Anwohner machtlosWie Inden-Frenz ganz langsam vergiftet wird
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Der Boden rechts und links des kleinen Flüsschens Inde steckt voller Dioxin.
Ein Spielplatz wurde bereits abgesperrt, die Pachtpreise fallen und die Anwohner sind in höchster Sorge.
Ein Verursacher für die Bodenbelastung ist nicht auszumachen. Die meisten Bewohner haben eine Vermutung. Doch das hilft ihnen wenig.
Inden – Der Text auf dem Schild ist nicht lesbar, denn der Pfeiler hängt mit der Aufschrift nach unten auf einem rot-weißen Flatterband. Dass es hier gefährlich sein könnte, lässt sich erahnen. Wer es genauer wissen will, muss das Schild aber erst aufrichten. „Aufgrund einer Empfehlung des Gesundheitsamtes des Kreises Düren die Sandbereiche des Spielplatzes derzeit nicht nutzen.“
Gezeichnet vom Bürgermeister der Gemeinde Inden (Kreis Düren). Der Grund für die Sperrung steht nicht auf dem Plakat. Ein Anruf beim Umweltamt Kreis Düren ergibt: Es geht um Dioxin, das auf einem Streifen von 100 Metern rechts und links der Inde vermutet wird und auch schon gefunden wurde. Proben haben ergeben, dass die Dioxin-Belastung bis zu eineinhalb Mal höher ist als erlaubt.
Tierbestand halbiert
Auf den ersten Blick stört das Dioxin die Idylle in Inden-Frenz kaum. Keine Hysterie, keine Plakate, keine Bürgerinitiative. Mareike und Peter Wollschläger können das nicht nachvollziehen. Sie haben sich bereits medizinisch untersuchen lassen, die Ergebnisse stehen noch aus. Das Paar betreibt im Nebenerwerb seit sechs Jahren einen Biohof in Inden-Frenz. Die Ergebnisse belasten sie sehr, emotional und finanziell. Ihren Tierbestand mussten sie schon halbieren. Zwar könnten sie ihre Produkte theoretisch weiter verkaufen, jedoch nur nach einer Untersuchung. Und die koste pro Tier 750 Euro.
Dioxine sind Gemische von Einzelverbindungen. Sie entstehen bei allen Verbrennungsprozessen mit Chlor und organischem Kohlenstoff. Einer der wichtigsten Verursacher ist die Metallindustrie, denn bei Metallgewinnung und –verarbeitung entsteht viel Dioxin. Menschen nehmen Dioxin in 95 Prozent der Fälle über die Nahrung auf, besonders durch Fleisch und Milchprodukte. Dioxin ist bereits in kleinen Mengen extrem giftig. Es drohen Gewichtsverlust, Leberschäden und Stoffwechselentgleisungen, die zum Tod führen können. Tiere nehmen Dioxin über kontaminiertes Futter auf.Proben auch aus Hausgärten
„Umweltschutz wird hier als Propaganda abgetan“
Die Untersuchungen der Proben im benachbarten Kreis Aachen laufen noch, Ergebnisse werden laut des dortigen Umweltamtes nächste Woche veröffentlicht. Man rechnet mit ähnlichen Werten wie in Inden-Frenz. Dort sollten nach den landwirtschaftlichen Flächen auch Hausgärten beprobt werden. „Meines Wissens hat aber noch kein Bewohner eine solche Beprobung angefordert“, sagt der Indener Bürgermeister Jörg Langefeld, der selbst nahe der Inde wohnt.
Ein Verursacher für die Bodenbelastung ist nicht auszumachen. Die meisten der Befragten vermuten aber: die seit 50 Jahren stillgelegte schwermetallverarbeitende Industrie aus dem nahe gelegenen Stolberg sei schuld. Die Industrie war und ist prägend für die Region. Unweit des Dorfes steht ein Kraftwerk von RWE, der Tagebau Inden ist nicht weit entfernt. „Die Leute leben schon ihr ganzes Leben mit der Industrie“, sagt Bürgermeister Langefeld, sein Eindruck sei, die Menschen hätten sich im Laufe der Zeit einfach an die Begleiterscheinungen gewöhnt. „Manchmal haben wir den Eindruck, Umweltschutz wird hier als Propaganda abgetan“, sagt Mareike Wollschläger.
Dennoch sind die Auswirkungen deutlich zu spüren. Die Pachtpreise, welche die Gemeinde für landwirtschaftliche Flächen verlangt, sind drastisch gefallen. Langefeld würde gerne juristisch gegen den Verursacher vorgehen und Schadensersatzforderungen stellen: „Mir ist aber bewusst, dass es sehr schwer wird, einen Schuldigen zu finden.“
Die Wollschlägers schauen sich schon nach einem anderen Hof um: „Ich habe wenig Hoffnung, dass man hier noch Landwirtschaft betreiben kann“, sagt Mareike Wollschläger. Das Problem: Die Frenzer Mühle lässt sich schwer verkaufen. Laut Veterinäramt könne man sie immerhin als Pferdehof betreiben. Alle Interessenten hätten bisher aber abgesagt.