In der Talkreihe „frank&frei“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“ diskutieren prominente Theologinnen und Theologen mit Seelsorgenden aus der Praxis.
frank&freiHat Theologie noch was zu bieten?
Der Begriff „Lebenswissenschaften“ umfasst ganze Reihe von Forschungszweigen. Die Theologie gehört nicht dazu. Dabei hat doch gerade jene Disziplin, die sich per Definition mit dem lebendigen Gott befasst, auch mit seiner Schöpfung zu tun. Aber wo wird das für die Menschen, gläubige und nicht gläubige, erfahrbar? Woran lässt sich erkennen, dass Theologie relevant ist für das eigene Leben? Und welche guten Gründe gibt es für Theologie an staatlich finanzierten Universitäten?
In seiner Talkreihe „frank&frei“ in der Kölner Karl-Rahner-Akademie möchte KStA-Chefkorrespondent Joachim Frank herausfinden, ob und wie Theologie heute möglich und lebensdienlich ist. Dazu bringt er Menschen aus der theologischen Wissenschaft und aus der seelsorglichen Praxis miteinander ins Gespräch.
Teil 1: Leben zwischen Gelingen, Brüchen und Neuanfängen
Den Auftakt der Reihe machen der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister und die Leiterin der katholischen Telefonseelsorge Köln, Annelie Bracke. Sie sprechen über den Beitrag der christlichen Ethik zur Bewältigung von Grenzsituationen menschlichen Lebens. Angesichts der unübersehbaren Spannungen zwischen bestimmten ethischen Prinzipien der katholischen (Sexual-)Lehre und kirchlichen Normen einerseits, den Wertentscheidungen und der Lebensgestaltung von Katholikinnen und Katholiken andererseits stellt sich auch die Frage nach der Bedeutung der Moraltheologie und der christlichen Ethik für ein gelingendes Leben.
Donnerstag, 1. Februar, 19 Uhr
Prof. Dr. Dr. Jochen Sautermeister Professor für Moraltheologie, Universität Bonn
Annelie Bracke Diplom-Psychologin und Theologin Leiterin der Katholischen Telefonseelsorge Köln
Teil 2: Gotteswort weiblich und die Gleichberechtigung der Geschlechter
Die Erfurter Dogmatikerin Julia Knop und die Pastoralreferentin Annette Jantzen, im Bistum Aachen unter anderem für die Frauenseelsorge verantwortlich, nehmen jene Hälfte des Gottesvolks in den Blick, die in der Kirchenverfassung kaum oder gar nicht vorkommt: die Frauen. Wie kann Theologie das Streben von Katholikinnen nach Gleichberechtigung und ihren Kampf für eine geschlechtergerechte Kirche fördern? Wie klingt „Gotteswort weiblich“? Und was bedeutet es theologisch und lebensgeschichtlich, dass das Vertrauen in (männliche) Verkündiger des Glaubens durch den Missbrauchsskandal so fundamental erschüttert ist?
Prof.in Dr. Julia Knop Professorin für Dogmatik, Universität Erfurt
Dr. Annette Jantzen Pastoralreferentin, Bistum Aachen
Teil 3: Dogmatik in der Morgenandacht
Der Münsteraner Dogmatiker Michael Seewald trifft auf den Pastoralreferenten Peter Otten, der als Seelsorger in der Kölner City-Gemeinde Sankt Agnes tätig ist. In Morgenandachten für den WDR und anderen Formaten vermittelt Otten Glaubensinhalte auf eine erfrischend neue, oft überraschende Weise. Was braucht es dafür an „klassischer“ Theologie? Und was kann die theologische Wissenschaft Seelsorgerinnen und Seelsorgern für ihre Arbeit an die Hand geben?
Prof. Dr. Michael Seewald Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte, Universität Münster
Peter Otten Pastoralreferent, Erzbistum Köln
Ein Anlass für die Reihe ist eine durch Victor Manuel Fernández ausgelöste Diskussion. Der neue Präfekt des römischen Dikasteriums für den Glauben (früher „Glaubenskongregration“) hat kurz nach seinem Amtsantritt einen Relevanzverlust namentlich der deutschen Theologie behauptet. Es gebe hierzulande „keine Theologen auf dem Niveau derjenigen, die in der Vergangenheit so bedeutend waren“.
Nun könnte man fragen, was der argentinische Erzbischof aus interkontinentaler Entfernung von der deutschen Theologie wahrgenommen und was er aus lehramtlicher Perspektive goutiert haben mag. Michael Seewald, Dogmatik-Professor in Münster und daselbst Nachnachfolger so illustrer Gelehrter wie Joseph Ratzinger, Karl Rahner oder Herbert Vorgrimler, geht einen anderen Weg. Zum einen sieht er die Theologie „wohl oder übel in einer Schicksalsgemeinschaft mit der Kirche“, deren Wort und Beitrag in der Gesellschaft insgesamt nicht mehr so gefragt ist wie noch vor 20, 30 oder 40 Jahren. Zum anderen habe sich die Kirchenleitung abgeschottet gegen (Erneuerungs-)Impulse aus der theologischen Wissenschaft. Was Theologen heute sagen oder schreiben, sei – anders als früher – „für die dogmatische und organisationale Entwicklung der katholischen Kirche völlig irrelevant“.
Seewald empfiehlt seinen Kolleginnen und Kollegen deshalb, sich von der Schelte aus Rom nicht beeindrucken zu lassen, „sondern in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen“ – und vielleicht gerade dadurch zu beeindrucken.
Die Reihe „Wozu noch Theologie“ geht auch der Frage nach, wie diese „beeindruckende Theologie“ aussehen könnte.