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„Wir kämpfen um jedes Bett“Wohnraum für Geflüchtete wird in Dahlem knapp

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Dahlem Geflüchtetenunterkunft

Die Gemeinschaftsunterkunft in Dahlem ist längst belegt.

Dahlem – Auch in der kleinsten Kommune im Kreis sind die Nöte groß: Die Gemeinde Dahlem hat derzeit 112 geflüchtet Menschen aus 14 Staaten untergebracht. 37 sind vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet, ihre Zahl steigt deutlich an. Aber auch die der Asylbewerber aus Syrien, Irak oder Afghanistan. Was tun, wenn alle Kapazitäten an Wohnraum oder Kita-Plätzen längst belegt sind? Im Rathaus in Schmidtheim sagt man sich nur: Es trotzdem versuchen.

Bürgermeister Jan Lembach wirkt angefasst: „Ich habe einfach das Gefühl, dass wir von einer Krise in die nächste taumeln. Erst Corona, dann die Flut, jetzt die Ukraine-Flüchtlinge.“ Und immer hat man hier wie in anderen Kommunalverwaltungen geholfen, nicht auf die offizielle Wochenarbeitszeit geschaut und viel Idealismus mitgebracht. Seit 2015 geht das eigentlich ununterbrochen so.

Den Geflüchteten wird eine warme Wohnung zur Verfügung gestellt oder ein Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft, die Kinder finden Platz in Kita oder Grundschule. Vor allem steht das Helfer-Team bereit bei Behördenwegen, bei Fahrten zum Arzt oder zum Jobcenter. Ruftaxi, Bus oder Schienenersatzverkehr? Das ist nicht immer möglich.

Wohnungen für Geflüchtete herbeitelefoniert

Es sind vielfältige Aufgaben, doch dafür steht in der Verwaltung umgerechnet nur ein Betreuungsschlüssel von 1 zu 50 zur Verfügung, so Lembach – wünschenswert wäre 1 zu 20. Er selbst, Peter Müller, Abteilungsleiter Soziales, zwei weitere Vollzeit-Mitarbeiter und zwei Teilzeitkräfte sollen sich um die Flüchtlinge kümmern. Sie haben aber auch andere Aufgaben.

Ein Dauerthema ist dabei die Wohnraumfrage. Im Gemeindeblatt wurde der Aufruf veröffentlicht, dass sich Vermieter melden sollten, Lembach fand drastische Worte in der Gemeinderatsitzung – und dann hatten die Dahlemer einfach Glück. „Wir haben in den ersten drei Tagen dieser Woche eigentlich nichts anderes getan, als alle unsere Kontakte anzutelefonieren“, so Lembach.

Unklar, wie viele Geflüchtete noch kommen

Am Ende konnten so 20 neue Mietverträge für bis zu 40 Geflüchtete mit Privatpersonen geschlossen werden. Aus deren Sicht ist die Gemeinde ein solventer Partner. Doch wer weiß schon, wie viele noch kommen? Eine Zuweisungsmitteilung erhält die Gemeinde erste eine Woche vor dem Zuzug.

Ob die 20 neuen Mietverträge in der 4300-Einwohner-Gemeinde bis zum Jahreswechsel reichen, ist unklar. Müller und Lembach bringen die Zahl von 150 Flüchtlingen bis dahin ins Spiel. Eine Schätzung. Lembach blickt auch auf den Verteilungsschlüssel für Dahlem von einem Geflüchteten je 37 Einwohner – das Zweieinhalbfache dessen, was für Köln gilt.

Ärger über Bezirksregierung

Im Kreis sind nach Angaben der Kreisverwaltung derzeit 2705 Flüchtlinge untergebracht, für die 1745 kommunale Plätze zur Verfügung stehen. 1285 haben eine private Unterkunft, das sind 47,5 Prozent. Ohne private Vermieter geht es also nicht.

Da ärgert Lembach die Entscheidung der Bezirksregierung, die als „Puffer“ gedachte leerstehende Eifelhöhen-Klink in Marmagen nicht über die Interkommunale Zusammenarbeit als Gemeinschaftsunterkunft für die Südkreis-Kommunen zur Verfügung zu stellen: „Wir haben eine akute Notlage. Wir kämpfen hier um jedes Bett. Das tun die anderen Kommunen auch. Und da stehen hunderte Betten leer. Das kann man nicht mehr verstehen!“

Zur Not müssen Geflüchtete in Turnhalle

Wenn alle Kapazitäten nicht mehr ausreichen, dann hätte die Gemeinde Dahlem nur noch die Option, die Turnhalle der Grundschule zweckzuentfremden. Die 25 Wohnplätze im alten Flügel der Grundschule, der 2015 zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut wurde, sind längst belegt.

Auch aus diesem Grund haben die Kommunen und die Kreisverwaltung am 23. September eine Art Brandbrief an das zuständige Landesministerium, die Bezirksregierung, den Städte- und Gemeindebund sowie die CDU-Landtagsabgeordneten Klaus Voussem und Dr. Ralf Nolten geschrieben. Tenor: So geht es nicht weiter. Es fehlt der Wohnraum, es fehlt das Betreuungspersonal, es fehlt das Geld.

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„Nehmen wir mal die persönliche Betreuung“, greift Bürgermeister Jan Lembach den Ball auf. Das sei doch neben dem Wohnraum das Wichtigste: Psychologische oder psychosoziale Hilfe für die, die Schreckliches in ihrer Heimat erlebt haben: „Qualifizierte Kräfte dafür fehlen bei uns wie anderswo.“ Oder die Kosten, die sich für dieses Jahr schon auf mehrere hunderttausend Euro summieren – „30 Prozent mehr als im vergangenen Jahr“, so Peter Müller.