In Köln wird entschieden, wo künftig Winderräder im beschleunigten Verfahren im Kreis Euskirchen aufgestellt werden können. Die Brisanz nimmt zu.
Erneuerbare EnergieDarum wird es im Kreis Euskirchen mehr Windkraftflächen geben als anderswo
![Das Bild zeigt ein Windrad in einem Wald auf dem Gebiet der Gemeinde Dahlem in der Abenddämmerung.](https://static.ksta.de/__images/2023/11/08/2c85eb58-44e0-453b-9a77-ddd99cc73b4c.jpeg?q=75&q=70&rect=0,417,4000,2250&w=2000&h=1334&fm=jpeg&s=8bc2cde1dc0b0cade0bb97f92ba84fdd)
An den Windkraftanlagen schieden sich die Geister. Besonders Standorte in den Wäldern sind umstritten.
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Sowohl für die Freunde als auch für die Gegner der Windkraft sind es entscheidende Zeiten. Wo werden die Anlagen künftig stehen? Damit befasst sich der Regionalrat bei der Bezirksregierung Köln – auch für das Gebiet des Kreises Euskirchen. Es geht so langsam in die entscheidende Phase.
Im Januar hat die Bezirksregierung einen Plan veröffentlicht, auf dem die Zonen eingezeichnet sind, in denen sie die Aufstellung von Windenergieanlagen für möglich hält. Dort könnten dann Windräder mit einem erheblich abgespeckten Genehmigungsverfahren gebaut werden. „Die Flächen werden durch den Regionalplan ausgewiesen und sind dann potenzielle Flächen für Windenergie“, fasst das Schleidener Regionalratsmitglied Wolfgang Heller (SPD) zusammen. Sein Euskirchener Kollege Günter Weber (CDU) spricht von einem sehr umfassenden Verfahren.
Alle Kommunen im Kreis Euskirchen erhalten Flächen für Windräder
Noch bis zum 13. Februar können Kommunen, Verbände und Bürger Stellungnahmen zu dem Plan bei der Bezirksregierung einreichen. Unter Berücksichtigung dieser Eingaben werden die Beratungen im 64-köpfigen Regionalrat über den Sachlichen Teilplans Erneuerbare Energien fortgesetzt. „Das Verfahren soll bis Herbst 2025 abgeschlossen sein“, teilt die Bezirksregierung mit.
Warum ist die Planung notwendig? Am Anfang des Verfahrens stand das Wind-an-Land-Gesetz der Ampelregierung im Bund. Die ist zwar Geschichte, das Gesetz aber nicht. Zwei Prozent der Fläche in Deutschland sollen demnach der Windenergie zur Verfügung stehen. Wer hier Windräder aufstellen möchte, soll das in einem beschleunigten Verfahren tun können. Vorgaben für die Flächenausweisung im Planungsrecht werden vereinfacht.
Wir halten den radikalen Ausbau der Windenergie im Kreis Euskirchen aus ökologischen und ökonomischen Gründen für verfehlt.
In diesen Beschleunigungsgebieten kann künftig auf die Umweltverträglichkeitsprüfung und artenschutzrechtliche Prüfungen verzichtet werden. Diese Belange würden ja bereits bei der Aufstellung des Regionalplans berücksichtigt. Die Initiatoren sprechen daher vom „Wechsel von Ausschluss- zu Positivplanungen“.
Was hat die Bezirksregierung Köln damit zu tun? Sie steht zunächst zu dem großen Ziel. „Um den Klimaschutz und die Energiewende voranzutreiben, ist ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien unumgänglich“, stellt die Behörde fest. Schließlich wolle Deutschland bis 2045 Treibhausgas-neutral sein. Nordrhein-Westfalen habe die Ausbauziele sogar verschärft: Bereits in diesem Jahr soll der vorgeschriebene Flächenbeitragswert erreicht werden. In der Planungsregion Köln müssen demnach 2,13 Prozent der Gesamtfläche für die Windenergie mit beschleunigter Genehmigung bereitgestellt werden.
Was sieht der Plan für den Kreis Euskirchen vor? Alle elf Kommunen sind betroffen. Darum befassen sich die Räte derzeit nach und nach mit ihren Stellungnahmen. 4304 Hektar oder 3,45 Prozent der Kreisfläche sollen laut Vorschlag der Bezirksregierung Vorzugsgebiete für Windkraftanlagen werden.
Überdurchschnittlich viel Fläche für Windkraft im Kreis Euskirchen
Das hat die Bürgerinitiative „Gegenwind in Bad Münstereifel“ ausgerechnet. Blankenheim sei mit 590 Hektar, Dahlem mit 368, Hellenthal mit 584, Nettersheim mit 532, Kall mit 150 und Bad Münstereifel mit 127 Hektar betroffen. Die Flächen der anderen Kommunen hat die Initiative nicht hektargenau ausgerechnet. Die Planung sieht laut „Gegenwind“ vor, dass große Waldgebiete in Bad Münstereifel, Blankenheim, Nettersheim, Hellenthal, Dahlem und Kall „in Windindustriegebiete umgewandelt“ werden sollen.
Darunter sei auch das Waldgebiet „Mürel“ zwischen Tondorf, Blankenheimerdorf, Blankenheim-Wald und Nettersheim bis in Richtung Marmagen. In Blankenheim seien weitere Flächen in der Nähe von Rohr und Lommersdorf sowie im Ripsdorfer Wald nahe Nonnenbach vorgesehen. „Ein weiterer Windenergiebereich ist südlich von Dollendorf ausgewiesen“, heißt es in einer Stellungnahme der Bad Münstereifeler Initiative.
In Bad Münstereifel sei etwa der Nöthener Wald im Bereich zwischen Nöthen, Hohn, Bouderath, Wittscheider Hof und Pesch im Plan eingezeichnet. „Weitere Flächen sind in der Nähe der Siedlung Vollmert und den Ortschaften Escher Heide, Nitterscheid und Sasserath vorgesehen“, heißt es weiter. Die Initiative ruft auf ihrer Homepage auf: „Rettet die Eifelwälder!“ Es gehe um den Schutz von Landschaften, Natur- und Lebensräumen.
Regionalrat in Köln entscheidet über Windkraftzonen in der Eifel
Gibt es schon Stellungnahmen aus dem Kreis Euskirchen? Ja. Die Bürgerinitiative „Gegenwind in Bad Münstereifel“ hat ziemlich rasch reagiert – und das deutlich: „Wir halten den radikalen Ausbau der Windenergie im Kreis Euskirchen aus ökologischen und ökonomischen Gründen für verfehlt.“ Die Energiepolitik und der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien sei „eine fatale Fehlentscheidung für den Wirtschaftsstandort Deutschland“.
Der FDP-Politiker Jan Griskewitz befürchtet zudem, dass die Kommunen nach der Festlegung des Regionalplans weitgehend außen vor seien. „Wir sollen bei der Genehmigung von Windrädern in unserer Stadt als Rat und Stadt de facto kein Mitspracherecht haben“, gab der Schleidener Fraktionschef der Liberalen jüngst im Stadtrat zu Protokoll.
Wir laufen in ein riesiges Energiedefizit und brauchen die, ob wir wollen oder nicht.
Die Bezirksregierung versucht zu beruhigen: Kommunen könnten auch weiterhin sehr wohl ihr Einvernehmen versagen, „wenn es normierte Gründe hierfür gibt“, teilt sie auf Anfrage mit.
Gibt es weitere Kritik an dem Plan? Ja. Die Initiative „Gegenwind in Bad Münstereifel“ weist darauf hin, dass im linksrheinischen Gebiet viel mehr Flächen für Windenergieanlagen vorgesehen sind, als etwa im Oberbergischen Kreis: „Dies ist eine eklatante Benachteiligung der Kommunen und der Bürger im Kreis Euskirchen.“
Diese Ungleichverteilung stellt auch die Stadt Schleiden fest: Die Verteilung im Regierungsbezirk Köln konzentriere sich aufgrund verschiedener Ausschlussgründe hauptsächlich auf vier Kreise unter insgesamt vier kreisfreien Städten und acht Kreisen – und der Kreis Euskirchen gehöre zu diesem Quartett. Das zeigen auch die Zahlen: Im Regierungsbezirk sollen 2,13 Prozent der Fläche für Windkraft festgelegt werden, im Kreis Euskirchen aber 3,45 Prozent.
Warum muss der Kreis mehr Fläche „liefern“ als andere? Günter Weber (CDU), das vom Euskirchener Kreistag entsandte Regionalratsmitglied, erklärt: „Wenn etwa Städte wie Köln oder andere Kreise wegen der Topografie als Standorte teilweise ausfallen, muss woanders mehr ausgewiesen werden, wenn man die Vorgaben des Gesamtziels erreichen will.“
Wie geht es nun weiter? Regionalratsmitglied Wolfgang Heller weiß aus langer politischer Erfahrung: Derartige Vorschläge kommen selten so aus den Gremien heraus, wie sie hineingegangen sind. Es sei mit Veränderungen im Plan zu rechnen. Das aber hätte eine erneute Offenlage zur Folge – und man wäre ungefähr wieder da, wo man derzeit ist. Darum ist sich der Schleidener gar nicht sicher, dass er noch darüber abstimmen wird. Ende Dezember endet nämlich die Legislaturperiode des Regionalrats.
Entscheiden am Ende wieder die Verwaltungsrichter?
Er warte nun die Eingaben zur Offenlage ab. „Dann werden wir uns im Regionalrat eine Meinung bilden“, so Heller. Er wolle dann auch mit den Verfassern der Stellungnahmen Kontakt aufnehmen. Ihm sei dabei ein geordnetes Verfahren wichtig, „weil ich ja nicht dafür da bin, Partikularinteressen zu vertreten, sondern aufs große Ganze gucken muss“. Er setzte sich grundsätzlich mit allem kritisch auseinander, einschließlich der eigenen Person und der Windkraft, so Heller: „Das heißt aber nicht, dass ich sie grundsätzlich ablehne. Wir laufen in ein riesiges Energiedefizit und brauchen die, ob wir wollen oder nicht.“
Und die Wälder? „Ich bin ein leidenschaftlicher Wanderer und die Wälder sind mir sehr wichtig“, sagt Heller. Aber seine Kollegen im Regionalrat und er müssten sich an Recht und Gesetz halten: „Und das Gesetz sieht vor, dass bestimmte Waldflächen mit Windenergieanlagen bebaut werden dürfen.“ Wenn für bestimmte Flächen keine rechtlichen Ausschlussgründe bestünden, müsse er zustimmen, so Heller: „Ob ich will oder nicht.“
Wenn wir schon die Flächen ausweisen müssen, dann setze ich doch lieber ein Windrad in den Wald, als dass ich Leuten noch ein weiteres vor die Nase setze.
Das sieht sein Regionalratskollege von der CDU, Günter Weber, ähnlich. „Man kann ja auch weiterhin nicht einfach ein Windrad in den Wald setzen“, sagt Weber: „Auch da sind ja Kriterien festgelegt worden, wo und wie man das machen kann.“ Auch er möge die Wälder im Kreis sehr, versichert Weber. Ihm seien aber auch die Siedlungsgebiete und die dort lebenden Menschen wichtig: „Wenn wir schon die Flächen ausweisen müssen, dann setze ich doch lieber ein Windrad in den Wald, als dass ich Leuten noch ein weiteres vor die Nase setze.“
Die Bezirksregierung habe in ihrem ausgelegten Plan Flächen, die rechtlich etwa aus Gründen den Natur- und Artenschutzes nicht für die Windkraft infrage kommen, bereits ausgeschlossen. Wegen entsprechender offener Fragen sei die Offenlage der Pläne sogar verschoben worden. Heller geht nun davon aus, dass Flächen, die rechtlich nicht gehen, aus dem Aufstellungsbeschluss verschwunden sind.
NRW-Landtag setzt Verfahren für Windräder für sechs Monate aus
Wären Windräder außerhalb der Plangebiete möglich? Erstmal nicht, sagt CDU-Landtagsmitglied Klaus Voussem. CDU und Grüne hätten im Landtag beschlossen, „dass zur Plansicherung in den nächsten sechs Monaten pauschal die Genehmigung von Windenergieanlagen außerhalb der in Aufstellung befindlichen Windenergiegebiete untersagt werden soll“.
Manche Projektierer, so Voussem, versuchten nämlich, möglichst viele Windenergieanlagen bis zum Inkrafttreten der Windenergiegebiete zu errichten. Dem solle mit dem Beschluss ein Riegel vorgeschoben werden. Nur so könne die Akzeptanz für die Windkraft gewährleistet werden.
Ob das reicht? SPD-Regionalratsmitglied Heller ist skeptisch – und das nicht nur, was den Zeitplan für den Regionalplan angeht. Gut möglich also, dass wegen dieser Genehmigungsverfahren auch die Gerichte – etwa von interessierten Investoren – bemüht werden und diesen Beschluss genau unter die Lupe nehmen. Es wäre nicht das erste Mal. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage der Bezirksregierung Köln.
Beim Kreis Euskirchen liegen zurzeit Anträge für 102 Windräder
Windkraftanlagen gibt es derzeit im Kreis Euskirchen mit einer Gesamtleistung von 20,24 Megawatt. Das teilte die Kreisverwaltung auf Anfrage mit.
Derzeit liegen demnach der Unteren Landschaftsbehörde 26 Anträge für insgesamt 102 Windenergieanlagen (WEA) vor. Dabei handele es sich um vier Vollanträge (20 WEA), zwei Repowering-Vorhaben (zwei WEA), zwei Typenänderungen (sechs WEA) sowie 18 Vorbescheidsverfahren (74 Anlagen).