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„Herzrasen und lebenslange Narben“Anwälte sprechen über das Leid von Folter-Opfern

Lesezeit 4 Minuten

Khubaib Ali Mohammed (l.) mit seinem Mandanten Feras F. (Mitte)

  1. Zum ersten Mal wird in Deutschland den Handlangern des syrischen Diktators der Prozess gemacht. Vorgeworfen werden ihnen zigfache Morde, Vergewaltigung und Folter, unfassbare Verbrechen.
  2. Die Anwälte Khubaib Ali Mohammed und Andreas Schulz vertreten Folter-Opfer in dem Prozess. In diesem Interview sprechen sie über ihr Ziel, Assad zu Schadenersatz zu verpflichten.
  3. Außerdem sprechen sie über die Langzeitschäden ihrer Mandanten und mögliche weitere Prozesse gegen in Deutschland lebende Täter.

Herr Mohammed, was erwarten Sie sich von dem Prozess?Zum einen natürlich die Feststellung der Schuld der Angeklagten. Vor allem aber erhoffen sich unsere Mandanten, der Weltöffentlichkeit von den erlittenen Qualen berichten zu können. Dadurch, dass die Opfer unmittelbar ihre erlebten Gräuel schildern können, bekommen die Täter hoffentlich einen Eindruck davon, was sie auch langfristig mitangerichtet haben. Zudem geht von Koblenz die Botschaft aus, dass Deutschland kein sicherer Hafen für Kriegsverbrecher ist.

Wie geht es Ihren Mandanten heute ?

Jeder Geschädigte geht anders mit einem solchen Ereignis um. Manch einer leidet unter dauerhaften Schäden, so etwa unter lebenslangen Narben. Alle, mit denen wir gesprochen haben, wiesen auch langfristige psychische Schäden auf. Dazu gehören Schlafstörungen, Herzrasen in engen Räumen oder Alpträume.

Warum findet das Verfahren in Deutschland statt? Schließlich geschahen die Taten in Syrien.

Eigentlich wäre es wünschenswert, ein internationales Kriegsverbrechertribunal zu schaffen, um die Menschenrechtsverbrechen aus dem syrischen Bürgerkrieg aufklären. Das scheiterte aber bisher unter anderem am Veto der Russen im UN-Sicherheitsrat, dem Hauptverbündeten des syrischen Assad-Regimes. Deutschland verfügt allerdings über ein nationales Völkerstrafrecht, das es ermöglicht, derartige Straftaten hier zu verfolgen. In Koblenz sitzen also gewissermaßen nicht nur die Angeklagten, sondern mittelbar auch das syrische Regime auf der Anklagebank, welches für Mord und Folter verantwortlich ist.

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Gibt es Anhaltspunkte, dass weitere ehemalige Handlanger des Assad-Regimes nach Deutschland kamen?

Es gibt bereits gesicherte Erkenntnisse über weitere Fälle. Wir bereiten gerade eine Strafanzeige gegen einen in Deutschland lebenden Täter vor. Mit einer Eingabe beim Generalbundesanwalt und weiteren Ermittlungen ist zeitnah damit zu rechnen, dass sich dieser Mann für seine Taten ebenfalls verantworten muss.

Herr Schulz, auf Schadenersatz kann das Regime nur in Damaskus verklagt werden. Glauben Sie, es würde nach einer Verurteilung zahlen?

Es gibt andere Optionen als Zivilgerichte in Damaskus. Entschädigung oder Schadensersatz kann auch außergerichtlich gezahlt werden, insbesondere dann, wenn sich ein Schurkenstaat davon politische Vorteile verspricht. Man spricht von einer sogenannten Ex-Gratia Zahlung oder etwas neuzeitlicher ausgedrückt von einer humanitären Geste ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.

Gibt es Präzedenzfälle?

Einige. Zum Beispiel jene, die das libysche Regime unter dem getöteten Diktator Muammar al-Ghaddafi betreffen. Für die Aufhebung weltweiter Sanktionen zahlte der libysche Staat für die Opfer des Anschlags auf die Berliner Diskothek »La Belle«. Ebenso nach der Attacke auf den Jumbojet im britischen Lockerbie und den Angriff auf ein französisches Flugzeug. Der Schadenersatz gewährte dem Gaddafi-Regime das Rückfahrticket in die zivilisierte Staatengemeinschaft.

Was wäre das Motiv, sich auf den Deal einzulassen?

Eine Entschädigung zu bezahlen und dafür internationalen Handelssanktionen loszuwerden, ist in der Regel billiger, als damit leben zu müssen. Ghaddafi hat fast drei Milliarden US Dollar für die Terroropfer aufgewendet – eine geringe Summe im Vergleich zu den 20 Milliarden jährlich, die es kostete, die Sanktionen zu umgehen. In Anbetracht dieser Relation war die Ex-Gratia Zahlung Libyens eine lohnenswerte Investition. Zudem erhielt Ghaddafi seinerzeit von Deutschland für seine vermeintliche Rückkehr in die zivilisierte Welt Hermes-Bürgschaften in Milliardenhöhe.

Hat Syrien jemals den gleichen Weg beschritten?

Ja. Da ist der Anschlag auf das »Maison de France« im Jahr 1983. Die Gruppe um den venezolanischen Top-Terroristen Carlos hatte mit Unterstützung der syrischen Botschaft in Ost-Berlin jenseits der Mauer die französische Kultureinrichtung in West-Berlin in die Luft gesprengt. Das Attentat forderte ein Todesopfer sowie viele Verletzte. Wir haben Jahre später den syrischen Staat dafür in die Haftung genommen.

Waren Sie erfolgreich?

Nach einem strafrechtlichen Urteil des Landgerichts Berlin gegen Verantwortliche dieses Terroranschlags schaltete sich das Auswärtige Amt ein. Die endgültige Vereinbarung war schon beschlossene Sache, als der Arabische Frühling 2011 begann und unmittelbar vor der Geldüberweisung einer der Beteiligten Bedenken bekam, ob dies politisch noch opportun wäre. Seitdem hängt der Abschluss fest, ist aber nicht vom Tisch. Solche Dinge brauchen eben Zeit und einen Anlass. Vielleicht könnte das Verfahren in Koblenz dabei helfen.

Das Gespräch führte Axel Spilcker