Euskirchen-Roitzheim – Ernst-Georg Raaf, Küster der St.-Stephanus-Kirche, hält eine kleine Jesusfigur in seiner Hand. Eine Mullbinde symbolisiert die Windeln, die im Weihnachtsbericht erwähnt werden. Die Figur ist das Einzige, was vom ehemaligen Krippenbestand übrig geblieben ist. Alle anderen Figuren und sonstigen Bestandteile der Krippe hat das Hochwasser im Sommer zerstört.
Doch diese Not führte zu einer einzigartigen Solidaritätsaktion im Seelsorgebereich Erftmühlenbach. Von mehreren Stellen wurden Krippen als Leihgabe angeboten. Weil sich niemand von St. Stephanus für eine einzige entscheiden wollte, stehen nun vier Krippen in der Kirche und zeugen von gelebter Gemeinschaft.
Jahrelange Arbeit zerstört
„Als im Sommer die beiden Herren, die unsere Roitzheimer Krippe in jahrelanger, liebevoller Arbeit aufgebaut und gepflegt haben, in den überfluteten Keller kamen, standen ihnen die Tränen in den Augen. Die Krippe war vollständig zerstört“, erinnert sich Dorothea Meyer. Sie ist für das Organisatorische ihrer Gemeinde zuständig. Zusammen mit ihrem Sohn Simon berichtet sie von den Folgen der Katastrophe, die auch in der Roitzheimer Gemeinde gewütet hat. Die Heizung der Kirche funktioniert bis heute nicht. Gleichzeitig erzählen die beiden von einer ganz besonderen Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe in dieser Zeit. Die Krippenleihgaben sind ein weiterer Höhepunkt dieser Erfahrungen am Ende des Jahres.
Noch am Heiligen Abend legte Thomas Müller letzte Hand bei der Kirchheimer Leihkrippe an. Er ist Kirchenmusiker im Seelsorgebereich und froh, dass Teile der Kirchheimer Krippe hier zur Hilfe werden können. Die großen Figuren füllen den ganzen Stall aus. Stolz erklärt Müller: „In dieser Krippe ist Holz aus der Zeit Karls des Großen verbaut. Eigentlich ist das nur der Viehstall unserer Krippe. Darum wirken die Figuren so groß. In Kirchheim haben wir in diesem Jahr mehr Landschaft aufgebaut, darum konnten wir den Stall Roitzheim überlassen.“
Schweinheimer Zweitkrippe wandert nach Roitzheim
Eine andere Krippe stammt von Schwester M. Josefia Ingenbleck, der Franziskanerin und letzten Bewohnerin des Konvents in Kuchenheim. Sie hat darauf verzichtet, in ihrer Kapelle die traditionelle Krippe aufzustellen und sie an St. Stephanus gegeben. Auch die Schweinheimer haben ihre heilige Familie umziehen lassen. Selbst schwer gebeutelt von der Flut, haben sie ihre Zweitkrippe in diesem Jahr nicht aufgebaut. Darum wanderten Maria und Josef von Schweinheim nach Roitzheim, wie einst von Nazareth nach Bethlehem.
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Eine vierte und besondere Krippe steht auf dem Altar. „Das ist unsere Flut- und Coronakrippe“, berichtet Dorothea Meyer. „Die beiden Steine, die den Stall bilden, waren, so wie sie da stehen, vor ein Haus gespült worden und haben zu dieser Krippe inspiriert. Der Steinweg zur Krippe zeigt das angeschwemmte Geröll und das Stroh steht für die Strohmassen, die nach dem Hochwasser überall im Ort und an den Bäumen herumhingen.“ Simon Meyer zeigt noch auf den Engel über der Krippe, der wie die übrige Krippe aus Überresten der Flut gefertigt wurde.
Mundschutz in Krippe intergriert
Die Figuren gehören Helmi Dreifke, die früher im Kirchenvorstand war. Ihre Krippenfiguren waren vom Hochwasser unbeschadet geblieben, weil sie nicht im Keller gelagert waren. Jetzt schmücken sie auf ungewöhnliche Art die Krippe. Das Jesuskind ist auf einem medizinischen Mundschutz gebettet. Simon Meyer findet das passend: „Nach dem Hochwasser lagen überall diese Masken auf dem Boden. Darum haben wir sie in unsere Krippe integriert.“ So erinnert die diesjährige Weihnachtsdekoration in St. Stephan detailreich an die großen Jahresereignisse Corona, Flut und Hilfsbereitschaft.
Wer sich die Krippen anschauen möchte, kann das jeweils eine halbe Stunde vor den Gottesdiensten mittwochs um 18 Uhr und samstags um 17 Uhr tun.