftet?

Schneeballschlachten machen Spaß. Sie können aber auch böse ins Auge gehen, wie ein Schüler leidvoll erfahren musste. Schadensersatz bekam er jedoch nicht - bei Raufereien auf dem Schulhof sei dieser ausgeschlossen, urteilte der Bundesgerichtshof (Az.: VI ZR 212/07).

Die Verletzung eines Lehrers, der sich an einer Schneeballschlacht mit Schülern beteiligt hatte, wurde hingegen als Dienstunfall anerkannt. Denn Schneeballschlachten gehören selbst bei einem schulischen Verbot zu seinen Arbeitsaufgaben, urteilte das Verwaltungsgericht Freiburg Ende 2012 (Az.: 5 K 1220/11). (gs, mit Material von dpa)