Kölner Psychiater warnt„Cannabis begünstigt Entstehung von Schizophrenie“
Köln – Der Kölner Psychiater Manfred Lütz hält eine Freigabe von Cannabis für riskant. „Es stimmt, dass Cannabis weniger Körperschäden anrichtet als Alkohol. Und für ein Alkoholverbot ist auch niemand. Und es bleibt das praktische Problem, dass niemand verhindern kann, dass es trotz des Verbots sehr viele Cannabis-Konsumenten gibt. Aber ich bin 40 Jahre in der Psychiatrie tätig gewesen und habe viel junge Menschen erlebt, die über einen Cannabis-Konsum eine schizophrene Psychose entwickelt haben“, sagt Lütz im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
„Cannabis gilt als eine der wenigen Ursachen für die Entstehung einer Schizophrenie. Wenn man erlebt hat, wie ein junger Mensch erst nur „ganz normal“ Haschisch genommen hat, dann immer mehr , schließlich Wahnvorstellungen entwickelte, Stimmen hörte und irgendwann in der Behindertenwerkstatt landete, kann man das nicht so locker sehen, wie manche Menschen, die das nur vom Hörensagen kennen.“ Viele junge Menschen, die Cannabis konsumierten, entwickelten „auch so eine Art Null-Bock-Syndrom“. Eltern und Lehrer ließe das mit der Frage zurück: „Warum kommen die nicht in die Pötte?“
Polizei gegen Freigabe
Der Deutsche Hanfverband, aber auch BKA und Zollkriminalamt warnen vor Cannabisprodukten mit synthetischen Cannabinoiden. Diese werden auf CBD-Hanf oder minderwertigen Cannabisblüten aufgetragen und sind laut Hanfverband bis zu hundertmal stärker als das in Cannabis enthaltene psychoaktive THC. Dadurch steige das Abhängigkeitspotenzial und die Gefahr einer Überdosierung.
Es sei utopisch zu glauben, „dass reife erwachsene Menschen Cannabis legal erwerben und alle Drogenhändler sofort damit aufhören, Jugendlichen irgendetwas zu verkaufen“, sagt Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund. „Wohin eine laxe Drogenpolitik führt, sehen wir gerade in den Niederlanden“, so Wendt.
Der Schwarzmarkt bei Drogen werde sich mit legalen Shops nicht austrocknen lassen. „Wir können die Polizei auch entlasten, in dem wir anders verfahren als bisher. Wir schreiben Strafanzeigen und die Verfahren werden alle nach ein paar Wochen eingestellt." Jugendliche, die durch Drogenkonsum aufgefallen sind, könnte man stattdessen zur Teilnahme an Präventionsangeboten verpflichten.
SPD für kontrollierte Freigabe
Die Debatte um eine Legalisierung von Cannabis hat mit einer möglichen rot-grün-gelben Bundesregierung an Fahrt aufgenommen. SPD, Grüne und FDP treten für eine Legalisierung oder zumindest Entkriminalisierung der Droge ein. Eine Woche nach seinem öffentlichkeitswirksamen Vorstoß zur Legalisierung legt Karl Lauterbach im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ nach: „Die Frage ist doch, sollen wir so weitermachen wie bisher? Kann man sagen, dass es im Moment gut läuft? Das sehe ich nicht so“, sagt der Gesundheitsexperte der SPD. Man müsse dem Problem von Cannabis als Einstieg für härtere Drogen endlich begegnen.
„Wir als SPD haben vorgeschlagen, eine kontrollierte Freigabe für Erwachsene in Modellregionen zu testen." Damit verknüpfe man die Hoffnung, den Übergang zu anderen Drogen zu vermeiden, sagt Lauterbach. In einem Punkt müsse er sich allerdings korrigieren. Dass Cannabis mit Heroin vermengt werde, sei in Deutschland im Gegensatz zu den USA und Australien „offensichtlich noch nicht der Fall“. Das hätten ihm einige Polizei-Ermittler und toxikologische Institute bestätigt. „An diesem Punkt sind wir noch nicht angekommen.“ Gebannt sei die Gefahr deshalb aber nicht. Die derzeit beigemengten Cannaboide seien nur Zwischenstufen. „Die Dealer werden uns den Gefallen nicht tun und damit aufhören.“
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Den Kompromiss, Cannabis lediglich zu entkriminalisieren und den Konsum nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen, hält Lauterbach für zu kurz gegriffen. „Im Wahlprogramm der SPD haben wir die Modellregionen vorgeschlagen. Dabei bleibe ich.“ Der Modellversuch müsse von Präventions- und Beratungsangeboten begleitet werden.
FDP will Haschisch in der Apotheke
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat sich dafür ausgesprochen, Cannabis-Produkte wie Haschisch im Falle einer Legalisierung in Apotheken verkaufen zu lassen. Den Verkauf in „Coffeeshops“ nach niederländischem Vorbild bewertete Lindner skeptisch: „Ich bin für eine kontrollierte Abgabe, und deshalb muss eine gesundheitliche Aufklärung stattfinden können“, sagte er. Ihm gehe es um „Kriminal- und Gesundheitsprävention“ und nicht um „die Legalisierung eines Rechts auf Rausch“.
Grüne für kontrollierte Abgabe
Die Grünen wollen die legale und kontrollierte Abgabe der Droge in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen und ein reguliertes System für Anbau, Handel und Abgabe von Cannabis schaffen. Sie wollen damit den Schwarzmarkt austrocknen. Dort seien Drogen unkontrolliert zugänglich, Kinder und Jugendliche seien ungeschützt. Als weiteres Argument wird die Entlastung von Polizei und Staatsanwaltschaften ins Feld geführt. Die Kriminalisierung von Konsumenten und die Verfolgung von Cannabis-Delikten binde Kräfte bei den Ermittlungsbehörden.
Der Staat könnte bei einer Legalisierung von Cannabis und lizenzierten Cannabis-Shops mit jährlichen Steuer-Mehreinnahmen von rund 2,7 Milliarden Euro rechnen. Das haben Wissenschaftler um den Wirtschaftsprofessor Justus Haucap von der Universität Düsseldorf in einer Studie für den Deutschen Hanfverband ausgerechnet.
Danach würden die Steuereinnahmen rund 1,7 Milliarden Euro betragen. Die Kosten für die Strafverfolgung beziffert die Studie auf rund eine Milliarde Euro. Hinzu kämen Einsparungen bei Gerichten, Staatsanwaltschaft und dem Strafvollzug, die sich nicht berechnen ließen. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2018. „Wir arbeiten gerade an einer Aktualisierung der Studie und gehen davon aus, dass die Einnahmen inzwischen deutlich höher liegen“, sagt Haucap.
Haucap geht davon, dass eine Freigabe von Hasch und Cannabis für Erwachsene den Schwarzmarkt deutlich schrumpfen ließe. In Deutschland könnten knapp 20.000 neue Arbeitsplätze entstehen. „Eine Freigabe setzt voraus, dass es auch genügend Geschäfte gibt. Das hat den Vorteil, dass es insgesamt weniger Dealer gibt, weil sie weniger Kunden haben“, sagt der Wissenschaftler. Überdies müsse man die Freigabe mit einer Präventionskampagne begleiten, die sich vor allem an Minderjährige richtet.
Auf Gefahren hinweisen
„Der Staat muss explizit darauf hinweisen, dass der Konsum von Cannabis für Kinder und Jugendliche gesundheitsschädlich ist und die Freigabe nur erfolgt, um den Konsum in legale Bahnen zu lenken“, sagt Haucap. Die Weitergabe der Droge an Minderjährige müsse unter besonders harte Strafen gestellt werden. Bei der Freigabe der Droge für Erwachsene im US-Bundesstaat Colorado sei der Konsum insgesamt zwar gestiegen, unter Teenagern aber zurückgegangen.
„Selbst wenn der Schwarzmarkt sich nach einer Freigabe nicht ganz austrocknen lässt und junge Erwachsene legal erworbenes Cannabis an Minderjährige weitergeben, ist zumindest gesichert, dass die Drogen wenigstens sauber und nicht gestreckt worden sind“, sagt Haucap. Die Verunreinigung sei aktuell ein großes Problem. „Mit Klebstoffen und Chemikalien, mit Blei, um das Ganze schwerer zu machen, mal ganz abgesehen von der Pestizid-Belastung, die es häufig gibt“, so Haucap.
Die Freigabe von Cannabis könne auch dazu beitragen, dass den Dealern, die mit einem „Vollsortiment auf dem Markt agieren, das Geschäft deutlich erschwert wird.“ Weil die Gewinnmargen bei Cannabis sehr gering seien, hätten sie ein Interesse, dass ihre Kundschaft „auf Kokain, Crack oder was auch immer umsteigt“. Der Marktpreis liege im Durchschnitt derzeit bei zehn Euro pro Gramm.
Warnung vor Drogen-Tourismus nach Köln
„Dass die Dealer ihre Kunden überreden, andere Drogen zu konsumieren, kommt durchaus vor.“ Dass in einem lizenzierten Cannabis-Shop unter der Ladentheke Heroin oder Kokain verkauft wird, sei dagegen äußert unwahrscheinlich.
Von Modellprojekten vor einer regulierten Freigabe hält der Wirtschaftswissenschaftler wenig. Gäbe man beispielsweise in Köln als Modellstadt den Verkauf von Cannabis frei, „möchte ich mir den Tourismus, den das nach Köln zieht, gar nicht vorstellen.“ Aus 18 US-Bundesstaaten und Kanada lägen genügend Erfahrungen vor. „Davon können wir profitieren und müssen das Rad nicht neu erfinden.“ (mit afp)