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Knapp 6 Monate nach der FlutEine beeindruckende Gemeinschaft in Iversheim

Lesezeit 6 Minuten
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Einige Häuser sind immer noch verschlammt, andere, wie an der Absperrung, wurden abgerissen.

Bad Münstereifel-Iversheim – Ein Rundgang mit Martin Finder und Wilfried Schumacher durch Iversheim kann dauern. Selbst an einem nicht ganz so schönen Tag kurz nach Weihnachten, wo sich nicht viele Leute vor die Tür wagen.

Mittlerweile kennen die Leute die Stadtverordneten

Immer wieder werden die beiden Stadtverordneten angesprochen – man grüßt sie, man schätzt sie. Und wenn man als Reporter eine Frage hat, die sie nicht direkt beantworten können, wissen sie, wer weiterhelfen könnte. „Wir gehen mal zu dem“ – und schon steht man mitten auf einem Hof und unterhält sich mit Wildfremden.

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Stadtverordnete: Wilfried Schumacher (l.) und Martin Finder.

Schumacher gibt aber zu: Vor einem halben Jahr war das noch anders. Damals kannte ihn und Martin Finder noch nicht jeder. Die beiden sind zwar politisch für Iversheim zuständig, wohnen aber in Eschweiler (Schumacher) und Kalkar (Finder). Doch die Nacht des 14. Juli hat alles verändert. Die beiden waren vor Ort Mitglied im „kleinen Krisenstab“, wie sie es nennen, als Vertretung für die Verwaltung, die mit der Gesamtschadensaufnahme und der Zerstörung in der Kernstadt inklusive des Rathauses genug zu tun hatte.

„Es fehlt immer irgendetwas“

Auch jetzt sind die beiden regelmäßig in Iversheim. Das liegt zum einen natürlich daran, dass sie, zusammen mit dem Iversheimer Peter Kolvenbach, eine Genossenschaft gründen wollen, um den „Eifeler Hof“ zu retten. Aber auch, weil ständig etwas anfällt, irgendjemand etwas braucht, Entscheidungen getroffen werden müssen. „Es fehlt immer irgendetwas“, sagt Finder. „Und es gibt immer irgendetwas zu koordinieren“, ergänzt Schumacher.

Iversheim gilt als der Ort im Münstereifeler Stadtgebiet, der von der Flutkatastrophe am schlimmsten getroffen wurde, auch wenn Finder und Schumacher das so nicht stehen lassen wollen. Allein aus Respekt vor den Schäden in der Kernstadt, in Eicherscheid und in Arloff.

Beim Rundgang fällt vor allen Dingen auf, dass einiges fehlt. Auf dem Kinderspielplatz an der Erft steht kein einziges Spielgerät mehr. Die wurden mittlerweile abgebaut, der Platz selbst wurde eingeebnet. Er soll aber wiederhergestellt werden. Spenden gibt es genug. Allein beim Dorfverschönerungsverein seien rund 300 000 Euro eingegangen, so Schumacher.

Einige Häuser sind unerwartet doch noch zu retten

Besonders auffällig ist die große Freifläche neben der Erftbrücke an der Euskirchener Straße. Dort stand einmal ein Haus, das von der Wucht des Wassers zerstört wurde und mittlerweile abgerissen werden musste. Das Haus sei so oft fotografiert worden, dass der Besitzer irgendwann per Schriftzug die Fotografen aufforderte, es nicht mehr abzulichten.

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Der Laurentius-Figur fehlt der Kopf.

Es ist nicht das einzige Gebäude im Ort, das nicht mehr steht. Finder und Schumacher wissen von rund zehn Häusern, die offenbar nicht mehr zu retten sind. Einige wurden bereits abgerissen, anderen sieht man bereits von außen an, dass sie nicht mehr standfest sind.

Nicht täuschen lassen darf man sich aber von den blauen „X“-Markierungen, die anzeigen, dass ein Haus unbewohnbar ist. Diese Symbole seien unmittelbar nach der Flut nach Ersteinschätzungen an die Wände gemalt wurden. Mittlerweile hätten Gutachter sich die Häuser angesehen, und einige seien doch noch zu retten.

Eine St. Laurentius Figur verlor den Kopf

Unweit der Erftbrücke an der Euskirchener Straße stand bis zum 14. Juli die Figur des St. Laurentius. Die Wassermassen haben sie gepackt und weggespült. Rund 50 Meter weiter wurde sie bei Aufräumarbeiten gefunden – allerdings fehlt der Kopf. Das Münstereifeler Unternehmen Natursteine Strunk wird sich der Heiligenfigur annehmen und sie restaurieren.

Auch mehr als fünf Monate nach der Katastrophe sind überall im Ort an den Hauswänden die mit Schlamm gezeichneten Marken zu sehen, die zeigen, wie hoch das Wasser stand. Teils sind das locker zwei Meter. Bei einem Haus an der Untersten Gasse stand das Wasser sogar bis ins Obergeschoss.

„Die Bewohner hatten sich in den ersten Stock gerettet und haben mir hinterher erzählt, dass sie sogar da nasse Füße bekommen haben“, sagt Schumacher. Selbst auf der Euskirchener Straße, unweit des Eifeler Hofes, stand das Wasser 1,47 Meter hoch, wie Eddy Bielen zeigt. Er hat auf seiner Regenrinne mit grünem Filzstift einen Strich gezogen, der langsam verblasst. In seinem Haus, das sogar ein wenig erhöht zum Straßenniveau liegt, ist das Wasser aber immer noch nicht verschwunden. Mit einem Spezialgerät trocknet er gerade den Estrich.

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1,47 Meter hoch stand das Wasser sogar im oberen Teil der Euskirchener Straße, wie Eddy Bielens verblassende Markierung zeigt.

Zerstörung, Müdigkeit und Hilfsbreitschaft

In Höhe der Pfarrkirche St. Laurentius treffen Finder und Schumacher auf Leni Wirtz. Die Iversheimerin wohnt direkt an der Erft, ihre Wohnung liegt aber etwas erhöht. Auch sie ist immer noch fassungslos über die Geschehnisse. „Man befindet sich in einem Traum und denkt, irgendwann muss man wach werden“, sagt sie, wenn sie an Iversheim denkt. „Irgendwann wird man so was von entsetzlich müde“, ergänzt sie, als es auf die Arbeiten in Iversheim zu sprechen kommt.

Wenige Meter weiter, am Friedhof, werden Martin Finder und Wilfried Schumacher von einer Touristin angesprochen. „Ist der Friedhof etwa verschont geblieben?“, will sie wissen. Beeindruckt hört sie dann, dass die umgestürzten Grabsteine von Helfern wieder aufgestellt wurden. Eine Seite der Friedhofsmauer fehlt noch und wird durch einen Bauzaun ersetzt. Auch die Fußgängerbrücke über die Erft in Höhe des Kindergartens ist verschwunden. „Es gab in Münster sogar ein Benefizkonzert, damit eine neue Brücke finanziert werden kann“, berichtet Martin Finder.

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Die Hilfsbereitschaft, die Solidarität von außen, aber auch auch der Zusammenhalt im Dorf begeistern Finder immer noch. Als er dabei war, einen Keller auszuräumen, standen plötzlich 20 Leute da und packten mit an. Der Andrang war stellenweise so groß, dass man Helfer wegschicken musste, weil der Ort aus allen Nähten platzte. „Wir hatten einen Gärtner aus Petershagen hier, der zwei Wochen lang geschuftet hat“, nennt Schumacher nur ein Beispiel für die bundesweite Solidarität.

Die Dorfgemeinschaft ist noch stärker geworden

Finder kommt auf die Gemeinschaft im Dorf zu sprechen. „Die war in Iversheim schon immer stark. Aber jetzt ist noch was dazugekommen. Das müssen wir weiter fördern“, findet er. Natürlich wolle man auch im Juli oder August 2022 ein Gedenkfest feiern, am liebsten mit vielen Helfern.

Einen Termin hat man aber noch nicht, weil auch Bad Münstereifel eine solche Feier geplant hat und man sich abstimmen muss. Für Finder ist aber klar: Einige der Helfer hätten Verdienstmedaillen verdient, zumindest aber einen Eintrag im Goldenen Buch der Stadt. „Dann wäre das allerdings schnell voll“, scherzt er.

Ein Jahreswechsel ist aber auch eine Zeit, um an die Zukunft zu denken. Das macht man natürlich auch in Iversheim. Und wie überall will man nicht einfach nur den Status quo wieder herstellen, sondern auch Dinge anpacken, die ohne die Flut vermutlich länger gedauert hätten und nie zur Sprache gekommen wären.

Die Neugestaltung hängt auch von der Bürokratie ab

So soll, wie auch mitten in der Kernstadt, eine Freitreppe entstehen, und zwar gegenüber vom Friedhof. Die Erft, die so viel Leid gebracht hat, wird somit erlebbar gemacht. Auch vier bis fünf Straßen müssen wieder hergerichtet werden. Wenn man die Schlaglöcher etwa in der Straße Auf dem Waasem sieht, wird das verständlich. Die Euskirchener Straße könnte inklusive des Parkkonzeptes auch neu gestaltet werden. Und die Erftmauer muss an einigen Stellen aufgebaut werden.

Ob das alles 2022 passieren wird, ist fraglich. Zu viel hängt auch von der Bürokratie ab. Aber eins ist klar: Die Iversheimer werden ihr Bestes geben.