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Für AsylsuchendeBürgermeister aus Kall, Schleiden und Hellenthal zweifeln an Bezahlkarte

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Eine Frau aus Armenien hält das Muster einer Bezahlkarte in die Kamera.

Eine Frau zeigt ein Muster einer Bezahlkarte für Asylsuchende

Während die Kaller CDU die Bezahlkarte für Asylsuchende fordert, sind die Bürgermeister aus Kall, Schleiden und Hellenthal skeptisch. 

Die Kaller CDU will so schnell wie möglich die Bezahlkarte für Asylsuchende einführen. Die Christdemokraten haben beantragt, dass die Gemeindeverwaltung die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen vorbereitet. Doch Bürgermeister Hermann-Josef Esser will abwarten, bis wesentliche Rahmenbedingungen und offene Fragen geklärt sind. Sein Kollege Rudolf Westerburg aus Hellenthal geht noch einen Schritt weiter: „Ich habe lange Zeit auf eine einheitliche Lösung im Bund oder im Land gehofft. Da es die nicht gibt, sollte man die Finger davon lassen.“

Nordrhein-Westfalen hat Anfang Januar die ersten Bezahlkarten an Flüchtlinge verteilt, die Bargeldzahlungen und Überweisungen weitestgehend ersetzen sollen. In der Verordnung wurde unter anderem eine monatliche Höchstgrenze von 50 Euro Bargeld pro Person festgesetzt. Bei nachgewiesenem Mehrbedarf sind nach Angaben der Gemeinde Kall aber zusätzliche Bargeldauszahlungen möglich.

Die Karte ist für die Nutzung im Ausland gesperrt und kann nicht für Glücksspiel, Geldtransfers sowie sexuelle Dienstleistungen verwendet werden. Kommunen können aber auf die Einführung der Karte verzichten. Kritiker wie der Flüchtlingsrat NRW warnen vor bürokratischem Mehraufwand, unter anderem weil Behörden nach Gerichtsentscheidungen jeweils im Einzelfall prüfen müssten, ob eine Deckung grundlegender Bedürfnisse mit der Bezahlkarte überhaupt möglich sei.

Missbrauch sozialer Leistungen soll erschwert werden

„Leider ist unser bisheriges Auszahlungssystem der staatlichen Sozialleistungen stark missbrauchsanfällig und setzt oftmals falsche Anreize. Die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete ist daher nicht nur richtig, weil sie hilft, den Missbrauch von sozialen Leistungen zu erschweren, sondern auch, um unsere Verwaltung durch weniger bürokratischen Aufwand zu entlasten“, erklärt der CDU-Fraktionsvorsitzende Bert Spilles in dem Antrag. Die Bezahlkarte solle Geflüchteten ermöglichen, staatliche Leistungen als Guthabenkarte zu erhalten, wodurch die Auszahlung von Bargeld größtenteils entfalle.

Dieser Schritt soll laut CDU vor allem dazu dienen, illegale Geldtransfers ins Ausland zu verhindern und sicherstellen, dass die finanzielle Unterstützung auch wirklich für den Lebensunterhalt vor Ort verwendet wird. Die kommunalen Spitzenverbände und die Landesregierung hätten bereits Gespräche zur Einführung und Ausgestaltung der Bezahlkarte in NRW geführt.

Es bestehe Einigkeit darüber, dass die Karte möglichst verbindlich und flächendeckend sowie mit möglichst einheitlichen Standards eingeführt werden solle. „Die CDU-Fraktion ist sich dessen bewusst, dass die Umstellung auf die Bezahlkarte möglicherweise zunächst auch zu einigen Herausforderungen führen kann, aber wir sind überzeugt, dass dies eine wichtige Maßnahme ist, die es zu forcieren gilt“, so Spilles.

Erfahrungswerte aus Pilotkommunen sollen in Kürze vorliegen

Mit der Karte könne der Verwaltungsaufwand gesenkt, die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen, unterbunden und dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität bekämpft würden. Mit dem Antrag der CDU in Kall wird sich der Ausschuss für Schule, Soziales und Generationen in seiner nächsten Sitzung am kommenden Dienstag ab 18 Uhr im Haus der Begegnung in Kall befassen.

Nach Angaben der Kaller Gemeindeverwaltung plant das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration einen Erlass, der im April oder Mai veröffentlicht werden soll. Dann sollen auch erste Erfahrungswerte aus den Pilotkommunen vorliegen, die Rückschlüsse auf die praktische Umsetzung und eventuelle Probleme erlauben.

„Wir sind vorsichtig und möchten abwarten, welche Erfahrungen andere Kommunen gemacht haben“, sagte Esser. Die Bezahlkarte sei ursprünglich ein Thema der Bundespolitik gewesen. „Die Diskussion ist mittlerweile aber abgekühlt“, so der Bürgermeister. „Die Einführung darf auf keinen Fall zu einem Mehraufwand für die Verwaltung führen“, betonte Esser.

Interkommunale Zusammenarbeit von Kall, Schleiden und Hellenthal

Im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit ist die Gemeinde Hellenthal für die Durchführung der Leistungsauszahlung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Schleiden und Kall zuständig und wäre die ausführende Behörde bei Einführung der Bezahlkarte. Mit dem derzeit verwendeten Softwareprogramm zur Leistungsgewährung sei die Einführung der Bezahlkarte aber nicht umsetzbar, so die Kaller Verwaltung. Dafür müssten erst Anpassungen durch den Systemhersteller und die Gemeindeverwaltung Hellenthal vorgenommen werden. Zudem spricht sich die Verwaltung für eine einheitliche Vorgehensweise mit den Kommunen im Kreis Euskirchen aus, um eine „koordinierte und rechtskonforme Umsetzung sicherzustellen“.

„Wenn das Kartensystem funktioniert und es kein großer Mehraufwand ist, bin ich für eine Einführung“, sagte Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings. Ziel müsse sein, den Geldabfluss ins Ausland zu stoppen. „Es macht aber Sinn, erst einmal die Erfahrungen der Pilotkommunen abzuwarten und eine kreisweite Lösung anzustreben.“

„Wir haben schon vor einiger Zeit das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und sind zu dem Schluss gekommen, dass das alles nur Stückwerk ist“, meinte dagegen Westerburg. Die Ziele, Missbrauch zu verhindern und den bürokratischen Aufwand zu reduzieren, würden verfehlt. „Mit der jetzt gewählten Regelung hat man der Bezahlkarte den Todesstoß versetzt“, spricht Westerburg Klartext. Auf die Kommunen käme ein immenser Verwaltungsaufwand zu, der nicht zu bewältigen sei.