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MissbrauchsskandalKriminologe nennt Kritik an Kölner Kardinal Woelki „verlogen“

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Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki

Bonn/Köln – Der Kriminologe Christian Pfeiffer hat die Kritik am Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki als „verlogen“ bezeichnet. Er denke dabei besonders an den ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, sagte Pfeiffer der Deutschen Presse-Agentur.

Kardinal Marx sitze im Glashaus

Der Münchner Kardinal hatte es als „verheerend“ bezeichnet, dass Woelki ein Gutachten zum Umgang von katholischen Geistlichen mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen unter Verschluss hält.

„Das ist ein so verlogener Umgang mit Woelki“, kritisierte der ehemalige SPD-Justizminister von Niedersachsen. „Wenn jetzt Marx über Woelki herfällt, dann ist das im Glashaus sitzen und mit Steinen werfen, weil er ja dasselbe getan hat.“ Marx habe sich jahrelang unabhängigen Untersuchungen in seinem Bistum widersetzt, weil er Angst gehabt habe, dass Vertuschungen durch den früheren Kardinal Joseph Ratzinger, später Papst Benedikt XVI., herauskommen könnten.

„Marx ist der Hauptschuldige dafür, dass wir zehn Jahre nach Entdeckung des Missbrauchsthemas immer noch keine Transparenz haben“, sagte Pfeiffer. „Immer noch brauchen Bischöfe nicht Verantwortung dafür zu übernehmen, wenn sie Täter geschützt und Opfer vernachlässigt haben.“ 2013 hatte die Bischofskonferenz einen Aufarbeitungsvertrag mit dem von Pfeiffer geleiteten Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen gekündigt. Der Streit hatte sich an der Veröffentlichung kircheninterner Dokumente entzündet.

Die Deutsche Bischofskonferenz schließt am Donnerstag ihre Frühjahrsvollversammlung ab. Überlagert wurde das Treffen von der Krise im Bistum Köln. Woelki führt rechtliche Bedenken dafür an, dass er das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten zurückhält. Mitte März will er ein neues Gutachten veröffentlichen.

Pfeiffer: Katholische Sexualmoral für Missbrauchszahlen verantwortlich

Pfeiffer machte die katholische Sexualmoral für die hohen Missbrauchszahlen in den ersten Nachkriegsjahrzehnten verantwortlich. So habe eine große US-Studie für die 1960er Jahre acht Prozent aller Priester in den USA als Missbrauchsbeschuldigte identifiziert. 30 Jahre später seien das nur noch 0,5 Prozent gewesen.

Dieser Rückgang erkläre sich durch die Veränderung der Sexualmoral und des Strafrechts. „In den 60er Jahren hatten die Priester wegen des Zölibats kaum Chancen zu sexuellen Kontakten mit Frauen. Und wenn sie schwul waren, hat das Strafrecht sie bedroht“, sagte Pfeiffer. Deshalb seien viele Priester auf Minderjährige ausgewichen, auch wenn sie eigentlich nicht pädophil gewesen seien. Mit der Lockerung der Sexualmoral habe sich das geändert.

„Heute können Priester in Schwulen-Bars gehen oder auf einer Party eine Frau kennenlernen, ohne dass sie Strafen oder Nachteile befürchten müssen.“ Schon 2011 habe in einer Studie von 500 ermittelten Missbrauchsopfern nur noch eine Person einen Priester als Täter angegeben. „Es bleiben jetzt nur noch die wirklich Pädophilen übrig“, sagte Pfeiffer. „Und deren Prozentsatz dürfte unter Priestern nicht höher sein als in anderen gesellschaftlichen Bereichen.“ (dpa)