Drei Jahre Arbeit an einem Roman: Der Keldenicher Schriftsteller Norbert Scheuer kann sich über zwei weitere Literaturpreise freuen.
Cafébesuch in KallNorbert Scheuer verrät, worum es in seinem nächsten Roman geht
Einen Spaziergang durch die verregnete Eifel mit Hündin Bella hat sich Norbert Scheuer gegönnt, um zum Pressetermin zu gelangen. Einer der renommiertesten Schriftsteller der Eifel und unermüdliche Chronist der fiktiven Stadt „Kall“ hat sich mit der Redaktion im realen Kall verabredet. Als Leser dieser Zeitung hat er dafür das gerade neu eröffnete Café Lin ausgewählt, von dem er am Morgen durch einen Bericht erfahren hat.
„Endlich wieder ein Café in Kall“, freut er sich. Über Jahre hinweg war er bekannt dafür, dass er gerne schreibend und lesend in der Cafeteria des Kaller Rewe-Supermarkts saß. Angesichts der Begeisterung, mit der Bella den Aufenthalt nutzt, um mit den Cafébetreibern herumzualbern, könnte dies nicht der letzte Besuch des Autors in dem neuen Lokal gewesen sein.
„Das ist ein Kokoni, nicht ganz reinrassig, eine Rasse aus Griechenland“, erklärt Scheuer und blickt auf den fröhlichen Hund mit dem hellen Fell, der ihm schamlos fremdgeht und neue Bekanntschaften macht. Eine uralte Hunderasse, die bereits seit der Antike bekannt sei, erläutert er und betont, dass ein Exemplar dieser Rasse bereits den griechischen Philosophen Sokrates begleitet habe und ein anderer als einziger den Sagenheld Odysseus bei seiner Heimkehr erkannt haben soll.
Schriftsteller aus Kall freut sich über zwei weitere Literaturpreise
Was sein neues Buch macht? Das sei im Augenblick gar nicht das Thema. „Zur Zeit bin ich mit Danksagungen beschäftigt“, sagt er lachend. Im Grunde sei er fast schon daran gewöhnt. Rund 20 Auszeichnungen lang ist die Liste bereits. „Mein Verleger fragte schon, welchen Preis ich eigentlich noch nicht bekommen habe“, sagt der Autor augenzwinkernd. Natürlich mindestens den einen, den großen: den Deutschen Buchpreis, auf dessen Shortlist der Name Norbert Scheuer bereits zweimal zu finden war.
In diesem Jahr wurde Scheuer ausgewählt für den Rainer-Malkowski-Preis der Bayrischen Akademie der Schönen Künste und den Walter-Hasenclever-Literaturpreis. Der wird von der Walter-Hasenclever-Gesellschaft, dem Aachener Einhard-Gymnasium als ehemalige Schule Hasenclevers, dem Aachener Buchhandel, dem Deutschen Literaturarchiv Marbach, das den Nachlass des Autors pflegt, und der Stadt Aachen, der Geburtsstadt des 1940 verstorbenen Schriftstellers, vergeben.
Die Jury des Walter-Hasenclever-Preises lobt die humanistische Botschaft Scheuers, die ganz im Sinne Hasenclevers sei. Es gelinge ihm, aus einem kleinen Ort in der Eifel grundsätzliche Fragen zu stellen, in einer überbordenden Wertevielfalt Orientierung zu finden und zu zeigen, wie es möglich sei, Menschlichkeit in Zeiten des Krieges zu bewahren.
Zur Lyrik hat Autor Norbert Scheuer ein inniges Verhältnis
Mit dem Dichter Rainer Malkowski, Namensgeber des anderen Preises, gebe es einige Gemeinsamkeiten, führt Scheuer, der auch mehrere Gedichtbände veröffentlicht hat, aus. „Ein Gedicht von ihm war in dem ersten Gedichtband, den ich während meines Studiums gekauft habe“, erzählt er.
Für ihn selbst seien die Gedichte und Romane, die er schreibe, eigentlich Verwandlungen. „Der Schriftsteller erzeugt eine Welt und verwandelt die Wirklichkeit in Schönheit“, so Scheuer. Auf diese Verwandlung verweist auch die Jury der Bayrischen Akademie. „Scheuers Romane sind verdichtetes, konzentriertes Erzählen, entwickelt aus vielen kleinen Formen und Anrissen, und lesen sich wie ein langes dramatisches Gedicht“, ist in deren Begründung zu lesen.
Der Autor bestätigt das. „Ich betrachte jeden Satz wie ein Gedicht“, sagt er. Die Verknappung der Sprache, die in der Lyrik wichtig sei, verwende er auch in seinen Romanen. Die Verbindung zwischen den beiden Literaturformen Prosa und Gedicht habe er in seinem letzten Buch „Mutabor“ thematisiert, indem er diese ineinander übergehen ließ.
Scheuer: „An einem Roman arbeite ich drei Jahre wie ein Bekloppter“
„Immer, wenn ich einen Roman fertig habe, schwöre ich mir, nie wieder ein Roman“, gesteht Scheuer. Eigentlich würde er viel lieber Gedichte schreiben, die geschrieben, dann einmal überarbeitet werden und dann fertig seien. „An einem Roman arbeite ich aber drei Jahre wie ein Bekloppter“, sagt er. Doch irgendwann falle ihm wieder eine Erzählung ein, und dann beginne erneut die Arbeit am nächsten Buch.
So wie jetzt. 2022 ist „Mutabor“ erschienen, die Arbeit am nächsten Buch schreitet voran. Mögliche Handlungen werden ent- und vielleicht auch wieder verworfen. „Ich bin nicht so schnell wie ihr Journalisten, ich würde das nicht hinkriegen“, gibt er zu. Und erzählt dann doch noch etwas über sein neues Buchprojekt.
Es werde auf jeden Fall in die Zeit der Flutkatastrophe hineinspielen, verrät Scheuer. Die Flut des Jahres 2021 habe er dagegen konkret in zwei Essays für die Süddeutsche Zeitung verarbeitet. Deshalb wolle er nun eine andere Perspektive einnehmen, kündigt der Autor an. Eigentlich sei das Thema Flut für ihn nicht neu, denn es würde seltsamerweise in allen seinen Romanen auftauchen, überlegt er.
Vom ersten Preisgeld eine neue Waschmaschine gekauft
Über die beiden Literaturpreise freue er sich, nicht zuletzt, weil sie mit einem Geldpreis verbunden seien. „Den ersten Literaturpreis habe ich übrigens vom Kreis Euskirchen erhalten“, berichtet Scheuer. In den 80er Jahren habe er mit seiner Frau Elvira das Haus in Keldenich gekauft, so dass es finanziell nicht immer einfach gewesen sei. Also war es ein Problem, als die Waschmaschine der Familie kaputtging.
„Literatur spielte damals eigentlich keine Rolle in der Eifel, aber der Kreis hatte einen Preis mit 5000 Mark ausgelobt“, erinnert er. Angesichts der kaputten Waschmaschine habe er sich darauf beworben und tatsächlich den ersten Preis gewonnen. So habe der Kreis sein erstes Buch „Der Hahnenkönig“ herausgebracht. „Klaus Ring vom Kulturamt hat damals das Lektorat gemacht“, sagt er.
Mitglied der Jury sei der Lyriker Hans Bender gewesen, der den jungen Nachwuchsautor in seine Wohnung in Köln einlud. „Er hat mich dann auf die Stühle gesetzt, auf denen die Schriftsteller Paul Celan oder Günter Grass gesessen hatten“, erinnert sich Scheuer. Bender habe sich bemüht, einen Verlag für das nächste Buch von Scheuer zu finden, doch er habe keinen Erfolg gehabt. Daraufhin habe Bender, der Präsident der Akademie für Sprache und Dichtung war, Scheuers ersten Gedichtband „Ein Echo von allem“ herausgegeben.
„Das war der Anfang, eigentlich skurril“, beendet Scheuer den Exkurs in die Vergangenheit. Dann nimmt er Bella an die Leine und macht sich durch den Regen zurück auf den Weg nach Keldenich.