Ruinen einer alten Brücke nahe der Ortschaft Großhöhfeld.
Copyright: Joachim Gies
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Hückeswagen – Die Bevertalsperre zwischen Hückeswagen und Wipperfürth ist ein Idyll für Wassersportler. In den Sommermonaten finden dort Tausende Badegäste und Segler ihr Dorado. Vor allem Städter aus den Ballungsräumen Köln und dem Ruhrgebiet sind dort als Dauercamper und Bootsbesitzer heimisch und genießen einen See, der an die kanadische Wildnis erinnert. Eigentlich. Denn zurzeit ist die Bever in erster Linie ein braun-grünes Loch gigantischen Ausmaßes. Auch wenn die Talsperre aussieht, als wäre sie als perfektes Naherholungsgebiet gemacht worden, sie hat einen ganz anderen Zweck. Sie ist eine Brauchwassertalsperre. Ihre Aufgabe ist es, den Wasserstand der Wupper zu glätten. Regnet es viel, im Bergischen eigentlich der Normalfall, wird Wasser zurückgehalten und vor allem die Stadt Wuppertal vor verheerenden Hochwassern geschützt. Regnet es wenig, wird die Wupper künstlich erhöht. Das ist notwendig, weil sonst wegen der vielen Kläranlagen am Fluss im Sommer fast nur Klärabwasser in der Wupper wäre.
Nun aber ist genau das Szenario eingetreten, wofür die Sperre gebaut wurde: Trockenheit. Allerdings hatte das Bergische wie das gesamte Rheinland nicht nur eine Dürre, sondern gleich drei Trockenjahre hintereinander. In Köln mag man das an sterbenden Bäumen sehen, in Hückeswagen sieht man es am Wasserstand der Bevertalsperre. „Sehr ergiebige Niederschläge mit einer Jahresregenmenge von mehr als 1600 mm pro Quadratmeter gab es im Wuppergebiet zuletzt 2008“, heißt es vom Wupperverband.
Unter diesem Steinhaufen am Nordende verbirgt sich ein Trinkwasserstollen.
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Wie schon die Vorjahre 2018 und 2019 zeichnete sich auch dieses Jahr durch ausgeprägte Trockenphasen aus. Zwischen Mitte März und Ende September hat es zwar vereinzelt geregnet, doch ergiebige Niederschlagsmengen blieben aus. „Entsprechend ist die Bevertalsperre nur noch zu 38 Prozent gefüllt“, sagt Talsperrenmeister Helmut Selbach.
200 Hektar groß ist die Talsperre, wenn sie voll ist. Große Teile davon aber liegen im Herbst 2020 trocken – und offenbaren Überraschungen. An vielen Stellen zeigen sich Spuren der Vergangenheit, die aus dem Wasser ragen.
Besonders die nördliche, obere Hälfte der Bever ist trocken. Ganz am Ende, nahe des Weilers Stoote, gibt sie den Blick frei auf einen riesigen Steinhaufen, hoch wie drei großgewachsene Menschen, der an mystische Szenen aus dem Herrn der Ringe erinnert. Aus seiner Spitze ragt ein metallenes Rohr mehrere Meter in die Höhe. Darunter verbirgt sich ein Stollen. Bis in die 1970er Jahre wurde dort Trinkwasser für die Stadt Radevormwald entnommen. Ringsherum ist der Seeboden von einem Saum von Gras überzogen, ein Zeichen dafür, wie lange die Talsperre an dieser Stelle bereits im Trockenen liegt.
Imposant sind auch steinerne Vermächtnisse in einem Nebenarm des künstlichen Sees, den die Einheimischen „Höhfelder Arm“ nennen. Südlich der zu Wipperfürth gehörenden Ortschaft Großhöhfeld ragen mächtige, aus behauenen Steinquadern gebaute Pfeiler aus dem Niedrigwasser. Es sind die Reste einer Brücke, die die Dörfer Klein- und Großhöhfeld mit der anderen Talsperrenseite verbanden. Seit dem Bau der Sperre lag sie meist unter Wasser.
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Insgesamt hat die Bevertalsperre neben dutzenden Buchten fünf größere Hauptarme. An den meisten von ihnen sieht man Relikte alter Dämme, die noch von einer anderen Talsperre erzählen, die lange vor der heutigen an dieser Stelle errichtet wurde, die Dämme schirmten kleinere Vorsperren ab.
Hochwasser führte immer wieder zu Todesopfern
Die Geschichte der Wasserwirtschaft nahm verschlungene Wege in diesem Teil des Bergischen Landes. Ende des 19. Jahrhunderts wüteten Hochwasser am Unterlauf der Wupper und führten immer wieder zu Todesopfern. Gleichzeitig waren die zahlreichen Tuchfabriken am Fluss auf eine gleichmäßige Wasserversorgung für ihre Maschinen angewiesen. Also suchte man eine einsame und wasserreiche Gegend, um eine Talsperre zu bauen. Zwischen 1896 und 1898 errichtete man einen steinernen, halbrunden Damm nahe der Ortschaft Wefelsen. Im Land jubilierte man bei der Fertigstellung, diese erste Bever war nach dem Nord-Ostsee-Kanal das größte Wasserbauwerk des Kaiserreichs. Drei Millionen Kubikmeter fasste sie, auf Postkarten wurde großzügig auf vier Millionen gerundet.
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Diese erste Sperre aber war nichts für die Ewigkeit. Ob nun drei oder vier Millionen Kubikmeter – der See war viel zu klein. Daher begann man Mitte der 1930er Jahre den Bau eines viel größeren Dammes aus Erde, höher und weiter flussabwärts. 1938 wurde die „neue Bevertalsperre“ eingeweiht. Fast 24 Millionen Kubikmeter fasst der Kunstsee. Ihm fielen der alte Damm und zahlreiche kleinere Ort zum Opfer, sie wurden abgetragen oder ihre Ruinen versanken in den Fluten. Ihre Namen kennt auch in Hückeswagen heute fast keiner mehr. Rasselstein etwa hatte 24 Einwohner. Kein Bauerndorf, sondern mit zwei Eisenhämmern ein kleiner Industriestandort. 1938 wurde er von der Sperre verschluckt. Genauso wie die ähnlich großen Dörfer Fröhlenhausen, Rotterdam und Gillesbever, sowie einige weitere Weiler. Viel zu sehen ist davon auch bei Niedrigwasser nicht. 80 Jahre unter Wasser haben den Siedlungsresten zugesetzt. Bis vor wenigen Jahren konnte man bei niedrigem Wasserstand noch die alte Staumauer sehen und sogar als eine Art Brücke nutzen. Doch der Wupperverband ließ Teile der Überreste aus Sicherheitsgründen sprengen.
Im September kamen in dem trockenen See auch unschöne Zeugen der Vergangenheit ans Tageslicht. Weltkriegsgranaten und Munition wurden gefunden, die Polizei riet Wanderern, sie bloß nicht anzufassen. Der Kampfmittelräumdienst beseitigte sie schließlich.
Über Stollen ist die Bever übrigens mit benachbarten Talsperren verbunden. So sieht man zurzeit den Eingang zu einem 800 Meter langen Tunnel zur Neyetalsperre. Derzeit fließt kein Wasser, auch die Neye leidet unter Trockenheit. Der Eingang zum Stollen ist verschlossen.
Nun hofft Selbach auf einen nassen Winter. „Bei normalen Niederschlägen müsste die Bever im April wieder voll sein“, sagt der Talsperrenmeister des Wupperverbands. Aber nur, wenn nun kein viertes Trockenjahr folgt.