Köln – Es ist nicht mehr nur die Bereitschaft, an der die Impfkampagne gegen das Coronavirus scheitert. Längst überwunden geglaubte Probleme wie die Verfügbarkeit von Impfstoffen, die begrenzten Kapazitäten in den Praxen und lange Warteschlangen an Impfstellen sind wieder da – und verhindern ein höheres Tempo.
Dagegen wollen die Ärzte gemeinsam mit der Stadt vorgehen. „Ziel sind 10.000 Impfungen durch Vertragsärzte pro Tag. Hinzu kommen die städtischen Angebote“, sagt Jürgen Zastrow, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zastrow betont: „Wir steigern die Zahl der täglichen Impfungen aktuell von Woche zu Woche. In der vergangenen Woche ist uns eine Verdopplung auf 5000 tägliche Impfungen gelungen.“ In der laufenden Woche sei mit einem Anstieg von 20 bis 30 Prozent zu rechnen, für mehr fehle der Impfstoff. „Wir bestellen für die kommenden Wochen nun von allen Herstellern deutlich mehr.“
Kölner Arztpraxen am Limit: „Wir geben alles, um noch mehr zu impfen“
Die Belastung der Kölner Praxen sei auch durch viele Krankheitsfälle derzeit sehr hoch. „Wir geben trotzdem alles, um noch mehr zu impfen – auch samstags.“ Ein Beispiel dafür ist eine geplante Impfaktion im Nippeser Bürgeramt. Der Hausarzt Tim Knoop hat sich mit drei weiteren Arztpraxen zusammengetan, um dort ab sofort samstags zu impfen – in zwei Impfstraßen, ohne Terminvergabe. Erstmal sollen dort rund 500 Impfungen stattfinden.
„Wir würden gerne mehr impfen, dafür fehlt aber gerade der Impfstoff“, sagt Knoop dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das Problem: Der Bedarf an Biontech-Impfungen ist nach einer Anpassung der Ständigen Impfkommission, die Moderna-Impfungen für unter 30-Jährige nicht mehr empfiehlt, stark gestiegen. Weil die Ampullen bislang zwei Wochen im Voraus bestellt werden mussten, fehlen sie nun an vielen Stellen.
„Gerade sind alle auf Biontech fixiert“, sagt er. Knoop und seine Mitstreiter wollen in den kommenden Wochen an jedem Samstag im Bürgeramt impfen. Bis zu 2000 Impfungen hält Knoop hier für möglich. Eine ähnliche Institution für Wochenend-Impfungen ist zudem im Kölner Süden geplant.
Stadt Köln diskutiert dritte große Impfstelle
Auch die Stadt ist noch weit entfernt von ihrem täglichen Ziel von 6000 Impfungen. In der Lanxess-Arena plant man aktuell mit 1000 Spritzen pro Tag, In zwei Wochen sollen es doppelt so viele sein. Bis dahin sollen auch Fußgänger die Möglichkeit haben, sich an der Arena impfen zu lassen. An diesem Freitag können sich auch Radfahrer am Rande der Demo Critical Mass Cologne „im Vorbeifahren“ impfen, wie Gesundheitsdezernent Harald Rau verspricht. Als Standort kommt auch dafür die Lanxess-Arena infrage.
Unklar ist, wann die angepeilten 3500 Impfungen pro Tag in der Lanxess-Arena tatsächlich realisiert werden. Nach Informationen dieser Zeitung diskutiert die Verwaltung eine weitere große Impfstelle, um das Gesamtziel zu erreichen. Es wäre neben dem Gesundheitsamt und der Lanxess-Arena die dritte. Bis dahin bleiben die Steigerungen wohl eher kleinteilig.
In einer aktuellen Stunde haben sich die Ratsfraktionen mit der Stadtverwaltung über weitere Möglichkeiten für mehr Impftempo ausgetauscht. Feuerwehr-Chef Christian Miller kündigte an, dass die Stadt neben dem Gesundheitsamt und der Lanxess-Arena vermutlich bald schon eine dritte stationäre Impfstelle eröffnen will. Als Standort könnte der Flughafen dienen. Dieses Angebot sei notwendig, unter anderem weil das Gesundheitsamt bereits jetzt schon am Limit arbeite. Zudem soll das Angebot der mobilen Impfteams in den Stadtteilen ausgeweitet werden. Die Nachfrage sei hier extrem hoch.
„Die vierte Welle überragt alles“
„Die vierte Welle überragt alles“, sagte Alexander Lechleuthner, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes. Zwar seien derzeit mit 50 bis 60 Menschen nicht so viele Patienten auf den Intensivstationen wie noch im Frühjahr (in der Spitze bis zu 138 Patienten). Andererseits gebe es im Vergleich zum Jahresanfang zehn bis 30 Prozent weniger Fachpersonal auf den Intensivstationen und mehr Patienten, die nicht wegen einer Corona-Infektion auf einer Intensivstation lägen.
„Wir können deshalb kaum mehr Covid-Patienten vertragen.“ Am Dienstag hätten sich kurzfristig alle Krankenhäuser in der Stadt abgemeldet. Um größere Belastungen abzufedern, seien nun Kooperationen mit anderen Gemeinden geplant.
Kölner Krankenhäuser melden sich ab
Gesundheitsdezernent Harald Rau zeigte sich im Gesundheitsausschuss ernüchtert: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die vierte Welle auch uns erreicht.“ Die Infektionszahlen seien hoch, allein die hohe Zahl an Impfungen, 73,93 Prozent der Kölner sind doppelt geimpft, würde Schlimmeres verhindern. Die Regelungen zum Karnevalsauftakt verteidigte Rau. Hätten die Menschen versteckt und vermehrt in Innenräumen gefeiert, wäre die Bilanz schlechter. Zum Straßenkarneval im kommenden Jahr, wollte Rau aber keine Prognose abgeben.
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Rau ergänzte, dass das Testangebot derzeit in der Stadt ausreiche. Am Dienstag habe es 66.000 Tests gegeben, nur 30.000 seien nachgefragt worden. Laut dem Leiter des Gesundheitsamts, Johannes Nießen, machen besonders die Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren Sorgen. Hier liege die Inzidenz bei mehr als 700. Der R-Wert liegt immer noch bei über dem Werte von eins, was auf ein exponentielles Wachstum hindeute.