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Flächen für WindkraftPaulushof macht mobil gegen den Regionalplan

Lesezeit 6 Minuten
Gaby Cremer steht im Wald bei Hellenthal-Paulushof und deutet auf eine Stelle, an der zahlreiche Bäume gefällt wurden.

An einer gerodeten Fläche im Wald bei Paulushof steht Gaby Cremer. Stefan Lieser

22 der 28 Einwohner des kleinen Dorfes in der Gemeinde Hellenthal haben Widerspruch gegen den Entwurf der Windkraft-Flächen eingelegt.

22 Einwohner des Weilers Paulushof, der in der Gemeinde Hellenthal und nahe an Schmidtheim liegt, machen mobil gegen die Windkraftausbaupläne im Regionalplanentwurf der Bezirksregierung Köln. Sie fordern, die Planungen eines neuen Vorranggebietes in der Nähe ihres Wohnortes zu stoppen und haben schriftlich und fristgerecht Einspruch erhoben.

„Schauen Sie hier: Das muss vor wenigen Tagen gewesen sein“, sagt Gaby Cremer aus Paulushof. Sie steht am Rand einer gerodeten großen Fläche im Bereich des Silberbergs, wenige Meter von der Kreisstraße nach Paulushof entfernt und knappe 500 Meter südlich ihres Wohnortes: Baumstümpfe ragen aus dem matschigen Boden, an einem Holzlagerplatz an der nahen Kreisstraße habe sie große Holzpolter gesehen, so Cremer. Die Paulushofer gehen davon aus, dass im Schmidtheimer Wald Harvester im Einsatz gewesen sind.

Eifelwald GmbH hat derzeit keine Pläne für Windkraftanlagen

Waldbesitzer ist in diesem Bereich im Wesentlichen die Eifelwald GmbH & Co. KG aus Lützelbach im Odenwald. Deren Mehrheitseignerin ist sie Bofrost-Stiftung in Straelen, sie hatte 2009 2500 Hektar Staatswald vom Land NRW gekauft. Ein Sprecher der Stiftung erklärt auf Anfrage, dass es sich „um die üblichen Rodungen innerhalb unserer Einschlagplanungen“ handelt. Zugleich stellt er fest, dass es „derzeit keine Planungen für Windkraftanlagen in unseren Eifelwäldern“ gibt.

Anträge, dort einen Standort für Windkraftanlagen auszuweisen, lägen nicht vor, hat auch Gaby Cremer mit Datum vom 4. Dezember von der Kreisverwaltung erfahren, die sie um Auskunft gebeten hatte. Das hat sie jedoch nur kurz beruhigt, denn im Teilplan Erneuerbare Energien des Regionalplanentwurfs ist auch der Wald oberhalb von Schmidtheim und nahe bei Paulushof als eine mögliche Vorrangfläche ausgewiesen.

22 von 28 Paulushöfern haben den Widerspruch unterschrieben

Cremer sieht ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. „Ich habe am Dienstagabend noch 22 der 28 Paulushöfer erreicht und die haben alle unterschrieben“, so Cremer. Das Einwurfeinschreiben an die Bezirksregierung Köln, parallel auch als E-Mail geschickt, deren Empfang von der Aufsichtsbehörde bestätigt ist, legt fristgerecht zum Ablauf der ersten Offenlegung des Regionalplans am 13. Februar Widerspruch ein.

„Windkraft hier? Das macht doch unsere ganze Eifellandschaft kaputt, gefährdet die Lebensräume der Vögel und Tiere, am Ende auch den Tourismus“, sagt Gaby Cremer. Zudem stellen die Paulushöfer schriftlich fest: „Letztlich würde auch die EU-Förderung des FFH-Gebietes ad absurdum geführt.“ Von Lärmbelästigung durch mögliche neue Windräder und Schattenwurf auf die mit Photovoltaik-Module belegten Dächer einiger Häuser ganz zu schweigen.

Besonders ärgert Cremer, dass ihre Bemühungen, Windkraftanlagen im Schmidtheimer Wald auf Hellenthaler Gemeindegebiet zu stoppen, die vor drei Jahren erfolgreich waren, nun offenbar von der Neuplanung überholt werden könnten.

Die 22 Paulushöfer schließen sich ansonsten den Argumenten der Initiative „Gegenwind in Bad Münstereifel“ an. Jetzt müssen beide abwarten, wie ihre Einwendungen gegen die Pläne vom Regionalrat beurteilt werden. Bis Herbst dieses Jahres soll der neue Regionalplan rechtskräftig werden.


Kritik des Vogel-Experten

„Das ist eine traurige Angelegenheit“, sagt Stefan Brücher, Vorstand der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE). Er sieht die bisher vorliegenden Karten für Windkraftbeschleunigungsgebiete und die textlichen Ergänzungen mit Betriebsbeschränkungen zum Schutz von Wildvögeln wie Uhu, Rotmilan oder Schwarzstorch skeptisch. So seien keine flächendeckenden Beurteilungen der Verträglichkeit möglicher Potenzialflächen mit Naturschutzbelangen erfolgt. Sogenannte vertiefende artenschutzrechtliche Vorprüfungen sind nicht mehr obligatorisch. Bekannte schützenswerte Arten seien so nicht berücksichtigt.

Auch Widersprüche sieht Brücher: „Beim Rotmilan in WEA-Gebieten im Ahrgebirge etwa heißt es, dass während der Bauzeit der WEA ein Schutzradius von 200 Metern um einen Horst einzuhalten ist, wenn dieser in dieser Zeit bewohnt wird. Und danach, wenn die Anlage hier steht?“

Eulen-Experte Stefan Brücher steht in der Natur. Er trägt ein Kamera-Stativ auf der Schulter.

Bestenfalls als „Kompromiss zwischen dem politisch Gewollten und Naturschutzbelangen“ bezeichnet Eulen-Experte Stefan Brücher den Entwurf des Teilplans Erneuerbare Energien im Regionalplan.

Kritisch sieht Stefan Brücher, den viele als ausgewiesenen Uhu-Experten und -Schützer kennen, auch die seiner Meinung nach vom Lanuv zugrundegelegten Naturschutzkriterien. Sie berücksichtigten offenbar die anerkannten Richtlinien des Helgoland-Papiers, das von der Bundesvereinigung der Vogelschutzwarte erstellt worden ist, nicht. „Stattdessen“, so Brücher, „hat das Lanuv eigene Standards festgesetzt.“ Er bezeichnet das Ergebnis als „Kompromiss zwischen dem politisch Gewollten und den Naturschutzbelangen“.

Positives sieht er in einem Punkt: „Der Uhu-Standort an einem alten Steinbruch bei Baasem ist offenbar nicht mehr WEA-Planungsgebiet.“ Ob EGE-Untersuchungen für den Bereich Bad Münstereifel, die als Einwände im Offenlegungsmonat der Planungen eingereicht wurden, berücksichtigt werden, bleibe wie alles andere im weiteren Planungsprozess abzuwarten.


Kritik des Nabu im Kreis Euskirchen

„In dieser Form unverantwortlich.“ So bezeichnet der Nabu-Kreisverband in einer ersten Stellungnahme die geplanten neuen Windkraftgebiete im Regionalplanentwurf für den Kreis Euskirchen. Auf Anfrage bewertet der Kreisverband erstmals die ausgewiesenen Plangebiete in den elf Kommunen des Kreises sowie die textlichen Festsetzungen im Regionalplanentwurf sachlichen Teilplan Erneuerbare Energien. In diesen Festsetzungen werden, wie berichtet, mögliche Betriebsbeschränkungen für Windkraftanlagen im Kreisgebiet für die Vogelschutzgebiete im Nationalpark Eifel und dem Ahrgebirge erläutert. So hat das damit beauftragte Lanuv (Landesamt für Natur-, Umwelt und Verbraucherschutz) unter anderem Einschränkungen für den Betrieb der Windkraftanlagen während des Jungvogelausflugs festgeschrieben.

Nicht ausreichend ist das aus Sicht des Nabu-Kreisverbands: „In allen anderen Fällen werden sowohl den Vögeln als auch den Fledermausarten keine Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung der Auswirkungen der Windkraftenergieanlagen zugestanden.“ Dies sei, so die Naturschützer weiter, „insbesondere im Bereich der Schwerpunktvorkommen windkraftempfindlicher und europarechtlich relevanter Vogelarten als ungenügend zu bewerten.“

Gefährdet sind aus Sicht des Nabu vor allem die Vorkommen von Grauammer, Rohrweihe, Rotmilan und Schwarzstorch. Auch werde in der Eifel- und Bördelandschaft im Kreis Euskirchen die Biodiversitätskrise der Vogelwelt verschärft. Vom geplanten Windkraftausbau seien aber auch die Lebensräume von Rotwild und der seltenen Europäischen Wildkatze betroffen. Die ist bekanntlich ein Wappentier des Nationalparks Eifel.

Kommt es zur Ausweisung der geplanten Beschleunigungsgebiete für Windkraftanlagen – wie berichtet sind im Kreisgebiet 4304 Hektar nach derzeitigem Planungsstand dafür ausgewiesen –, befürchtet man beim Nabu weitere und weitreichende Folgen: Die Ausweisung vernichte die „für den Klimaschutz so wichtigen letzten großen zusammenhängenden Waldgürtel und europäischen Biotopverbundachsen“. Es drohe, so der Nabu, eine dauerhafte Schädigung der Eifellandschaft, ihrer Artenvielfalt und Landschaftsbilder: „Ein naturverträglicher Ausbau der Windenergie ist mit der derzeitigen Regionalplanung nicht möglich.“ Es müsse vielmehr mit massiven Umweltauswirkungen gerechnet werden.

Kritisch gesehen wird auch die Planungsvorgabe von 3,74 Prozent der Fläche des Kreisgebietes für mögliche Windkraftanlagen: „Der Kreis Euskirchen und insbesondere der Südkreis werden überproportional belastet“, so der Nabu-Kreisverband. Entsprechend eindeutig ist das Fazit der Stellungnahme: „Der Regionalplanentwurf ist aufgrund der systematischen Benachteiligung der raumplanerischen Belange von Natur und Landschaft gegenüber dem Ausbau der erneuerbaren Energien in dieser Form unverantwortlich.“

Der Nabu im Kreis erarbeitet zusammen mit dem Landesverband NRW, der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt NRW (LNU) und dem Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eine detaillierte Stellungnahme zum Thema.