Das Thema Wolf wird im Kreis Euskirchen kontrovers diskutiert. Die Halter von Nutztieren sind besorgt.
Debatte um den WolfTierarzt Dr. Michael Weiler kritisiert das Wolfsmanagement
Der Umgang mit dem Wolf wird in der Region seit einigen Jahren, als die ersten Nachweise geführt wurden und 2019 das Wolfsgebiet Hohes Venn-Eifel samt einer Pufferzone eingerichtet wurde, kontrovers diskutiert. Besorgt sind die Halter von Nutztieren: Egal, ob sie drei oder 300 haben, ob Schafe, Ziegen, Ponys, Rinder oder Pferde – sie eint die Angst, dass ein Wolf in ihre Herde einfallen könnte. Auf großes Interesse stoßen regelmäßig die Infoveranstaltungen zum Thema: 120 Besucher kamen etwa jüngst in den Tondorfer Dorfsaal, um einen Vortrag von Dr. Michael Weiler zu hören.
Weiler ist Tierarzt, ehemaliger Besitzer einer Pferdeklinik und Wolfsbeauftragter des hessischen Pferdesportverbandes. Er sei kein Gegner des Wolfes, sagt Weiler. Doch die Art, wie damit umgegangen werde, führe seiner Ansicht nach zu einer unumkehrbaren Eskalation. Vor allem in Osteuropa, unter anderem in Estland und Russland, habe er seine Kenntnisse über den Wolf erworben. So sei er erstaunt gewesen, als ein deutsches Expertenteam Thesen aufgestellt habe. Etwa, dass der Wolf nicht springe. Oder dass Rinder und Pferde keine Beute darstellten. In Osteuropa gehörten auch Rothirsche und Elche zur Beute der Wölfe.
Tierarzt kritisiert das Wolfsmanagement in Deutschland
Seine Ausführungen untermalte Weiler mit Videos und Fotos: von Wölfen, die mit Leichtigkeit über Zäune setzen, von gerissenen Nutztieren und auch von solchen, die bei lebendigem Leibe angefressen worden sind. Derartiges ist starker Tobak für so manchen der Tierhalter.
Am Wolfsmanagement in Deutschland lässt Weiler kein gutes Haar. So habe seiner Ansicht nach bei Übernahme der EU-Richtlinie zum Schutz des Wolfes die Möglichkeit bestanden, auch die Reduzierung der Wolfspopulation in die nationalen Richtlinien zu schreiben. Das sei in 14 anderen europäischen Ländern geschehen. Dort sei der Schutzstatus nicht so hoch wie hierzulande.
In Deutschland richte man sich nach dem „Günstigen Erhaltungszustand“. Den formuliert das Bundesumweltministerium bezogen auf den Wolf folgendermaßen: „Wölfe leben jetzt und auch in Zukunft überall dort, wo sie von Natur aus leben können; der Lebensraum und das Nahrungsangebot jetzt und auch zukünftig wird ausreichen, um das Überleben der Wölfe langfristig zu sichern. Die Anzahl der Wölfe ist außerdem ausreichend groß, dass die Wölfe auch in Zukunft nicht wieder aussterben können, zum Beispiel durch Krankheiten, Verkehrsunfälle oder Wilderei.“
Mehr als 1300 Wölfe wurden 2022/23 deutschlandweit gezählt
Diesen Zustand sieht Weiler in Deutschland als erreicht an. Laut der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) sei bei einem genetischen Austausch, wie er durch die aktuellen Wanderbewegungen gesichert sei, eine Zahl von 250 Wölfen in Deutschland für die Arterhaltung ausreichend.
Das Bundesumweltministerium zitiert auf seiner Internetseite die DBBW (Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf), die für das Monitoringjahr 2022/23 insgesamt 184 bestätigte Rudel, 47 Paare und 22 territoriale Einzeltiere ausweist. Anlässlich des Monitorings sind demnach in den bestätigten Wolfsterritorien insgesamt 1339 Wolfsindividuen nachgewiesen worden. Weilers Einschätzung dazu: „Ein Bestandsmanagement ist unmöglich, ich kann keine Hoffnung machen.“
Herdenschutz sei in der Realität nicht zu leisten und viel zu teuer. Wölfe seien so intelligent, dass sie jeden Zaun überwinden können. Dazu dürfte die Panik der Tiere nach einem Wolfsangriff nicht vergessen werden. Riesige Zäune müssten, so Weiler, zu immensen Kosten gebaut werden. Durch den dabei eingesetzten Strom würden jedoch auch Kleinsäuger wie Igel oder Hasen „gegrillt“, wie Weiler es formulierte. Er kommt zu einer düsteren Prognose: „In Wolfsgebieten können Sie Weidehaltung vergessen. Es ist nur eine Frage der Zeit.“
Aggressive Hunde zum Herdenschutz können zu neuen Problemen führen
Eine Gefahr für Menschen bestehe auch. 3013 Attacken auf Menschen in Europa habe eine Studie des Norwegischen Instituts für Naturforschung (NINA) ermittelt, davon rund 1600 tödlich. Jedoch: 2749 Fälle davon trugen sich im 18. und 19. Jahrhundert zu. In einem Update der Studie, das 2021 veröffentlicht wurde und den Zeitraum von 2002 bis 2020 betrachtet, werden weltweit 489 Wolfsangriffe auf Menschen genannt, davon endeten 26 tödlich. In Europa wurden laut der Studie 77 Angriffe verzeichnet, von denen keiner tödlich endete.
„Wir müssen keine Panik haben, aber ich sehe ein Problem“, so Weiler. In puncto Herdenschutz sieht er allerdings nur eine Möglichkeit: Die Verwendung von Schutzhunden mit hoher Aggression. Das Problem sei aber, dass damit ein Tierkampf programmiert sei – und dieser durch das Tierschutzgesetz verboten sei. Auch sei in dieser Thematik eine weitere Frage ungeklärt: „Was passiert, wenn ein Herdenschutzhund einen Wolf, der streng geschützt ist, verletzt?“
In der anschließenden Diskussion forderte Albert Jung, Bürgermeister aus Kaisersesch und Mitglied der Freien Wähler, eine Initiative Wolfsfreie Eifel. Dagegen erhob sich Widerspruch aus dem Publikum. Etwa von einem Zuhörer, der ein Herdenschutzseminar in Steffeln besucht habe. Dort sei berichtet worden, dass die Schutzmaßnahmen greifen. „Zuerst ja“, stimmte Weiler dem teilweise zu. Aber: Die Wölfe lernten, die Zäune zu überwinden.