AboAbonnieren

FirmenjubiläumKaller Stahlbaubetrieb Müller & Sohn ist seit 175 Jahren im Geschäft

Lesezeit 6 Minuten
Außenansicht des Firmengebäudes von Stahlbau Müller & Sohn in Kall.

Am Standort in Kall werden sämtliche Bauteile von Müller & Sohn konstruiert und produziert.

Die Stahlbau-Firma Müller& Sohn aus Kall feiert ihr 175-jähriges Bestehen. Ihre Bühnen werden mittlerweile in die ganze Welt verkauft.

Es ist eine interessante Mischung aus Tradition und Kontinuität auf der einen und Brüchen und Neuerungen auf der anderen Seite, die die Geschichte der Firma Müller & Sohn so spannend macht. Trotz Kriegen und Wirtschaftskrisen hat die Familie nie aufgegeben und das Unternehmen in 175 Jahren vom Schmiedebetrieb über eine Kohlen- und Briketthandlung zu einem weltweit agierenden Stahl- und Anlagenbauer entwickelt, der in der fünften Generation von Josef und Thomas Müller geführt wird.

„1848 hat unser Ur-Ur-Großvater Peter-Josef Müller in Blumenthal eine Huf- und Wagenschmiede eröffnet. Damals hat er vor allem die Pferde aus dem Bergbau in Rescheid beschlagen“, erzählt Josef Müller. „Im Zweiten Weltkrieg hat dann unser Opa Hermann-Josef Pferde der Kavallerie beschlagen“, sagt sein jüngerer Bruder Thomas.

Thomas und Josef Müller (r.) stehen vor Stahlbauteilen in einer Werkshalle.

Thomas und Josef Müller (r.) führen das Familienunternehmen in der fünften Generation.

Bis in die 1950er-Jahre hinein ernährte die Schmiede über drei Generationen hinweg die Familie. „Doch dann kam die erste und zugleich wohl größte Veränderung. Weil immer mehr Traktoren in der Landwirtschaft im Einsatz waren und die Pferde ersetzten, brach das ganze Geschäftsmodell weg“, erklärt Thomas Müller.

Kaller Firmenchefs berichten von der wechselvollen Unternehmensgeschichte

In der Zeit danach habe die Firma ihr Geld mit einem Landmaschinenhandel und kleineren Schlosserarbeiten verdient. „Später kam dann noch ein Haushaltswarengeschäft hinzu. Außerdem wurden Waschmaschinen sowie Öl- und Brikettöfen verkauft“, erinnert sich Josef Müller.

Sein Vater Gregor legte 1963 die Meisterprüfung als Schmied ab. „Er hat auch eine Ausbildung als Kaufmann absolviert“, sagt Josef Müller. Mit seinem Einstieg in das Unternehmen sei der neue Name „Müller & Sohn“ etabliert worden.

Auf einer alten Schwarz-weiß-Aufnahme steht ein Paar in der Tür einer Schmiede in Blumenthal.

Hermann-Josef Müller und seine Frau Veronika kurz nach dem Zweiten Weltkrieg vor der Schmiede in Blumenthal.

In den Jahren danach sei einiges ausprobiert worden. Unter anderem seien Schlosserarbeiten beim Bau von Häusern für Zollbeamte in der Eifel erledigt worden. „Die Firma lief gut. Ende der 60er-Jahre wurde dann eine rund 200 Quadratmeter große Werkstatt schräg gegenüber der Schmiede gebaut und die ersten Maschinen angeschafft. Doch auch die neue Werkstatt wurde schnell zu klein“, berichtet der ältere Bruder. Deshalb habe sein Vater für eine Erweiterung ein Gartengrundstück neben der Werkstatt getauscht.

Müller & Sohn: Immer wieder auf neue Markt-Situationen eingestellt

Das wirtschaftliche Standbein in dieser Zeit bildete der Bau von Öltanks, die vor Ort zusammengebaut wurden. „Davon hat die Firma in der Region relativ viele gebaut“, erzählt Thomas Müller. Doch ab 1975 sei dieser Markt wegen des Aufkommens von Kunststofftanks und Gasheizungen eingebrochen.

In den Jahren danach konzentrierte sich die Firma auf Schlosserarbeiten. „Seinerzeit haben wir viele Aufträge von der Firma Milz Stahlbetonbau aus Kall erhalten. Dadurch haben wir auch neue Kunden gewinnen können“, erinnert sich Josef Müller. Dazu hätten bekannte Marken wie Birkenstock, Lekkerland oder die Binding-Brauerei gehört. Die Firma habe seinerzeit sechs bis acht Angestellte gehabt.

„Ende der 70er-Jahre war die Werkstatt in Blumental endgültig zu klein. Mein Vater baute eine rund 1100 Quadratmeter große Halle im Oberhausener Gewerbegebiet, da wo heute die Lidl-Filiale steht“, erinnert sich Josef Müller. Diese sei dann einige Jahre später auf 1800 Quadratmeter erweitert worden. „Wir haben in dem Gebiet von Frankfurt bis zum nördlichen Ruhrgebiet Schlosser- und kleinere Stahlbauarbeiten vor allem für die Industrie ausgeführt“, weiß Thomas Müller zu berichten.

Seit dem Jahr 2000 ist der Stahlbaubetrieb in Kall ansässig

Sein Bruder Josef stieg 1993, er vier Jahre später in das Familienunternehmen ein. „Anfangs haben wir sehr viel für große Baukonzerne wie Hochtief oder Strabag gearbeitet. Auch die Telekom in Bonn gehörte zu unseren Kunden“, berichtet Josef Müller.

Die Werkstatt in Oberhausen sei dann für 25 bis 30 Angestellte zu klein geworden: „Das Grundstück war ausgereizt. Deshalb haben wir 2000 mit dem Bau einer neuen Produktionshalle samt Verwaltungsgebäude in Kall begonnen“, sagt Josef Müller. Die gute Infrastruktur und Verkehrsanbindung habe für Kall gesprochen. Im Gewerbegebiet II entstand auf einer Fläche von 1,2 Hektar eine 3500 Quadratmeter große Halle mit Bürokomplex.

Ein Arbeiter in der Werkshalle der Firma Müller & Sohn in Kall.

Die Mitarbeiter haben viel Erfahrung im Stahlbau. 80 Angestellte sind derzeit in Kall beschäftigt.

Mitte der 2000er-Jahre dann stand bereits die nächste massive Veränderung an. „Bei den Neubauten waren die Margen mit der Zeit immer niedriger“, erklärt Thomas Müller. Deshalb habe man nach anderen Geschäftsfeldern Ausschau gehalten. Durch einen sehr guten Kunden aus der Kosmetikindustrie sei man dann auf die Idee gekommen, Bedienbühnen für große Industrieanlagen zu bauen.

„Die benötigt man, um in großen Produktionsbetrieben an die Maschinen und Förderbänder zu gelangen“, erläutert Thomas Müller. Man arbeite sehr viel für Getränkehersteller: „Rund ein Drittel der Weltbevölkerung hat schon Produkte getrunken, die über unsere Bühnen gelaufen sind.“ Da es um Lebensmittel gehe, müssten hohe Hygienerichtlinien beachtet werden.

Bedienbrücken und Treppen aus Stahl in einer Industrieanlage.

Bedienbühnen mit Treppen und Verbindungsplattformen für große Produktionsbetriebe bilden zurzeit das Kerngeschäft.

Feste Kunden hat die Kaller Firma in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Projekte haben wir aber weltweit. Wir sind schon auf allen Kontinenten gewesen“, sagt Thomas Müller.

Neben der Zentrale in Kall gibt es auch Standorte in Polen und den USA

Vor sechs Jahren kam ein Werk in Polen zum Unternehmen hinzu, vor etwa drei Jahren eine Niederlassung in den Vereinigten Staaten. Der Jahresumsatz von Müller & Sohn liegt bei gut 20 Millionen Euro. In der Zentrale in Kall sind 80 Mitarbeiter beschäftigt.

In den nächsten Jahren möchte das Unternehmen sein Augenmerk auf Märkte wie erneuerbare Energien, Recycling und Entsorgung richten. „Bei allem Fortschritt bleibt es aber dabei, dass wir sämtliche Bauteile eigenständig und direkt bei uns in Kall konstruieren und produzieren – ganz im Sinne von ‚Made in Germany‘“, so Thomas Müller.

Auch das Thema Nachhaltigkeit steht auf der Agenda. Ein Ziel ist das papierlose Büro. Die Produkte haben mittlerweile alle einen QR-Code, der den Mitarbeitern alle benötigten Informationen zur Verfügung stellt. Ein Großteil des benötigten Stroms wird mit der Photovoltaikanlage auf dem Hallendach produziert. „Bei den Transporten achten wir auch auf den Energieverbrauch. Die Maßnahmen wollen wir uns auch zertifizieren lassen“, so der ältere der beiden Bruder.

Derzeit plagen den Kaller Traditionsbetrieb Nachwuchssorgen

Die Digitalisierung und der Einsatz von künstlicher Intelligenz spielen nach Angaben der Geschäftsführer eine große Rolle, um den steigenden Anforderungen der Kunden gerecht zu werden: „Wir haben Mitbewerber in der ganzen Welt und müssen deshalb immer einen Schritt voraus sein“, betont Thomas Müller. Man habe viele Bereiche automatisiert und versuche beim Kunden mit Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Qualität und einem guten Preis zu punkten.

Ein Bereich bereitet aber beiden Brüdern aber aktuell Sorgen. „Wir hatten in den vergangenen Jahren immer genug Bewerbungen, um Auszubildende für den Beruf des Metallbauers mit der Fachrichtung Konstruktionstechnik einzustellen“, berichtet Josef Müller. In diesem Jahr liege noch keine einzige Bewerbung vor.

„Wir haben ein hochmotiviertes Team, flache Hierarchien und einen lockeren Umgang. Und wir haben Mitarbeiter aus vielen Ländern, die sich alle gut miteinander verstehen“, hebt Josef Müller hervor.

Mit der Agentur uspect GmbH aus Euskirchen hat das Unternehmen einen neuen Markenauftritt umgesetzt. „Mit einem frischen Logo, einer neuen Website und verschiedenen Maßnahmen im Bereich Kommunikation und Marketing wollen wir das Profil von Müller & Sohn schärfen und damit unsere Marke nachhaltig stärken“, erklärt Thomas Müller: „Unsere Vision ist es, als hoch spezialisiertes Unternehmen und attraktiver Arbeitgeber noch sichtbarer zu werden.“