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Fastelovend im HerzenDen Jecken im Kreis Euskirchen bleibt nur die Hoffnung

Lesezeit 5 Minuten

Konfetti-Statement: Der Karneval war zunächst durch Corona geprägt, dann stand er unter dem Einfluss des Ukraine-Kriegs.

  1. Die Jecken im Kreis Euskirchen haben die zweite Session verloren.
  2. Mit dem Krieg in Europa, der Pandemie und auch den Flutfolgen ließ sich nicht unbeschwert feiern.
  3. Manche Kinder kennen den Karneval noch gar nicht, viele Jecke werden ihn ganz neu lernen müssen.
  4. Über Karnevalsfrust – und was uns Jecken bleibt.

Kreis Euskirchen – Was haben die Karnevalisten in den vergangenen beiden Jahren alles aushalten müssen: Corona, Flut, wieder (oder immer noch) Corona – und nun auch noch Krieg in Europa. Mit dem letzten Lied, das gesungen, und dem letzten Alaaf, das verklungen ist, beginnt normalerweise der Abgesang auf die Session.

Karneval wieder (neu) erlernen

Doch nach zwei nahezu karnevalslosen Jahren müssen die Jecken das womöglich wieder üben. Oder überhaupt lernen: Die Kitas haben diesen Job vielerorts übernommen, da die Kleinsten noch gar nicht wissen, was Fastelovend überhaupt ist, warum die Kamelle im Zoch auf den Boden geworfen werden – und wie toll es ist, die aufzusammeln.

Auch manch eine Tollität musste mit dem Fastelovendsgott ganz schön hadern. Teils – etwa in Roitzheim – warten sie seit drei Jahren darauf, endlich mal regieren zu dürfen: 2020 kam der Sturm dazwischen, 2021 Corona – und dieses Jahr kam irgendwie alles zusammen.

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Die Jecken Höhner setzten blau-gelbe Akzente an ihren Kostümen. Sie zogen verkleidet durch Euskirchen.

Als die Corona-Session 2020/21 verdaut war und das Leben sich zu normalisieren begann, brach mit dem 14. Juli der Tag, an dem das Wasser kam, über die Region herein. Dass dabei auch viele jecke Träume fortgespült wurden, die Gemünder etwa ihr komplettes Vereinsheim samt aller Kostüme verloren haben, war in den ersten Tagen und Wochen nach der Katastrophe kaum der Rede wert.

Karneval feiern in Trümmern

Später stellten sich die Karnevalisten in den so hart getroffenen Orten die Frage, ob und wie sie eine Art Karneval in den Trümmern feiern wollten. Einige konnten sich das gar nicht vorstellen. Andere, die Bad Münstereifeler etwa, besannen sich des Karnevals nach dem Krieg und entwickelten die Idee, vielleicht ganz einfach und ganz ursprünglich feiern zu wollen – so, wie der Karneval einst ohnehin gedacht war.

Doch all die Gedanken sollten sich im Herbst als überflüssig herausstellen: Corona meldete sich mit Macht zurück und wollte schon wieder die erste Geige in unserem Leben spielen. Kein Tusch, kein Alaaf – stattdessen mal wieder ab aufs Sofa und Distanz halten.

Die Jecken haben den Driss satt

Wie satt die Jecken den Corona-Driss haben, ist in diesen Tagen und Wochen deutlich geworden. Sind sie im vergangenen Jahr mit so viel Kreativität darangegangen, neue Formate zu entwickeln, zu überlegen, was sich online und auf Distanz machen lässt, war das dieses Mal weniger. Da waren wohl doch eher Sentimentalität und Traurigkeit die Triebfedern, als in den Sozialen Netzwerken Filme mit Zusammenschnitten einstiger Sitzungen und Zöch auftauchten. Och wat wor dat fröher schön ...

Zu bedauern sind all die Vereine, die die Jeckerei in den Orten nicht mit allzu üppiger Finanzkraft, dafür aber umso mehr Engagement und Enthusiasmus stemmen. Im Jahr zuvor hatten sie zwar auch Pläne geschmiedet und waren Verpflichtungen eingegangen für die Sitzungen, Partys und Bälle. Aber die Landesregierung hatte frühzeitig klar gemacht: Keine Chance!

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Fuhr den Traktor mit Friedensbekenntnis: Simon Deuster.

Was ein Unterschied zum Eiertanz in diesem Jahr. Absage in Eigenverantwortung hat es im Herbst geheißen. Was bitteschön soll das denn? Direkt alle Pläne in die Tonne kloppen? Oder das Prinzip Hoffnung regieren lassen? Dass sich niemand den Schwarzen Peter einhandeln wollte, eine Sitzung durchzuziehen, die sich möglicherweise als Superspreader-Event entpuppt, ist nur zu verständlich.

Vereine sind gefrustet

Genauso verständlich ist, dass die Verantwortlichen der Vereine mächtig Frust geschoben und sich regelrecht verarscht gefühlt haben, als plötzlich doch was ging, als auf einmal Brauchtumszonen aus dem Hut gezaubert wurden. Und in Kölle mit all der karnevalistischen Finanzkraft ganz schön viel möglich sein sollte.

Dass in vielen Orten flott was auf die Beine gestellt wurde – ob Rievkooche-Esse oder Karnevals-Frühstück mit Frühschoppen – ist aller Ehren wert und spricht für die Fantasie und die Einsatzbereitschaft der Eifeler Jecke. So kann’s aber nicht weitergehen: Die Vereine brauchen Planungssicherheit – und keine Brauchtumszonen-Erfindung zwei Wochen vor Weibertag.

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Gegen Putin und für den Frieden waren diese beiden Frauen.

Dass sich über all dies ein gewaltiger Schatten legen würde, konnte indes kein Jeck und kein Verordnungsmacher auf dem Schirm haben. Am Donnerstagmorgen wachten wir auf – und die Welt war schon wieder nicht mehr so, wie sie war. Putin hat die Ukraine überfallen, es ist Krieg in Europa.

Feiern in Kriegszeiten?

Und schon wieder mussten sich die Verantwortlichen Gedanken machen: Kann, darf man jetzt überhaupt feiern? Die Frage stellten sich auch all die Jecken, die sich auf ein paar unbeschwerte Stunden gefreut hatten. Einfach mal Corona Corona und Flutschäden Flutschäden sein lassen. Kann man auch Krieg Krieg sein lassen? Ist es fatalistisch zu sagen, dass es Putin keinen Deut interessiert, ob in einem Eifeldorf Karneval gefeiert wird? Dass auch am Aschermittwoch noch Krieg ist? Vielen war die Lust auf Feiern vergangen.

Doch diejenigen, die sich entschieden haben, für ein paar Stunden die trüben Gedanken zu vergessen, darf niemand verurteilen. Für viele ist das nötig – auch, um Kraft zu tanken. „Das reinigt die Seele“, hat es ein Jeck sehr treffend formuliert.

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Was bleibt von dieser mal wieder verlorenen Session? Ganz viel Hoffnung und eine kräftige Portion Vorfreude. Dass nächste Session nun wirklich alles besser wird. Dass das Corona-Thema endgültig beerdigt werden kann. Dass die Wunden, die die Flut geschlagen hat, heilen. Dass Putin die Welt nicht in den Abgrund reißt. Die Eiserfeyer hängen’s stellvertretend für all die Jecken, all die Sitzungen und Zöch in Form eines großen, stolzen, trotzigen Plakats an ihre Vereinskneipe: „Jeck jeht nit weg! Lichterzug 2023 – Met üsch zesamme.“

Mit einem janz leisen Alaaf, Helau, Juh-Jah und Wau-Wau verabschiedet sich die närrische Zeitung bis zum Elften im Elften. Mit all den Jecken hoffen wir, dass es in 254 Tagen tatsächlich unbeschwert und voller Lebensfreude heißen kann: Wenn et Trömmelche jeht.