AboAbonnieren

Großbrand in Essener WohnkomplexWas bisher über die Ursachen bekannt ist

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

In der Nacht auf Montag brannte in Essen ein Wohnkomplex aus.

Essen – Ein Essener Wohnkomplex ist in der Nacht auf Montag fast vollständig ausgebrannt. Gegen zwei Uhr morgens war ein Feuer ausgebrochen, das sich innerhalb von kurzer Zeit auf das gesamte Gebäude ausbreitete. Die Essener Feuerwehr spricht von einem „nie dagewesenen Brand“, zeitweise waren bis zu 150 Einsatzkräfte vor Ort.

Erst am frühen Montagnachmittag meldete die Feuerwehr, den Brand unter Kontrolle zu haben. Insgesamt sind 39 Wohnungen vollständig ausgebrannt, viele weitere durch Rauch und Löschwasser beschädigt worden. Das Gebäude gilt teilweise als einsturzgefährdet. Drei Personen wurden leicht verletzt.

Feuerwehr in Essen überrascht über massive Brandausbreitung

Die massive Brandausbreitung habe alle Einsatzkräfte sehr überrascht, sagte ein Sprecher der Essener Feuerwehr am Montag. So etwas habe man noch nie erlebt. Normalerweise gebe es in modernen Gebäuden Brandsperren, sodass so etwas eigentlich nicht möglich sei. Warum es in diesem Fall dennoch habe geschehen können, müsse untersucht werden.

Nach jetzigem Ermittlungsstand geriet kurz nach Mitternacht ein Balkon aus noch unbekanntem Grund in Brand. Angefacht durch den Sturm „Antonia“, der in der Nacht in Essen wütete, entwickelte das Feuer schnell eine ungeheure Dynamik und breitete sich vermutlich über die Fassade und die Balkone über die gesamte Gebäudeseite aus.

Essener Wohnkomplex war ein Neubau von 2015

Bei dem Wohnkomplex handelt es sich um einen Neubau aus dem Jahr 2015. Ein Sprecher des Hauseigentümers Vivawest Wohnen GmbH teilte mit, das Gebäude sei gemäß Bauvorschriften mit Brandschutztüren gegen eine schnelle Verbreitung eines Feuers ausgestattet gewesen. Die Brandschutztüren seien zuletzt im März 2021 gewartet worden. Zudem erfolgte die Dämmung des Hauses überwiegend mit Mineralfaserplatten, weil diese weniger brandanfällig als Polysterol-Dämmstoffe seien, sagte der Sprecher.

Dennoch könnte sich das verheerende Feuer in Essen laut Einschätzung von Experten vermutlich über den Außenbereich des Gebäudes, möglicherweise über eine Fassadendämmung, ausgebreitet haben. „Natürlich kann man das als Außenstehender nicht mit letzter Sicherheit sagen, aber wenn ich mir die ersten öffentlich zugänglichen Bilder und eine kurze Filmsequenz anschaue, dann sieht es zunächst so aus, dass sich das Feuer über die Fassade verbreitet hat“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands und Sachverständige für vorbeugenden Brandschutz, Frank Hachemer. „Und der Putz brennt eher nicht.“

Fassadendämmung als mögliche Brandursache

Dazu passe auch, dass der Sturm nach Beschreibungen von Augenzeugen das Feuer angefacht habe. „Das geht natürlich am ehesten, wenn es sich um eine Entwicklung außen am Gebäude handelt und nicht im Inneren.“ Eine Ausbreitung im Inneren sei aufgrund der heutigen Brandschutz-Vorschriften auch kaum noch so einfach möglich. „Die Decken sind selbst schon Brandschottungen, die eigentlich gar nicht ohne weiteres durchbrochen werden können, so dass ein Feuer meist in einem Zimmer gefangen bleibt“, erläuterte der Brandschutz-Experte.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das Thema Fassadendämmung sei seit Jahren in der Diskussion. „Da gibt es brennbare und nicht brennbare Dämmungen. Mineralwolle zum Beispiel ist nicht brennbar, hat aber zum Beispiel den Nachteil, dass sie ihre Dämmwirkung verliert, wenn sie nass wird.“ Um einer Ausbreitung über die Fassadendämmung vorzubeugen, müssten nach aktuellen Vorschriften waagerechte Fassadenriegel in der Dämmung angebracht werden. Sie sollen verhindern, dass ein Brand von unten nach oben weiterwandere.

Der Brandschutzexperte Carsten Wege, Geschäftsführer vom Bundesverband Brandschutz-Fachbetriebe (bvbf), teilt auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit, er wolle zur Gebäudedämmung des Essener Wohnkomplexes derzeit noch keine Bewertung abgeben, sondern die behördlichen Ermittlungen zu den Gesamtumständen abwarten. Neben dem Material der Dämmung könnten auch „etwaige Planungs- und Ausführungsmängel - unabhängig vom Essener Brandereignis - eine erhöhte Brandgefährdung begünstigen“, gibt Wege zu Bedenken.

Stadt Essen sammelt Spenden für Betroffene von Großbrand

Insgesamt seien Wohnblockbrände aber eher selten, beruhigt der Brandschutzexperte angesichts der erschreckenden Bilder aus Essen. Auch er ist sich sicher: „Die besondere Umstände der windstarken Nacht haben erkennbar den schnellen Brandverlauf und seine Ausbreitung erheblich beeinflusst“, so Wege.

Die Behörden nahmen am Montagnachmittag erste Ermittlungen auf. Da der Wohnkomplex einsturzgefährdet ist, soll der Roboterhund „Herbie“ der Essener Polizei per Kamera erste Bilder aus der Ruine liefern. Die 128 Bewohner und Bewohnerinnen sind derweil provisorisch untergebracht worden. Das Wohnungsunternehmen Vivawest als Eigentümer des Hauses hatte den Bewohnern kurzfristig Zimmer in umliegenden Hotels angeboten. Es hätten sich auch Bürger gemeldet, die den Betroffenen Gästezimmer anböten, sagte eine Stadtsprecherin. Die Stadt stelle Medikamente, Hygieneartikel und Kleidung für den aktuellen Bedarf zur Verfügung, hieß es in der Mitteilung. Außerdem wurde für die Betroffenen ein Spendenkonto eingerichtet. (mit dpa)

Spendenkonto:IBAN: DE09360602950069960057BIC: GENODED1BBE - Bank im BistumStichwort: Großbrand Essen