Geoforscher haben bewiesen, dass es unter dem Laacher See in der Eifel ordentlich rumort.
Größtes Experiment DeutschlandsDie Vulkane in der Eifel sind nicht erloschen, sie schlafen bloß
Still ruht der See? Von wegen! Die Ruhe täuscht – egal, ob am Laacher See oder dem Ulmener Maar. Zwar mag es auf den ersten Blick still zugehen, aber bei genauerem Hinsehen sind an der Gelenberger Mofette in der Nähe von Kelberg, nur wenige Kilometer vom Nürburgring entfernt, Bläschen an der Wasseroberfläche zu erkennen. „Das ist der Atem der Vulkane“, sagt Geologin Sabine Kummer. Eine Mofette ist der Austrittspunkt von Kohlenstoffdioxid aus dem Untergrund. Und durch Vulkanismus trete Gas aus und wandere durch die verschiedensten Erdschichten an die Oberfläche, erklärt die Expertin.
Solche Mofetten gibt es an vielen Orten in der Vulkaneifel. Die Bläschen seien ein Beweis für aktiven Vulkanismus. Die Vulkane in der Eifel seien nämlich alles andere als erloschen, sagt Kummer. Sie seien sogar aktiver als die Wissenschaft lange glaubte. Und die Experten haben Beweise – in Form von kleinen, dünnen Strichen auf Papier. Aufgezeichnet von Seismographen im Rahmen des größten seismologischen Experimentes, das es in Deutschland bisher gegeben hat. Im Herbst 2022 haben Forscher des Deutschen Geoforschungszentrums Potsdam in der Vulkaneifel 350 Messstationen aufgestellt. Alle paar Kilometer steht ein Seismometer, der sogar ganz leichte Erschütterungen der Erde misst. Schwache Erdbeben, die 2013 zum ersten Mal erfasst wurden.
Vulkanische Aktivität soll gemessen werden
„Von diesen Beben bekommt niemand etwas mit, sie spielen sich in mehr als 40 Kilometern Tiefe ab und können nur von solchen empfindlichen Geräten aufgezeichnet werden“, sagt Professor Torsten Dahm, Sektionsleiter für Erdbeben- und Vulkanphysik in Potsdam: „Wir wollen mit diesem in Deutschland einzigartigen Experiment tief unter die Erdoberfläche blicken und herausfinden, wie der Untergrund beschaffen ist und was dort passiert, also die Dynamik beobachten. Vor allem geht es um vulkanische Aktivitäten.“
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In der Wissenschaft spreche man ab einer Ruhephase von 10.000 Jahren von erloschenem Vulkanismus, so Dahm: „Wir würden die Eifel-Vulkane allerdings eher als langzeitschlafend bezeichnen. Denn die gut 10.000 Jahre Ruhe sind sehr kurz, wenn man bedenkt, dass es dort seit rund 60 Millionen Jahren Vulkanismus gibt.“ Dabei müssten die Forscher aus Potsdam eigentlich nur aus der Instituttür gehen, um etwas aus der Eifel zu finden. „Wenn man in Moorgebieten rund um Potsdam Proben aus dem Boden heraussticht, findet man in einigen Metern Tiefe eine etwa daumendicke helle Schicht, den Laacher-See-Tuff, der dort vor gut zehntausend Jahren abgelagert wurde. Reste des Laacher-See-Tuffs wurden sogar in Südschweden gefunden und in Norditalien“, so Dahm.
Doch man muss gar nicht tief oder auch nur wenige Zentimeter ins Erdreich bohren, um gedanklich in ein Land vor unserer Zeit einzutauchen. Und es müssen auch keine Bläschen sein, die an einer Wasseroberfläche sichtbar werden. Mitten in einer Wiese bei Daun entspringt beispielsweise ein rötliches Rinnsal. Es ist der sogenannte Kolverather Drees, eine Mineralquelle wie sie in der Vulkaneifel fast jeder Ort hat. „Die rote Farbe kommt vom Eisen und anderen Mineralien, die das Wasser aus dem Erdinneren herausgelöst hat und mit sich führt“, sagt Expertin Kummer. Auch Kohlensäure ist schon drin, praktisch für regionale Sprudelhersteller, die das Wasser abschöpfen und vermarkten. Die Firmen machen sich den aktiven Vulkanismus also zunutze.
Ausschlagende Seismographen hier, Bläschen im Wasser da, Mineralquellen praktisch überall – alles nur eine Frage der Zeit, bis die Vulkane in der Eifel aufwachen und ausbrechen? Wann es soweit ist und wie hoch das Risiko ist, sei allerdings unklar, sagt Professor Torsten Dahm, und hänge auch vom Vulkantyp ab. Kollegin Sabine Kummer ergänzt: „Wenn sich der Vulkanismus sich hier vor Ort deutlich aktiver zeigen würde, würden wir das mitbekommen.“ Schließlich zeichnet die Wissenschaft Kummer zufolge alles permanent auf.
Über Nacht ist kein Vulkanausbruch zu erwarten
Es bestehe überhaupt kein Grund zur Panik, sagt Kummer fast gebetsmühlenartig. „Kein Vulkan wird über Nacht überraschend ausbrechen. Und es deutet nichts darauf hin, dass sich das ändert“, sagt die Geologin, die für Menschen, die das Weltgeschehen in eine Zeit vor Corona und nach Corona teilen, mit einer interessanten Zeitrechnung aufwartet. Das Ulmener Maar – vor 10.900 Jahren hat sich dort ein explosives Gemisch aus Magma, Wasser und Gas gebildet. Dann brach ein Vulkan aus. Knapp 11.000 Jahre – für Kummer ist das erdgeschichtlich gesehen ein Wimpernschlag.
Und dann gibt es noch ein für die Wissenschaftler weiter entferntes „damals“. Packt man nämlich noch einmal 2000 Jahre drauf, wäre man Zeuge des Ausbruchs eines Supervulkans geworden, der halb Mitteleuropa unter Asche und Lavabrocken begrub. Die explosive Eruption des Laacher-See-Vulkans schleuderte rund 20 Kubikkilometer Material aus und blockierte zeitweise den Rhein. Seither ruhen die rund 800 Vulkane der West- und Osteifel – größere Eruptionen hat es nicht mehr gegeben.
Experten gehen davon aus, dass die Stärke des Ausbruchs vor 13.006 Jahren etwa mit der Eruption des Pinatubo 1991 vergleichbar ist. Obwohl das Ereignis offensichtlich sehr massiv war, ist es bisher nicht gelungen, die Magmakammer dieses Vulkans mit seismischen Verfahren abzubilden und zu untersuchen. Auch da soll das Experiment des Geoforschungszentrums helfen. Denkbar sei auch, dass es mehrere Magmenkammern gegeben hat – und theoretisch immer noch gibt.
Die Experten schauen nicht nur in der Tiefe ganz genau hin. Sie haben auch aus großer Höhe bemerkt, dass sich etwas tut in der Vulkaneifel. Auch das deutet auf ein lebendiges, wenn auch schlafendes Erdreich hin. So haben Forscher mit hochpräzisen globalen Navigationssatelliten-Messungen nachgewiesen, dass sich das Rheinische Schiefergebirge, zu dem auch die Eifel gehört, hebt. Aus der Hohen Acht am Nürburgring wird also bald die Hohe Neun? „Nein“, sagt Kummer schmunzelnd. Aus zweierlei Gründen werde das nicht der Fall sein. Die „Hebeeffekt“ sei sehr sehr gering. Zum anderen sei die Hohe Acht ein anderes Vulkanfeld. Sie gehöre zum Hocheifel-Vulkanfeld, das deutlich älter sei als das, was gerade wissenschaftlich im Fokus stehe. Die Hohe-Acht-Vulkane stammen der Expertin zufolge aus der Tertiärzeit, die schon viele Millionen Jahre zurückliegt. Das ist also wirklich „damals“. „Da können wir nicht eindeutig sagen, dass das Vulkanfeld aktiv ist“, so Kummer.
Das Expertiment
Um mehr Klarheit über die Vorgänge unter der Eifel zu schaffen, haben nun Vulkanologen unter Federführung des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) eine großangelegte Untersuchung gestartet. Das „Large-N-Experiment“ durchleuchtet den Untergrund der Eifel genauer als zuvor. Dies könnte klären, was sich in der Erdkruste bewegt. Für die große Messkampagne sind zurzeit Mitarbeitende der Universitäten Kiel, Mainz, Frankfurt und Köln, des GFZ sowie des Landeserdbebendienstes Rheinland-Pfalz gemeinsam in der Eifel im Einsatz. Sie haben rund 350 Geofone aufgestellt – sensible Messinstrumente, die quasi in den Untergrund hineinhorchen und selbst schwache seismische Erschütterungen aufzeichnen.
Auch wenn in der Vulkaneifel keine Vulkane über Nacht und schon mal gar nicht ohne Vorwarnung ausbrechen können – in dem Bereich gibt es Maare und Schlackenkegel. Im Ernstfall könne das eine Frage von Wochen sein, bis das Magma an die Oberfläche komme. Passieren könne das den Experten zufolge fast überall in der Vulkaneifel, die sich kilometerweit von Ormont bei Belgien bis nach Bad-Bertrich, nahe der Mosel, erstreckt. Und auch Kummer sagt: „Viele Berge hier sind eigentlich Schlackenkegel. Viele Täler sind trockene Maare." Die ganze Landschaft bestehe im Grunde genommen aus Vulkanen, rund 350 sind es an der Zahl.