Emilia Thönneßen aus Euskirchen-Kirchheim spielt beim SC Andernach in der B-Juniorinnen-Bundesliga und trägt den Spitznamen „Die Axt“.
Interview mit Emilia Thönneßen„Früher hatten alle Jungs vor mir Angst“
Shoppen, Netflix, Chillen. Freizeitaktivitäten, denen Teenager heutzutage nachgehen. Nicht so Emilia Thönneßen. In der Woche bleibt der Kirchheimerin zwischen Schulbank und Fußballplatz nicht mehr viel Zeit. Am Wochenende, wenn Meisterschaftsspiele auf dem Programm stehen, sowieso nicht. Der Alltag der 16-jährigen Gesamtschülerin ist minutiös durchgetaktet.
Seit dieser Saison steht die talentierte Defensivstrategin bei den B-Juniorinnen des Bundesligisten SC Andernach unter Vertrag. Damit nicht genug: Thönneßen besitzt weiterhin ein Zweitspielrecht in ihrem Heimatverein, bei den B-Junioren der JSG Kirchheim/Arloff/Flamersheim.
Frau Thönneßen, erzählen Sie doch mal bitte, wie Sie zum Fußball gekommen sind und wie Ihre ersten Schritte aussahen.
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Emilia Thönneßen: Ich habe früher schon immer gerne Fußball gespielt. Als ich fünf war, ist meine Mutter mit mir zum Probetraining nach Kirchheim gegangen. Ich kannte die Jungs schon vom Kindergarten und der Grundschule. Mir hat es so gut gefallen, dass ich da dann direkt angefangen habe.
Glauben Sie, dass es ein Vorteil für Sie ist, dass Sie immer mit Jungen zusammengespielt haben?
Ja. Es ist ganz anders, wenn man mit Jungs zusammenspielt. Da lernt man richtigen Körpereinsatz. Ich war ja früher auch beim Stützpunkttraining bei den Mädchen. Da habe ich gemerkt, dass, wenn ich da so reingegangen bin wie bei den Jungs, mein Einsatz direkt als Foul gepfiffen wurde. Bei den Jungs wäre das kein Foul gewesen.
Wieso haben Sie sich für die Verteidigerposition entschieden?
Meine Trainer in Andernach fanden mich auf der Sechser-Position gut, also spiele ich auch auf der Position. Bei Kirchheim spiele ich sowohl in der Innen- als auch in der Außenverteidigung.
Warum haben Sie sich für Andernach entschieden?
Ich wurde von Andernach entdeckt, habe dann dort mehrere Probetrainings absolviert und fand es richtig toll. Also habe ich mich für Andernach entschieden. Ich hatte auch kurz einmal darüber nachgedacht, zu Fortuna Köln zu wechseln, aber da stand meine Entscheidung für Andernach schon fest.
Wer sind Ihre Vorbilder im Fußball?
Giulia Gwinn und Lina Magull.
Pro Strecke nach Andernach ist man 50 Minuten unterwegs – ohne Stau
Andernach ist ja nicht gerade um die Ecke. Wie kommen Sie zum Training und wie oft trainieren Sie?
Wir haben dreimal pro Woche Training und in der Saison Spiele am Wochenende. Meistens fährt meine Mutter mich zum Training oder ich fahre mit dem Zug. Pro Strecke sind wir ohne Stau ungefähr 50 Minuten unterwegs. Ich bin meiner Mutter sehr dankbar dafür, dass sie das auf sich nimmt und mich fährt.
Was machen Sie in der noch verbleibenden Zeit?
Neben Schule und Training bleibt nicht mehr viel Zeit. Ich muss Hausaufgaben machen und lernen. Ich verbringe nicht viel Zeit am Handy, wenn doch, dann höre ich Musik, gucke Disney + oder bin auf Instagram. Ansonsten spiele ich mit den Jungs bei uns aus dem Dorf Fußball. Wenn ich mit Andernach kein Spiel am Wochenende habe, spiele ich bei den Jungs der JSG Kirchheim mit. Dort habe ich noch ein Zweitspielrecht.
An trainingsfreien Tagen bei Andernach trainiere ich auch mit den Jungs in Kirchheim. An erster Stelle steht aber die Saison des SC Andernach, darauf muss ich mich konzentrieren. Eigentlich wollte ich immer auch bei den Jungs mitspielen, aber ich merke auch, dass das zeitlich gesehen nicht funktioniert. Immer, wenn ich mit Andernach ein Spiel am Wochenende habe, spiele ich nur das eine Spiel.
Haben Sie ein Ritual vor einem Spiel?
Nein, eigentlich nicht. Wir hören immer Musik vor dem Spiel in der Kabine über eine Box. Die Mannschaft hat eine Spotify-Playlist erstellt, die inzwischen schon sehr lang ist (lacht). Jeder kann seine Wünsche einbringen.
Wie motivieren Sie sich nach einer Niederlage? Wie motivieren Sie die Trainer und wie motivieren Sie sich im Team?
Auch wenn wir die ersten Spiele verloren haben, merken wir, dass wir von Spiel zu Spiel Fortschritte gemacht haben, denn die Mannschaft ist bis auf vier Spielerinnen komplett neu zusammengestellt worden. Wir trainieren erst seit vier Monaten zusammen. Dafür machen wir das gut und ich denke, wenn wir weiterhin so trainieren, dann werden wir auf jeden Fall noch Siege holen.
Unsere Trainer pushen uns nach den Niederlagen. Sie finden es gut, dass wir jetzt schon als Mannschaft so gut geworden sind, nicht nur was das Spielerische anbelangt, sondern auch das Verhältnis untereinander. Im Training geben alle Vollgas, und wir halten uns das nächste Ziel vor Augen. Niederlagen versuchen wir abzuhaken und nur an das nächste Spiel zu denken.
Wie sind Sie im Team aufgenommen worden?
Dadurch, dass nur vier Spielerinnen schon in der letzten Saison zusammengespielt haben und alle anderen dazugekommen sind, haben wir den Vorteil, dass fast alle neu dabei sind und wir uns zusammenfinden mussten. Die Stimmung ist sehr gut.
Sie tragen die Nummer 14. Hat das einen Grund?
Eigentlich ist meine Nummer die 12, aber die war schon fest an die Torhüterin vergeben. Deshalb habe ich die 14 gewählt, weil meine Mutter früher auch die 14 hatte.
Was war bislang Ihr größter Erfolg?
Mein größter Erfolg ist, dass ich entdeckt wurde und jetzt die Chance habe, Bundesliga spielen zu können.
Welcher Moment aus Ihrer bisherigen Fußballerlaufbahn bleibt Ihnen ewig in Erinnerung?
Es gibt einen Moment, der sich mir eingeprägt hat. Das ist schon lange her. Früher, nach einem Spiel gegen JSG Erft 01, hatten alle Jungs vor mir Angst, weil ich so hart reingegangen bin. Daraufhin hat mein Trainer mich „die Axt“ genannt (lacht). Das kommt daher, weil ich so oft gegrätscht habe, aber ich habe nicht gefoult. Keiner ist an mir vorbeigekommen, ich habe die Grätschen taktisch eingesetzt, dadurch entstand der Begriff.
Apropos Stärken. Welche drei würden Sie als Erste nennen?
Ich glaube, dass ich ehrgeizig und fleißig bin. Und ein Teamplayer bin ich auch, denke ich. Ich versuche immer, die anderen aufzubauen.
Selbstkritik ist die größte Schwäche von Emilia Thönneßen
Haben Sie auch Schwächen?
Ja, jeder hat Schwächen. Ich bin ziemlich selbstkritisch. Vielleicht zu selbstkritisch. Ich möchte immer, dass mir alles gelingt, aber das funktioniert nicht und dann bin ich immer enttäuscht von mir. Ich muss lernen, Dinge abzuhaken. Meine Trainer sagen auch immer, dass, wenn mir etwas nicht gelungen ist, ich das vergessen und immer weitermachen soll.
Wie sieht ein typischer Morgen bei Ihnen aus?
Nach dem Aufwachen checke ich zuerst mein Handy. Dann stelle ich meine Wecker aus. Ich stelle mir immer drei Wecker, jeden Tag mit denselben Uhrzeiten. Am Wochenende, wenn wir ein Spiel haben, auch. Danach mache ich mir Essen für die Schule. Das mache ich aber erst, seitdem ich im Sommer auf die Gesamtschule in Euskirchen gewechselt bin. Ich stehe schon um sechs auf, als Erste in der Familie, weil ich mit dem Bus nach Euskirchen zur Schule fahre.
Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?
Nach dem Abi strebe ich das Ziel an, Fußballprofi zu werden. Ich werde mein Bestes geben, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht. Ob ich studieren will, weiß ich noch nicht genau, es steht aber zur Auswahl.
Welchen Tipp würden Sie Mädchen geben, die, wie Sie, Fußballerin werden wollen?
Wichtig ist, dass man nicht aufgibt, dass man immer dranbleibt, immer trainiert, wenn man wirklich Fußball spielen möchte. Und dass man sich auch Tipps geben lässt von anderen, die mehr Erfahrung haben, dass man ehrgeizig ist und immer sein Bestes gibt. Man muss es zu 100 Prozent wollen.