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Mit Vollgas Raser stoppenPolizei kontolliert in der Eifel mit Video-Motorrädern

Lesezeit 6 Minuten

Mit dem Provida-Video-Motorrad jagen Volker Heinen und Richard Krüger im Team zu schnelle und zu laute Biker.

  1. Provida-Video- Motorräder sind die neue Geheimwaffe im Kampf gegen rasende und zu laute Motorradfahrer.
  2. In Acht nehmen sollten sich Temposünder am Wochenende auf den beliebten Strecken von Heimbach nach Mariawald und der Panoramastraße.
  3. Aber worauf achten die Beamten besonders und welche Nationalität ist am gefährlichsten?

Heimbach-Mariawald – Es ist kurz vor 12.30 Uhr, als Volker Heinen auf den Parkplatz an der Abtei Mariawald rollt. Vor ihm fährt der erste Verkehrssünder des Tages. Vorher mache es keinen Sinn zu kontrollieren, meint der erfahrene Polizist. Er kennt seine Kundschaft. Ab 11 Uhr rollt der Anreiseverkehr zum Nürburgring an.

Videobeweis

Provida ist die Abkürzung für „Proof Video Data System“, eine Beweissicherung von Verkehrsverstößen auf Video.

35 derartige Bikes sind laut Polizei-Sprecherin Melanie Arenz derzeit in NRW im Einsatz, eines davon auch im Kreis Euskirchen. Der Kreis Düren hat zurzeit zwei Maschinen zur Verfügung, da der Provida-Fahrer der Städteregion Aachen erkrankt ist und das Fahrzeug in den Nachbarkreis ausgeliehen wurde. (sev)

Heinen ist verantwortlich für die Geheimwaffe der Polizei-Direktion Düren im Kampf gegen rasende und zu laute Motorradfahrer. Er fährt ein Provida-Motorrad, eine BMW 1200 R, in die eine komplette Videoausrüstung eingebaut ist. Mit seinem Kollegen Reinhard Krüger, der ein normales Polizeimotorrad fährt, jagt er am Wochenende auf den beliebten Motorradstrecken von Heimbach nach Mariawald und der Panoramastraße die Temposünder.

Ab zehn Stundenkilometer wird es interessant

„Wer zehn Kilometer zu schnell ist, interessiert uns nicht“, sagt Heinen: „Wir haben anderes zu tun.“ Er suche nicht den Schnupfen, er suche den Krebs. „Das ist nicht Polizei, das ist Provida“, beschreibt er seinen Ansatz, der auch viel mit Verkehrserziehung zu tun hat. Wie beim Niederländer, den er sich mit sicherem Blick ausgeguckt hat. 87 km/h ist der auf der mehrfach auf Tempo 50 beschränkten Strecke gefahren, hat dreimal im Überholverbot Autofahrer passiert. Den letzten im Angesicht Krügers, der auf der Straße steht und ihn auf den Parkplatz lotst.

Die Geschwindigkeit wird per Video aufgezeichnet.

Auch das ist noch nichts, was bei Heinen den Puls in die Höhe treibt, da ist er ganz anderes gewohnt. Er habe überhaupt keine Schilder gesehen, sagt der Motorradfahrer, der sich mit Heinen das Video auf dem in das Provida-Motorrad integrierten Bildschirm anschaut. Acht Stück stehen dort, alle 400 Meter eins. „Ich dachte, wenn die Linie unterbrochen ist, darf man überholen“, so der 61-jährige Fahrer. Er sei die Vorhut für eine Gruppe von 23 Motorrädern, die bis Montag in der Eifel unterwegs sein wolle, erzählt er.

Holländer als besonders große Gefährder

„Das ist typisch“, sagt Heinen. Viele Fahrer aus Holland würden nur die Kurven sehen und Gas geben. Die Schilder würden sie gar nicht wahrnehmen. 70 Euro zahlt der Niederländer. „So viel, wie einmal Falschparken bei euch“, ruft Heinen ihm zu, dann fährt er wieder nach Heimbach.

Die Verwaltungsarbeit übernimmt Krüger. „Ich bin der gute Cop und er der böse“, hat Heinen lachend die Rollenverteilung des Duos beschrieben. Eigentlich schreibt Krüger die Anzeigen und ist als Spezialist für die Motorradtechnik der, der die Maschinen im Detail unter die Lupe nimmt. So ist seine Maschine mit Winkelmesser, Lärmmessgerät und vielem mehr vollgestopft. Während er genau auf bauliche Veränderungen achtet, bezieht Heinen wieder seinen Ansitzposten. „Ich kann das Provida nicht fahren, ich denke zu viel“, gibt er offen zu.

Spezialtraining für Video-Motorräder

Heinen geht an die Grenzen dessen, was physikalisch möglich ist. Seine Maschine ist jedoch nicht wirklich auf die Akrobatik ausgelegt, die ihr abverlangt wird. Ab Werk empfehle BMW eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h, so Heinen schmunzelnd. „Mittlerweile ist bei 160 Stundenkilometern Schluss“ sagt der 60-Jährige. Allerdings: Seit er Enkel habe, fange auch er beim Fahren an zu denken. Welche Schräglagen erreicht werden, ist den Reifen anzusehen, die bis an die Kanten abgefahren sind. Die Nippel der Fußrasten sind vom Asphalt abgeschliffen.

Die Lautstärke der Maschinen wird vor Ort kontrolliert.

Seit zwölf Jahren ist er mit Video-Motorrädern unterwegs. Dafür musste er ein Spezialtraining absolvieren – inklusive Renntraining. „Du musst nach links lenken und dich nach rechts fallen lassen“, beschreibt er, wie er Rechtskurven in Extremgeschwindigkeit meistert. Heinen kommt es nicht aufs Knöllchenschreiben an. Er will die Straßen sicherer machen. Einige Leute verstehen, was ihnen gesagt werde. Andere seien blöd, die müssten zahlen. Oder schlimmer: Sie kommen auf die Liste. Darauf notiert Heinen Kunden, die richtig Ärger machen: „Die kommen nicht wieder, denn ansonsten müssen die zur MPU, zum Idiotentest.“

Situation zu 80 Prozent im Griff

Mit deutlichen Worten erreicht Heinen die Fahrer. „Du fällst hier nicht mehr auf“, pflegt er den schlimmsten Rasern einzuschärfen – und die Ansprache gelingt: „Ich behaupte, wir haben die Situation auf der Panoramastraße zu 80 Prozent im Griff.“ Das liege an der Toleranz, die sie an den Tag legten. Er müsse an die Leute herankommen.

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Es ist nicht zu übersehen, das Heinen ein Überzeugungstäter ist. „Der lebt das mit Haut und Haaren“, sagt Melanie Arenz, Pressesprecherin der Polizei Düren. Er sei authentisch, arbeite an der Zielgruppe. Mit seinem Kommunikationstalent ist Heinen auch ein gern gesehener Gast in Fernsehreportagen.

Kein „böser Cop“

Wenige Minuten später landet Heinen wieder einen Treffer. Zwei Heimbacher Motorradfahrer sind mit ihren neuen Maschinen in Richtung Nürburgring unterwegs. Doch mit Adleraugen hat Heinen ein zu flaches Nummernschild erspäht. Als Krüger nachmisst, bestätigt sich der Verdacht: 52 Grad Neigung statt der erlaubten 30 Grad. Eine Strafanzeige ist die Folge. „Die Nummernschild-Halterung hat der Händler draufgebaut, als meine Freundin die Maschine vergangene Woche gekauft hat“, sagt Torsten Lilla fassungslos.

Die im falschen Winkel angebrachte Kennzeichen-Halterung ist den Polizisten gleich aufgefallen.

Er sei Autoverkäufer: „Ich kann doch nicht einem Kunden ein illegales Teil verkaufen.“ Doch auch auf ihn wartet noch eine unangenehme Erkenntnis. Krüger sieht, dass die Maschine keinen Rückstrahler hat: „Das ist ein erheblicher Mangel. Der Rückstrahler ist das einzige, was Sie rettet, wenn die Beleuchtung ausfällt.“ Lilla kann es nicht glauben: „Dabei hat die Maschine letzte Woche frisch TÜV bekommen.“ Krüger, doch nicht so ein „böser Cop“, belässt es bei einer Verwarnung. Die Biker machen sich auf den Weg, den Händler zur Rede stellen, wie sie ankündigen.

Wunsch nach europäisch einheitlichem Recht

Triumphierend geleitet Heinen die nächsten beiden Motorradfahrer auf den Parkplatz. Sie waren nicht nur zu schnell. Eine Ducati klingt deutlich zu laut. „Da haben Sie den DB-Eater ausgebaut“, sagt Heinen zum Fahrer. Der tut so, als hätte er noch nie von dem Begriff gehört. Doch Krüger mahnt zur Vorsicht. Er sucht nach dem Typenschild, das eine Überraschung offenbart.

„Die Maschine ist mit 102 DB eingetragen“, ruft er, als er es endlich gefunden hat. Heinen kann es nicht fassen. Frustriert kassiert er die Strafe für das zu schnelle Fahren, die die Niederländer anstandslos akzeptieren. „Das ist das Problem, da stehen wir auf dem Schlauch“, macht er sich Luft. Sie hätten gerne ein europäisch einheitliches Recht, denn es sei nicht einfach, für Gerechtigkeit zu sorgen, wenn das Gesetz in den Nachbarländern derartige Geräuschpegel zulasse. Auch deshalb sei die Initiative „Silent Rider“ der Eifelgemeinden der richtige Ansatz, die europaweit einheitliche Lärmgrenzwerte fordert.