Bei Lesung der Lit.EifelNorbert Scheuer verrät, wie er zu seinem neuen Buch kam
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Kall – „Mutabor“ heißt der neue Roman von Norbert Scheuer. Er erscheint am14. Juli, zum Jahrestag der Flut. Am Rande einer Autorenlesung aus seinem bisher jüngsten Roman „Winterbienen“ erzählte der in Keldenich lebende Autor, wie es zum neuen Buch mit dem Zauberspruch-Titel aus dem Märchen „Der Kalif Storch“ gekommen ist.
Scheuer bekannter Gegenwartsautor
Leben ist Verwandlung. Dieses Universalthema ist immer wieder Gegenstand der Bücher und Erzählungen von Norbert Scheuer, einem der bekanntesten Gegenwartsautoren hierzulande. Am 14. Juli erscheint sein neuer Roman „Mutabor“. Ein großer Weißstorch stakst auf dem Titelbild vor der Kulisse des heutigen Istanbuls, dem Byzanz aus dem Märchen, durchs seichte Uferwasser des Bosporus.
Wie der Kalif und sein Wesir sich im Märchen mit dem Ausspruch des Zauberwortes zu Störchen verwandeln und plötzlich der Sprache der Großvögel verstehen können, verwandelt sich auch Nina, die Hauptfigur von Scheuers neuem Roman. Eines Tages habe ihm eine junge Frau, die nicht Nina heißt, in seinem Stammcafé im Supermarkt in Kall ihre Geschichte erzählt, so Scheuer.
Norbert Scheuer ist einer der bekanntesten deutschen Gegenwartsautoren und gebürtiger Eifeler. Der 70-Jährige stammt aus Prüm und lebt in Keldenich.
„Kall, Eifel“ heißt auch der 2005 veröffentlichte Episodenroman über seinen Wohnort und die Nordeifel, mit dem er bundesweit bekannt wurde. Es folgten erfolgreiche Romane wie „Überm Rauschen“, „Die Sprache der Vögel“ und zuletzt „Winterbienen“.
Lesung in Kall
Die Premierenlesung von „Mutabor“ findet am 14. Juli um 20 Uhr in der Buchhandlung Pavlik, Bahnhofstraße 7, in Kall statt. Norbert Scheuer will sie als Benefizlesung zugunsten der vom Hochwasser überfluteten Buchhandlung verstehen. Karten gibt’s im Vorverkauf unter Tel. 02441/778604, oder per E-Mail.
Lesung in Metternich
Im Kulturhof Vellbrück in Metternich findet eine weitere Lesung mit Norbert Scheuer im Kreis statt. Sie ist im Rahmen der Lit.Eifel für Dienstag, 6. September, 19 Uhr geplant. Karten gibt’s online.
Das Buch
Mutabor, der Roman von Norbert Scheuer, erscheint im C.H. Beck Verlag, 192 Seiten mit 33 Zeichnungen von Erasmus Scheuer, 22 Euro. ISBN 978-3-406-78152-0
Die Geschichte einer Außenseiterin, die als Kind durch das Schreiben ihr Leben versteht und es anzunehmen beginnt. Im Buch überwindet Nina dank einer empathischen Lehrerin ihre Schreib- und Leseblockade. Das verändert ihr Leben.
Mythische Sinnsprüche auf Bierdeckel sind nicht erfunden
Auf 192 Seiten erzählt Scheuer diesen Prozess, angereichert wird das Buch mit 33 Zeichnungen von Sohn Erasmus Scheuer. Wie in seinen bisherigen Romanen hat der Autor über Monate recherchiert, was ihm für die vielschichtige Konstruktion seines Romans bedeutsam schien: Die mythischen Sinnsprüche auf Bierdeckeln, die Nina bei ihrem Lieblingsgriechen entdeckt, gab es tatsächlich.
Der im Text erwähnte „Palast der Störche“ existiert in Istanbul als „Hospital der Störche“. „Beides sind Orte, an denen es einem gut gehen soll“, so Scheuer zur Verschiebung der Bedeutung.
Wie immer in seinen Werken ist das, was auf den Seiten steht, nie nur das, was damit gemeint ist. Vieldeutigkeit, Anspielungsreichtum, verschiedene Realitäts- und Zeitebenen: Alles ist in den Romanen und Erzählungen von Norbert Scheuer verschränkt. Seine Meisterschaft besteht darin, das, was er aufschreibt, dennoch leicht lesbar wirken zu lassen.
Frage nach Realitätsgehalt
Nina gerät so über die Entdeckung ihrer Kreativität in Zeichnungen und selbst geschriebene Texte, an ihr Unbewusstes. Sie vergewissert sich ihrer selbst, erinnert Vergessenes und Verdrängtes. Sie erforscht die Geschichte ihrer verschwundenen Mutter, sie entdeckt aber auch Abgründe ihres Vaters. Nina verwandelt sich, wie das Urftland ihrer Heimat dabei zum geheimnisvollen Land der Mythen wird.
Autor Scheuer ist der Literaturarchäologe und Meister des Wundersamen, der das alles in eine Form bringt. Er werde immer wieder nach dem Realitätsgehalt seiner Bücher gefragt, so der Autor. Darum gehe es beim literarischen Schreiben genauso wenig wie beim Malen eines Bildes. Real ist allenfalls die Methode: „Ich denke mir jedenfalls überhaupt nichts aus. Ich erzähle und ich recherchiere das, was ich erzählen will.“
Anders als im Märchen setzt sich Scheuer nicht unter Humorverzicht. Wer lacht, der muss wie „Kalif Storch“ immer ein Storch bleiben, heißt es. Weißstörche sind in der Eifel häufiger zu sehen. Ob es Kalife, Wesire, oder andere Verwandelte sind – wer weiß das schon? Wie Nina in „Mutabor“ stehen sie in dieser literarischen Parabel für die Möglichkeit der Verwandlung an sich.