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Besuch beim höchsten Kaltwassergeysir der Welt

Lesezeit 4 Minuten

Andernach – − Rheinkilometer 613 - hier beginnt der Ausflug zum höchsten Kaltwassergeysir der Welt. Wobei dieser Superlativ noch einer Erklärung bedarf, doch dazu später mehr. An Rheinkilometer 613 beginnt auch die Trockenübung:

Hier befindet sich das Geysir-Zentrum mit jeder Menge Theorie zum Vulkanismus in der Eifel, mit Installationen und Dioramen schillernd aufbereitet.

Das C02, das die Fontäne auf Rheinhalbinsel Namedyer Werth antreibt, stammt aus den riesigen Magmakammern des Laacher-See-Vulkans, so lernt man. Der brach zuletzt vor 12.900 Jahren aus und verwandelte weite Gebiete mit verheerenden Glutlawinen und gigantischen Ascheströmen in eine Mondlandschaft.

Das Innere der Erde ist noch nicht zur Ruhe gekommen

„Heute zeigt uns das CO2 wie andernorts die heißen Quellen, dass das Innere der Erde noch nicht zur Ruhe gekommen ist”, erklärt Ralf Schunk, wissenschaftlicher Leiter des Geysir-Zentrums. Doch keine Sorge vor einem Vulkanausbruch: „Bis die Magmakammern sich wieder gefüllt haben, können noch gut mehrere tausend Jahre vergehen”, beruhigt der Diplom-Geograph.

Bis dato hat man jedenfalls den Kaltwassergeysir voll im Griff. In Andernach treibt das Kohlendioxid das Grundwasser zwar aus bis zu rund 350 Metern Tiefe explosionsartig 60 Meter über die Erde. Doch was sich hier bei Rheinkilometer 615 präsentiert, ist kein ganz und gar naturgemachtes Spektakel. Man kann die Fontäne gewissermaßen an- und abschalten. Ein Schieber vorgeschoben, und es herrscht Ruhe - zumindest oberflächlich.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte man auf der Rheinhalbinsel Vorkommen von CO2 entdeckt. In den Gewässern nahe der Halbinsel blubberten die Mofetten genannten C02-Bläschen sichtbar hoch. Noch heute steigen in der Eifel und im Rheintal vulkanische Gase an die Oberfläche, vor allem dort, wo das Mittelrheintal die Osteifel begrenzt.

Industrielle Förderung von Kohlensäure

Auf der Suche nach Mineralwasser bohrte der Mensch auf dem Namedyer Werth die Erde 1903 erstmals an und erweckte damit den Geysir zum Leben. Vor Ort wurde Mineral- und Heilwasser sowie Kohlensäure industriell gefördert.

Doch die CO2-Gewinnung lohnte nicht lange. Der Brunnen wurde geschlossen. Bis etwa ein Jahrhundert später erneut gebohrt wurde. Diesmal für den Tourismus. Seit 2006 zischt der „höchste Kaltwassergeysir der Welt” wieder in die Höhe, im Zweistundentakt 12 bis 15 Minuten lang. Höhe und Seltenheit haben der urgewaltigen Fontäne am Ufer des Mittelrheins 2008 sogar einen Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde eingebracht. Dabei gibt es weltweit durchaus höhere Fontänen.

So schleudert der Giant Geysir im Yellowstone-Nationalpark die Wassermassen 83 Meter in die Höhe. Doch die Springquelle in Wyoming zischt nur selten aus der Erde und ist wie alle anderen etwa tausend Geysire rund um den Erdball durch Magma verdampftes heißes Wasser. In Andernach aber drückt CO2 nach oben, und das Grundwasser ist allenfalls leicht temperiert.

Im Winter hat der Geysir Pause

„Den Takt bestimmt das Gas-Wasser-Gemisch, das sich immer wieder neu in der Erde bildet„, erläutert Schunk. „Übersteigt sein Druck das Gewicht des mit Wasser gefüllten Bohrbrunnens, löst sich das Gas. Es steigt im Brunnenrohr nach oben, schiebt das dortige Wasser vor sich her − und der Geysir spuckt wieder”. Nur nachts, bei Hochwasser und im Winter schiebt der Mensch dem Ausbruch den Riegel vor.

Doch ist die Fontäne aktiv, werden Besucher Zeuge eines Naturspektakels, wie man es oft nur exotischeren Reisezielen zuschreibt. Mit dem Dampfer „Namedy” geht es vom Anleger am Museum zum Ortsbesuch. Eine Viertelstunde dauert die Überfahrt zur Geysir-Halbinsel.

Nach einem Fußmarsch von 200 Metern, der an seltenen Schwarzpappeln vorbei führt, erreichen die Gäste die mit Basaltsteinen verkleidete Ausbruchstelle. Das eisenhaltige Wasser hat die Steine rostrot überzogen. Die Rekordfontäne baut sich zaghaft auf und entwickelt sich zum mächtig zischenden Geysir und ebbt zum CO2-Geblubber ab.

Was Andernach heute für Besucher bietet, ist ein langwierig ausgehandelter Kompromiss zwischen Naturschutz und Tourismus: Seit Mitte der Achtziger ist der Namedyer Werth mit seinem 21 Hektar großen Auenwald als Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten ein Naturschutzgebiet. Die Anzahl der zugelassenen Fahrgäste auf dem Schiff reguliert die Besucherzahl für das Naturschauspiel, damit der urwüchsige Wald erhalten bleiben kann.

© dpa-infocom, dpa:220302-99-354367/5 (dpa/tmn)