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AOK-UmfrageEuskirchen, Rhein-Sieg und Bonn: Eltern sind besorgt um Gesundheit ihrer Kinder

Lesezeit 6 Minuten
Ein Kind isst Brokkoli.

Gesunde Ernährung ist sehr wichtig: 0,5 Prozent der Kinder in den Kreisen Euskirchen und Rhein-Sieg sowie in Bonn haben eine diagnostizierte Adipositas, doch laut AOK ist die wirkliche Zahl viel höher.

Der AOK-Kindergesundheitsatlas weist für die Kreise Euskirchen und Rhein-Sieg sowie für Bonn großen Handlungsbedarf auf.

Ob Adipositas oder ADHS, ob psychische Erkrankungen oder Entwicklungsstörungen – chronische Leiden bei Kindern bereiten den Eltern große Sorgen.

Gerade mal 47,2 Prozent der befragten Erziehungsberechtigten im Gebiet der AOK-Regionaldirektion Bonn, Rhein-Sieg-Kreis, Kreis Euskirchen schätzen den Gesundheitszustand ihrer Kinder als sehr gut ein. Das geht aus dem aktuellen Kindergesundheitsatlas der AOK-Rheinland/Hamburg hervor. In keiner anderen der zehn Regionaldirektionen war der Wert so niedrig.

In der Gesamtbefragung sieht jeder dritte Elternteil, bei dessen Kind eine chronische Erkrankungen diagnostiziert ist oder vermutet wird, die Belastung des Kindes (32 Prozent) sowie die eigene Belastung (34 Prozent) durch die Erkrankung des Kindes als sehr stark oder eher stark an.

Negativ-Rekord: Weniger als die Hälfte der Eltern schätzt Gesundheit der Kinder als sehr gut ein

Zudem sind Ängste und Sorgen weit verbreitet: 43 Prozent befürchten laut Umfrage eine Verschlechterung der Erkrankung, 42 Prozent eine dauerhafte Beeinträchtigung. Dazu kommt, dass fast ein Drittel der betroffenen Eltern (29 Prozent) fürchtet, nicht ausreichend informiert zu sein, oder nicht sicher ist, ob sie ihrem Kind bestmöglich helfen können. 16 Prozent der Eltern treibt die Frage um, ob sie eine Mitschuld an der Erkrankung der Kinder tragen.

„Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass wir die Gesundheitskompetenz in den Familien und besonders bei den Eltern stärken müssen“, kommentiert AOK-Regionaldirektor Helmut Schneider die Ergebnisse. Die Erziehungsberechtigten benötigten einen verständlichen Überblick über Vorsorgeuntersuchungen, Informationen über die Krankheitsbilder sowie über gesundheitsfördernde Verhaltensweisen.

Das Bild zeigt Helmut Schneider.

„Eltern stärken“: AOK-Regionaldirektor Helmut Schneider.

Adipositas Die Autoren haben nicht nur die Einschätzung der Eltern oder die getroffenen Diagnosen berücksichtigt, sondern auch Gewicht, Größe und Alter der Kinder erfasst. Dabei kam heraus: Bei zwei Prozent der Kinder im Kreis Euskirchen, in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis ist eine Adipositas diagnostiziert worden. Die Ermittlungen des Body-Mass-Index ergeben hingegen eine Quote von sieben Prozent.

Starkes Übergewicht der Kinder löst bei den   Eltern im Vergleich zu anderen Erkrankungen besonders große Sorgen aus: 63 Prozent befürchten nach einer Diagnose eine gesellschaftliche Benachteiligung der Kinder, 45 Prozent bei einem Verdacht auf Adipositas. Ebenfalls Sorgen bereiten den Erziehungsberechtigten dauerhafte Beeinträchtigungen (83 Prozent/50 Prozent) und eine Verschlimmerung der Erkrankung (80 Prozent/53 Prozent).

AOK-Regionaldirektor sieht einen großen Bedarf an Informationen

59 Prozent bei einer Diagnose und 39 Prozent bei einem Verdacht befürchten eine eigene Mitschuld an der Erkrankung des Kindes. 44 Prozent (Diagnose) beziehungsweise 30 Prozent (Vermutung) der Eltern haben Sorgen, dass sie die Krankheit des Kindes überfordert.

„Oftmals spielt auch Scham eine Rolle“, sagt Helmut Schneider. Denn nur ein halbes Prozent der Eltern aus Bonn, dem Rhein-Sieg-Kreis und Euskirchen gaben an, dass ihr Kind eine Adipositas-Diagnose hat. Das ist der niedrigste Wert unter allen zehn Regionaldirektionen (1,7). Dabei vermuten aber hierzulande mehr als sechsmal so viele Eltern (3,4 Prozent), dass bei ihrem Kind eine Adipositas vorliegt.

Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass wir die Gesundheitskompetenz in den Familien und besonders bei den Eltern stärken müssen.
Helmut Schneider, AOK-Regionaldirektor

Das wiederum liegt über dem Schnitt der zehn Regionalgebiete der AOK Rheinland/Hamburg (2,9). „Mit gesunder Ernährung, regelmäßiger körperlicher Aktivität, einer adäquaten medizinischen Begleitung und emotionaler Unterstützung steht den Eltern adipöser Kinder eine Reihe wirksamer Mittel zur Verfügung, um die Erkrankung und ihre sozialen Folgen in den Griff zu bekommen“, so Schneider. Es sei daher wichtig, Familien aufzuklären und ihnen nachhaltige und gangbare Wege aus der Situation aufzuzeigen.

Psychische Erkrankungen 8,3 Prozent der Eltern vermuten, dass bei ihrem Kind eine psychische Erkrankung vorliegt – das ist der zweithöchste Wert innerhalb der AOK Rheinland/Hamburg (Schnitt: 7,4). Bei 4,5 Prozent der Kinder in Bonn und den Kreisen Rhein-Sieg und Euskirchen liegt eine entsprechende Diagnose vor. Das ist wiederum unter dem Schnitt der zehn Regionaldirektionen (5,3).

Auch hier ist die Sorge groß: Mehr als 60 Prozent der Eltern, bei deren Kind es bereits eine Diagnose gibt, befürchten dauerhafte Beeinträchtigung, soziale Benachteiligung und Verschlimmerung der Erkrankung.

Bei Eltern, die eine psychische Erkrankung, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen vermuten, ohne das eine Diagnose vorliegt, liegen die Werte bei rund 40 Prozent.

ADHS, Adipositas und Entwicklungsstörungen belasten Kinder und Eltern

Sorgen vor der eigenen Überforderung äußern 55 Prozent der Eltern bei vorliegender Diagnose, 31 Prozent bei der Vermutung.

Entwicklungsstörungen 5,8 Prozent der Eltern in den Kreisen Euskirchen, Rhein-Sieg und in Bonn vermuten eine Entwicklungsstörung bei ihrem Kind (AOK Rheinland/Hamburg: 5,3), bei 5,3 Prozent (5,1) wurde eine solche diagnostiziert.

Die Hälfte der Betroffenen gibt in der Gesamtbefragung an, stark belastet zu sein (50 Prozent). „Grundsätzlich werden besonders viele Entwicklungsstörungen bei Kindern im Kindergartenalter erkannt“, teilt die AOK mit. Jungen (Diagnose sechs Prozent, Vermutung fünf Prozent) liegen bei den Diagnosen vor den Mädchen (4/5).

Psychosomatische Beschwerden Probleme beim Einschlafen, Rückenschmerzen, Bauchschmerzen, Nervosität, Benommenheit oder Schwindelgefühle, Gereiztheit, schlechte Laune oder allgemein sich schlecht fühlen – „das sind häufig psychosomatische Beschwerden“, heißt in der AOK-Mitteilung.

Adipositas beim Kind: Eltern fühlen sich oft mitschuldig

Für den Kindergesundheitsatlas wurden Eltern gefragt, ob bei ihrem Kind in den letzten sechs Monaten mindestens zwei dieser Symptome mindestens fast jede Woche aufgetreten sind. In der Region Bonn – Rhein-Sieg-Kreis – Euskirchen liegt der Anteil multipler psychosomatischer Beschwerden bei Kindern von 3 bis 17 Jahren bei 31,2 Prozent und damit signifikant über dem Durchschnitt der Gesamtbefragung (25,0 Prozent).

Jugendliche sind dabei öfter betroffen als Kinder. „Es ist bekannt, dass belastende Situationen wie Streit, Sorgen oder Stress körperliche Auswirkungen haben, das gilt für Kinder genauso wie für Erwachsene“, sagt Schneider. Wichtig seien nicht nur eine sichere liebevolle Familie, sondern auch ein gutes Lernumfeld und ein unterstützendes soziales Umfeld für das gesunde Aufwachsen sind.

ADHS Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist laut den Autoren eine der häufigsten psychischen Störungen im Kinder- und Jugendalter: „Typische Symptome sind Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität, die über einen längeren Zeitraum in unterschiedlichen Lebenssituationen auftreten und den Alltag stark beeinträchtigen.“

ADHS führt häufig zum Scheitern in Schule und Ausbildung

Im Alltag könnten diese Symptome insbesondere im schulischen und sozialen Bereich zu Herausforderungen führen. Bleibe ADHS unbehandelt, steige das Risiko, auf dem Bildungsweg zu scheitern, zudem bestehe ein Zusammenhang zwischen ADHS und Suchterkrankungen.

Es ist bekannt, dass belastende Situationen wie Streit, Sorgen oder Stress körperliche Auswirkungen haben, das gilt für Kinder genauso wie für Erwachsene.
Helmut Schneider, AOK-Regionaldirektor

3,6 Prozent der 3- bis 17-jährigen Kinder aus dem Gebiet der Regionaldirektion Bonn – Rhein-Sieg-Kreis – Euskirchen haben laut den Aussagen der befragten Eltern eine diagnostizierte ADHS. Bei weiteren 5,1 Prozent vermuten die befragten Eltern, dass ihr Kind an ADHS erkranken könnte oder bereits erkrankt ist. Damit liegen die regionalen Zahlen unter dem Durchschnitt der Gesamtbefragung.

Die Zahl der vermuteten Erkrankungen liegt hier über der der bestätigten Fälle. Auffallend ist nach Auskunft der Autoren, dass die Belastung der Eltern über der Belastung der Kinder liegt.

Laut Elternaussagen ist knapp die Hälfte (49 Prozent) der Kinder mit ADHS-Diagnose und fast ein Drittel (30 Prozent) der Kinder mit vermutetem ADHS eher oder sehr stark belastet. Der Anteil an eher oder sehr stark belasteten Eltern liegt bei einer diagnostizierten ADHS hingegen bei 58 Prozent und bei vermuteter ADHS bei 44 Prozent.

Die Zahl der ADHS-Vermutungen und die von den Eltern stark empfundene Belastung für sich und ihre Kinder lassen AOK-Regionaldirektor Schneider zufolge auf einen hohen Informations- und Unterstützungsbedarf schließen. Hierbei sähen die befragten Eltern neben den Kinder- und Fachärztinnen sowie -ärzten insbesondere auch die Krankenkassen in der Pflicht.

„Gesundheitskompetenz und verständliche Informationen helfen Familien dabei, verlässliche Informationen und Behandlungsangebote zu finden und dadurch besser mit der Erkrankung der Kinder umzugehen.“


Der Kindergesundheitsatlas der AOK Rheinland/Hamburg beruht nach Auskunft der Autoren auf einer repräsentativen Befragung von 5000 Eltern in Rheinland und Hamburg.

Durchgeführt wurde die Befragung von der IMK GmbH – Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgte durch Prof. Dr. Dr. Holger Muehlan von der HMU Health and Medical University Erfurt.