Seit Jahren arbeitet eine AG die Geschichte des Luftkriegs in und über der Eifel auf. Aktuell wird nach Resten abgestürzter V1-Bomben gesucht.
HistorieAG erforscht den Luftkrieg über der Eifel und bereitet Museum in Vogelsang vor
Es piept im Blankenheimer Wald. Mal laut, mal leise, mal hoch, mal tief, mal melodiös – manchmal auch nervig. Mal steigt die Tonhöhe, dann fällt sie wieder. Aus allen Richtungen kommen die Geräusche, wo die Lokalhistoriker mit ihren Metallsuchgeräten unterwegs sind. Die Töne verraten ihnen nicht nur, ob Metall im Boden ist, sondern auch, je nach Gerät, in welcher Tiefe es liegt und welches Metall zu erwarten ist.
Langsam steigt die Hitze an diesem Morgen. Doch in dem schattigen Tal, in dem das Team der AG Luftkriegsgeschichte Rhein/Mosel unterwegs ist, bleiben die Temperaturen erträglich. Acht Ehrenamtler suchen im Wald in der Gemeinde Blankenheim nach Überresten einer V1. Zwei Stellen stehen an diesem Tag im Fokus. Während die eine Absturzstelle bereits gesichert ist, wurden von einer anderen V1 bereits Teile gefunden, doch wo sie tatsächlich aufgekommen ist, ist ein Rätsel.
Die V1-Bomben waren im Zweiten Weltkrieg als „Eifelschreck“ bekannt
Rund 22.500 dieser Flugbomben wurden zwischen Juni 1944 und März 1945 auf London, später vor allem auf Antwerpen, Rotterdam und Lüttich abgefeuert. Zuerst von Startrampen in Nordfrankreich, nach der erfolgreichen Landung der Alliierten in der Normandie auch aus dem Rheinland. Aus der Eifel sind drei Plätze bekannt: bei Lommersdorf, Freilingen und Rohr. Doch nur ein geringer Teil der Bomben erreichte ihr Ziel. Zwischen zehn und 15 Prozent stürzten vorher ab, was ihnen den Beinamen „Eifelschreck“ einbrachte.
„Dort hinter den Fichten lagen die Teile der V1“, sagt Frank Güth. Er ist Vorsitzender der AG, die derzeit in Vogelsang ein Museum zur Luftkriegsgeschichte einrichtet. Die V1 soll ein wesentlicher Teil davon werden, denn während sie als „Vergeltungswaffe“ von der Propaganda der Nationalsozialisten verherrlicht wurde, brachte sie nichts als Terror für die Zivilbevölkerung. Der Historiker Peter Hall listet 23.500 Tote und knapp 38.000 Verletzte auf.
Anders als so mancher Militariasammler, der heimlich durch Feld, Wald und Flur schleicht, sind die Ehrenamtler der AG mit allen erforderlichen Genehmigungen unterwegs. Seit 2003 gibt es den Verein, seit 2009 arbeitet er mit dem Amt für Bodendenkmalpflege des LVR zusammen. „Die Archäologen haben weder die Zeit noch die Expertise, sich um dieses Thema zu kümmern“, so Güth. Also sind die Lokalhistoriker nicht nur mit dem Auftrag der Ämter unterwegs, sondern auch mit dem Wissen aller Behörden, denen die Sondengänge angezeigt werden.
Die Luftkriegsforscher arbeiten mit dem LVR und Museumsexperten
Aus gutem Grund, denn unvermutet stehen zwei Jagdaufseher im Suchgebiet und erkundigen sich, warum die Gruppe im Wald ist. Sie wüssten nichts davon, und die Gruppe hätte auch nicht mit ihren Autos hierherfahren dürfen. Doch Güth bleibt gelassen: Der Revierförster als zuständige Ordnungsbehörde habe das schließlich abgesegnet.
Bereits vor einem Monat haben die Luftkriegshistoriker die Teile abtransportiert, die vielleicht schon seit Jahrzehnten zur Abholung bereit gelegen hatten, berichtet Güth. Um den Querholm zu transportieren, seien vier Personen notwendig gewesen. Doch wo genau das Fluggerät auf dem Boden aufgesetzt habe, sei immer noch ungewiss. Weiträumig durchstreifen die Sucher den Wald. Einer sucht mit der Sonde, der andere hat den Spaten dabei. Für sie ist eines wichtig: keinen Flurschaden zu hinterlassen. „Deshalb werden die Löcher immer wieder zugeschüttet – Sondengängerehre“, sagt Güth.
Gegen Mittag macht sich kurzzeitig Ermattung breit. Viele Fragmente der Flugbombe sind gefunden, doch ein großer Fund ist nicht zu verzeichnen. Ein zerfetztes Stück der Drucklufttanks für die Steuerung wird gefunden, dessen Zustand auf eine Explosion hindeutet. Doch dann Aufregung: In einem Fichtenwäldchen werden Teile gefunden, die anzeigen, dass dort der Aufschlag der V1 gewesen sein könnte.
Die ehrenamtlichen Forscher verfügen über umfangreiches Wissen
„Wir finden hier viele Strukturteile, die kraftaufnehmend sind. Die fliegen beim Absturz nicht weg“, sagt Gerald Scholz. Der Mönchengladbacher ist Prüftechniker für Flugzeuge und hütet bei sich ein komplettes Archiv zur Luftfahrthistorie. Seit vielen Jahren widmet er sich der Suche nach Flugzeugwracks und ist Gründungsmitglied der AG. „Als Achtjähriger habe ich zwei Airfix-Modelle geschenkt bekommen, damit war das Flugzeugen gelegt“, sagt er. Doch Pilot habe er nicht werden wollen, stattdessen habe er Flugzeugmechaniker gelernt. Doch seine Begeisterung für alles, was fliegt, habe noch immer etwas von dem kleinen Jungen, der die Modelle zusammengeklebt habe.
Auch die anderen Ehrenamtler haben dezidiertes Wissen über die Technik der Flugzeuge, nach denen sie suchen. Wie Mark Michels aus Marmagen, der sich um die Restaurierung der gefundenen Teile und ihre Präsentation im werdenden Luftkriegsmuseum in Vogelsang verdient macht. Um die Dimensionen der V1 deutlich zu machen, bedient er sich am Vorbild der Dinosaurier. Wenn die im Museum gezeigt werden, werden die gefundenen Fossilien an einem kompletten Skelett ausgestellt. Ähnlich soll es in Vogelsang werden: An einem Holzmodell in Originalgröße werden die Funde montiert.
Modell der V1-Bombe samt der Funde soll in Vogelsang gezeigt werden
An der zweiten Stelle macht er sich an die Säuberung der kleinen, silberfarbenen Metallteile, die im Schlamm gefunden werden. „Das sind Fragmente der Klappenregister“, sagt er und zeigt auf einer Zeichnung des V1-Antriebs ihre Position. Sie gehören zum Pulsstrahltriebwerk, das den Schub lieferte. „Im Grunde zerstört sich dieser Antrieb irgendwann selbst, wenn er länger läuft“, erläutert Michels. Warum etwas Dauerhaftes bauen, wenn die Zerstörung ohnehin eingeplant war. Vor allem waren die Triebwerke billig. Komplett habe eine V1 gerade einmal 3500 Reichsmark gekostet, so Michels.
Dass Militariasammler solche Funde im Internet verkaufen, ärgert die AG-Mitglieder – so werden sie der Forschung entrissen. Doch das ist der Antrieb für die rund 25 Mitglieder der AG und ihr Museum. Die Relikte der abgestürzten oder abgeschossenen Fluggeräte aus dem Zweiten Weltkrieg zu finden, zu sichern und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist das Ziel der Sondengänger. Seit fünf Jahren arbeiten sie mit Museumsexperten an der Präsentation der Realität des Luftkriegs in und über der Eifel. „Wir mussten erst einmal die Behörden davon überzeugen, dass wir ernsthaft an der Aufarbeitung des Themas interessiert sind“, sagt Güth.
Dass im zweiten Suchgebiet eine V1 mit einer Explosion aufgeschlagen ist, ist unübersehbar, da sich ein kleiner Tümpel in dem Krater gebildet hat. Rundherum wurden bei einer ersten Exploration bereits Teile gefunden, jetzt sind hier die Forscher zur Nachsuche unterwegs. Am Nachmittag beenden sie die Suche. Der Tag war erfolgreich. Zwar sind vor allem kleine Stücke gefunden worden, doch bei der ersten Suche konnte die wahrscheinliche Aufschlagstelle gefunden werden und bei der zweiten viele Teile für die Präsentation gesichert werden.
Die Flugbombe Fieseler Fi 103
Fieseler Fi 103 lautet der offizielle Name der Flugbombe, die von der Propaganda der Nationalsozialisten als „Vergeltungswaffe“ V1 bezeichnet wurde. Sie war der erste militärisch eingesetzte Marschflugkörper, eigentlich eine Bombe mit Flügeln und Strahlantrieb. Rund 7,75 Meter lang war sie und trug einen Sprengkopf mit knapp 850 Kilogramm Amatol.
Angetrieben wurde sie von einem Pulstriebwerk, das den Start von einem Katapult notwendig machte. Derartige Triebwerke entwickeln eine ungeheure Lautstärke und ein charakteristisches, knatterndes Betriebsgeräusch. Die zurückgelegte Wegstrecke maßen die Fluggeräte mit einem Propeller an der Spitze, der nach einer festgelegten Anzahl von Umdrehungen den Absturz einleitete.
Viele der Marschflugkörper wurden von der gegnerischen Luftabwehr abgefangen. Neben der Flak gelang es den Jagdpiloten der Alliierten, die Flugbomben zum Absturz zu bringen.