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BehördenmarathonInvestor wartet neun Jahre auf Baugenehmigung eines Wasserkraftwerks in der Eifel

Lesezeit 5 Minuten
Die drei Männer sind vor einem Stauwehr zu sehen, dahinter das rauschende Wasser der Urft.

Ausdauer gefragt: Hubert Verbeek (Mitte) würde gerne ein neues Wasserkraftwerk am Stauwehr in Gemünd bauen. Bürgermeister Ingo Pfennings (l.) und Philipp Hawlitzky von der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Nordrhein-Westfalen unterstützen die Idee.

Strom aus Wasserkraft spielt bei der Energiewende in NRW so gut wie keine Rolle, sagt der Landesverband Erneuerbare Energien. Ein Investor kämpft seit knapp 14 Jahren darum, in der Eifel ein Kraftwerk zu bauen.

„Wenn man einmal anfängt, will man das auch durchziehen“, sagt Hubert Verbeek. Seit rund zehn Jahren kämpft der Elektroingenieur um die Genehmigung, am alten Schöllerwehr der Urft in der Eifelgemeinde Gemünd ein Wasserkraftwerk mit 105 kW Leistung zu bauen, das jährlich rund 450.000 Kilowattstunden Strom erzeugen und damit 150 Vier-Personen-Haushalte versorgen könnte.

Ein Kraftwerk, das nicht nur Strom produzieren soll, sondern den Wasserstand des Flusses regulieren kann, etwa bei einem 100-jährlichen Hochwasser: Bis zu 70 Zentimeter Senkung wären drin.

Marathon durch die Behörden

Elf Jahre dauerte der Weg durch die Instanzen, angefangen in den politischen Gremien der Stadt Schleiden über den Kreis Euskirchen, der für die wasserrechtliche Genehmigung zuständig ist, bis hin zur Bezirksregierung Köln.

Durch Zufall war Verbeek, der aus einer alten Müller-Familie aus Waldfeucht im Kreis Heinsberg stammt, im Jahr 2009 bei einer Mountainbike-Tour auf das alte Wehr gestoßen, das ursprünglich zu einem Eisenwalz- und Schneidwerk gehörte, und begann mit den Planungen.

Mit Wasserkraft kennt er sich aus. In Waldfeucht besitzt Verbeek die Haarener Mühle und hat an der unteren Rur bei Kreuzau vor Jahren schon ein Kraftwerk errichtet.

Der Stadt Schleiden und dem Kreis Euskirchen sei kein Vorwurf zu machen, sagt Verbeek. „Dort hat man mich immer unterstützt. Bei der Gewässer-Ökologie sind nun mal bestimmte Randbedingungen zu beachten. Das hat die Behörde ausgiebig getan. Wenn alle gesetzlichen Auflagen erfüllt sind, müsste es aber auch gut sein.“

Fischereiverband klagt, Kreis Euskirchen verschärft Auflagen

Ist es aber nicht. Neun Jahre wurde geprüft – und das Projekt im Jahr 2020 für gut befunden. Dass sich zwei Jahre später in Gemünd immer noch nichts bewegt, liegt an einer Klage des Fischereiverbands gegen den Kreis Euskirchen, die im Mai 2022 abgewiesen wurde und jetzt beim Oberverwaltungsgericht in Münster anhängig ist.

„Es wird immer pauschal argumentiert, durch die Anlage entstünde ein Schaden für die Fischwelt“, sagt Verbeek und legt etliche Gutachten vor, die das Gegenteil belegen. Die Vorurteile seien vergleichbar mit dem bei Windkraftanlagen. „Da kann ich auch nicht einfach pauschal behaupten, dass nach der Inbetriebnahme alle Vögel tot vom Himmel fallen.“

Bei solchen Minizahlen verbietet es sich, von Wachstum zu sprechen
Philipp Hawlitzky, stellvertretender Geschäftsführer des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW

Bei diesen Rahmenbedingungen sei es kein Wunder, dass der Ausbau der Wasserkraft in Nordrhein-Westfalen seit Jahren „auf niedrigstem Niveau vor sich hindümpelt“, sagt Philipp Hawlitzky, stellvertretender Geschäftsführer des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW (LEE).

Im Jahr 2022 seien landesweit nur drei Anlagen mit zusammen 170 Kilowatt Leistung neu ans Netz gegangen. „Bei solchen Minizahlen verbietet es sich, von Wachstum zu sprechen“, so Hawlitzky. Im letzten Jahrzehnt sei die neu installierte Wasserkraft-Leistung lediglich um etwa neun Megawatt gestiegen. „Nordrhein-Westfalen lässt einen wichtigen erneuerbaren Energieträger nach wie vor weitgehend ungenutzt. Das ist angesichts der Debatte um mehr Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit von Energieimporten völlig unverständlich.“

Dabei habe die Wasserkraft Potenzial. Mit einer installierten Leistung von rund 534 Megawatt liegt NRW mit etwa 480 Anlagen im Bundesländer-Vergleich hinter Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz laut LEE auf Platz vier.

Betreiber sind vor allem regionale Energieversorger, aber auch kleine oder mittelständische Gewerbe- und Industriebetriebe, die zum Teil seit mehreren 100 Jahren mit der Energie des Wassers zuverlässig Strom erzeugen. Mit etwa 50 Prozent der gesamten Wasserkrafterzeugung liegt der Regierungsbezirk Arnsberg im bevölkerungsreichsten Bundesland weit vorn.

Seit der Neufassung des Gesetzes zu den Erneuerbaren im vergangenen Jahr steht dem Ausbau der Wasserkraft auch rechtlich nichts mehr im Weg. Im Gegenteil: Sie liegt im „überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit“. So sieht das auch die Notfallverordnung auf EU-Ebene.

NRW hinkt bei Stromerzeugung aus Wasserkraft deutlich hinterher

Zudem gibt es von der EU-Kommission, der Bundesregierung aber auch der Landesregierung klare gesetzliche Vorgaben, dass Genehmigungen für Wasserkraftanlagen binnen bestimmter Fristen erteilt werden müssen. Je nachdem ob es um die Erneuerung einer alten Anlage oder ein Neubauprojekt ist, liegen diese Fristen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren.

Allein durch die Modernisierung bestehender Standort könnten nach Angaben des LEE die Stromerträge aus Wasserkraft um bis zu 25 Prozent gesteigert werden. Und das mit technisch relativ einfachen Maßnahmen wie dem Austausch von Getrieben oder Generatoren oder dem Einbau einer intelligenten Steuerungstechnik.

Mit dem Neubau von Anlagen an bereits bestehenden Gewässer-Staustufen könnte deutlich mehr Strom erzeugt werden. Bisher werden nur 3,7 Prozent der Wehre in NRW für die Wasserkraft genutzt. Bei den 81 Talsperren ist das nur an 38 der Fall, so der LEE. Das sei bundesweit zwar der Spitzenwert, aber eben auch ausbaufähig. Die Landesregierung habe den Ausbau zwar angekündigt, geschehen sei bisher aber nichts.

Idyllischer Blick auf das Gemünd Wehr Urft, wo Hubert Verbeek die Errichtung eines 100 kW-Wasserkraftwerks plant. Die Sonne scheint frühlingshaft durch zartes Baumgrün auf das Wasser. Im Hintergrund ist ein Altbau zu sehen.

Das alte Wehr an der Urft in Gemünd.

Fakten, die Hubert Verbeek nicht mehr aus der Fassung bringen. Er ist heilfroh, dass die Wasserkraftanlage in Gemünd jetzt doch noch gefördert werden kann. Weil der Passus, dass Zuschüsse erst ab einer Kraftwerksleistung von 500 kW gezahlt werden, aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde.

Wie hoch die Investition sein wird, darüber will Verbeek nicht spekulieren. Vor zwei Jahren war von 600.000 Euro die Rede. „Das dürfte angesichts der gestiegenen Baukosten nicht reichen.“

Doch bevor es losgehen kann, muss der Investor schon wieder eine neue Hürde nehmen. Der Kreis Euskirchen hat die Erteilung der Baugenehmigung mit einer Nebenbestimmung versehen. Zum Schutz der Fischlarven müsse die Anlage zwei Monate im Jahr abgestellt werden. „Das geht zulasten der Wirtschaftlichkeit“, sagt Verbeek. „Der Vorteil der Wasserkraft liegt doch gerade in der gleichmäßigen Stromerzeugung über das ganze Jahr. Wenn mir da zwei Monate fehlen, rechnet sich das nicht.“ Auch ökologisch mache das Abschalten keinen Sinn. „Wenn die Anlage steht, funktioniert auch die Aufstiegsanlage für die Fische nicht mehr.“

Verbeek hat deshalb gegen diese Nebenbestimmung Klage beim Verwaltungsgericht Aachen eingereicht. Gegen den Kreis Euskirchen. Weil er die Dinge gerne durchzieht, die er einmal angefangen hat.