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AsylbewerberNotfallszenario: Bad Münstereifel denkt über Unterbringung in Turnhallen nach

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Eine Luftbildaufnahme der drei Sporthallen in Bad Münstereifel. Von rechts: die Heinz-Gerlach-Halle, die Mimi-Renno-Halle und Sportwelt Schäfer.

Im Notfall könnten in der Mimi-Renno-Halle (Mitte) Asylbewerber untergebracht werden. Auf Platz drei steht die Heinz-Gerlach-Halle (rechts).

Der Stadtrat von Bad Münstereifel befasste sich damit, dass Geflüchtete nicht in Containern, Wohnungen oder Häusern unterkommen können.

Das Unbehagen war spürbar: Diese Diskussion wollten die Mitglieder des Stadtrates in Bad Münstereifel offensichtlich nicht führen. Aber sie mussten sich der Frage stellen: Ist es zumutbar, Asylbewerber in Turnhallen unterzubringen, wenn keine weiteren Grundstücke für Containerlösungen und keine weiteren Wohnungen oder Häuser, die angemietet werden können, verfügbar sind?

Denn Fakt ist: Bad Münstereifel hat Stand Anfang November 255 Geflüchtete, Ukraine-Vertriebene und Obdachlose in städtischen Unterkünften untergebracht und muss nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz weitere 159 Geflüchtete aufnehmen. Würde man die kurzfristig verfügbaren Plätze abziehen, bliebe immer noch ein Defizit von 100 Plätzen. „Die Bezirksregierung ist uns nun schon entgegengekommen und hat den Weihnachtsfrieden [in den zwei Wochen über Weihnachten und Neujahr finden keine Zuweisungen statt, Anm.d.Red.] um zwei Wochen verlängert“, sagte Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian.

Politiker bringen mögliche Alternativen ins Gespräch

Um Menschen unterbringen zu können, versucht die Stadt, Häuser und Wohnungen anzumieten. Im Gewerbegebiet zwischen Iversheim und Bad Münstereifel sollen auf zwei Grundstücken Container entstehen. Die Mitglieder des Stadtrates brachten auch noch weitere Ideen aufs Tapet. Wilfried Schumacher (CDU) schlug die Errichtung von Tiny Houses nach Kaller Vorbild vor, Martin Mehrens (CDU) die Errichtung von Traglufthallen. Edmund Daniel (UWV) brachte „zwei Hotels, die leer stehen“ ins Gespräch und meinte damit das Kurhaus und den Dachsbau.

Für den Fall, dass das nicht gelingen sollte, will die Stadt nun einen Notfallplan entwickeln. „Wir suchen händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten“, brachte Gina Burgwinkel-Ernst, Amtsleiterin Öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie Soziales, die Nöte der Stadt zum Ausdruck. „Wir sind gesetzlich verpflichtet, Menschen unterzubringen“, erklärte sie weiter. Dass dies in Turnhallen geschehe, sei die Ultima Ratio.

Es ist die denkbar schlechteste Lösung, Menschen in Turnhallen unterzubringen.
Thilo Waasem (SPD)

„Es ist richtig und sinnvoll, sich für den Worst Case zu wappnen“, sagte Thilo Waasem (SPD). „Aber es ist die denkbar schlechteste Lösung, Menschen in Turnhallen unterzubringen“, ergänzte er. Es sei unwürdig für die Menschen, die dort unterkommen. „Und es ist beschissen für die, die die Turnhalle für ihre eigentlichen Zwecken nutzen sollen“, so Waasem. Er sieht besonders die Weigerung des Landes, die eigenen Plätze auszubauen, als kritisch an.

Ludger Müller (CDU) siedelt das Thema noch höher an. „Das System in Europa funktioniert nicht und fliegt uns jetzt um die Ohren.“ Andreas Bühl (UWV) zeigte sich besorgt: „Wenn wir jetzt mit der Diskussion um Turnhallen anfangen, könnte das falsch ankommen.“

Sieben städtische Turnhallen kämen mehr oder weniger infrage

Sieben städtische Turnhallen hatte die Stadt in der Ratsvorlage aufgelistet. Die Mehrzweckhallen in Arloff und Effelsberg, die Turnhallen in Houverath und Mutscheid, die Interkulturelle Begegnungsstätte in Mahlberg sowie die Mimi-Renno-Halle und die Heinz-Gerlach-Halle in Bad Münstereifel. Auch einige Kriterien wurden aufgeführt: Gibt es Duschen? Ist die Halle verpachtet? Wie groß ist sie und, daraus resultierend, wie viele Menschen könnten untergebracht werden? Nach diesen Vorgaben sollte der Rat nun priorisieren.

„Es ist nicht in Ordnung, dass wir jetzt eine Entscheidung treffen sollen, die die Verwaltung nicht treffen will“, argumentierte Thilo Waasem. Andere Ratsmitglieder pflichteten ihm bei. „Ich kann heute keine Entscheidung treffen“, sagte Edmund Daniel. „Die Verwaltung sollte die Hallen priorisieren“, forderte Wilfried Schumacher.

Schul- und Vereinssport müsste mit Einschränkungen rechnen

Doch wonach? „Da ausnahmslos alle Hallen belegt sind, fällt das als Entscheidungskriterium ins Hintertreffen“, sagte Gina Burgwinkel-Ernst. Für den Schul- und Vereinssport wäre also auf jeden Fall mit Einschränkungen zu rechnen. „Wir kommen nicht drumherum, umzuschichten“, sagte Sabine Preiser-Marian, die dann in den sauren Apfel biss und eine Priorisierung vornahm.

Die Hallen ohne Duschen (Effelsberg, Mahlberg und Mutscheid) wurden als erste gestrichen. Danach noch das Gebäude in Houverath, weil es an einen Betreiberverein verpachtet wurde. Übrig blieben also die beiden Hallen im Goldenen Tal in Bad Münstereifel sowie in Arloff. Da alle drei an der Erftschiene liegen, wurde das Kriterium der Erreichbarkeit gestrichen.

Hallen in Arloff und Bad Münstereifel sind rund um die Uhr belegt

Bernhard Ohlert (CDU) bat darum, dass die Verwaltung der Politik die Belegungspläne vorstellt, auch wenn die Bürgermeisterin wiederholte, was Amtsleiterin Burgwinkel-Ernst schon mitgeteilt hatte: „Die Belegungspläne helfen nicht viel.“ Laut Thomas Bell müsse man sich die Frage stellen, ob man den Schul- oder den Vereinssport priorisiere. Hier zog die Verwaltung den Schulsport vor.

Die Arloffer Mehrzweckhalle werde bis 14 Uhr von der Schule genutzt, im Anschluss bis 22 Uhr von Vereinen. Die beiden Sporthallen in Bad Münstereifel würden von vier Schulen genutzt und vom Vereinssport. „Wir tun auf jeden Fall jemandem weh“, beschrieb Preiser-Marian die Situation.

Mimi-Renno-Halle steht auf der Prioritätenliste ganz oben

Für Edmund Daniel war auch ein Kriterium, welche Halle nach der Flut saniert worden ist und welche nicht, weil davon auszugehen sei, dass bei einer dauerhaften Unterbringung von Menschen mit Schäden am Boden zu rechnen sei. Daniel merkte auch an, dass man noch Material benötige wie Betten und Wände, um Privatsphäre zu schaffen. Und auch der Brandschutz sei zu berücksichtigen.

Am Ende stand die Reihenfolge der Turnhallen fest: Zuerst sollten Geflüchtete in der Mimi-Renno-Halle, danach in der Mehrzweckhalle Arloff untergebracht werden. Und nur im absoluten Notfall soll auch die Heinz-Gerlach-Halle zur Verfügung stehen.