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Digitaler WegweiserSo bringt man Familie und Beruf im Kreis Euskirchen unter einen Hut

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt Männerhände, die mit einem Kind einen Turm aus Klemmbausteinen bauen.

Väter entscheiden sich immer häufiger für die Elternzeit. Auch so lassen sich Familie und Beruf gut miteinander kombinieren.

Der Kreis Euskirchen hat eine Neuauflage des Wegweisers „Familie und Beruf“ veröffentlicht und präsentiert einige Best-Practice-Beispiele.

Jennifer Meuren kam am Dienstag zehn Minuten zu spät zu einem Termin in Zülpich. Blankenheims Bürgermeisterin hätte die Verspätung auf den langen Weg aus der Eifel in Börde schieben können. Doch Meuren antworte offen und ehrlich: „Ich bin mit einem Kind gerade in der Eingewöhnungsphase für die Kita. Und wenn dann ein Termin um eine Stunde nach vorne verlegt wird, wird es eben schon mal knapper.“

Seit 15 Monaten ist die Blankenheimer Verwaltungschefin Mutter und beweist seitdem, dass sich Familie und Beruf, Karriere und Kind ziemlich gut vereinbaren lassen. Kein Wunder, dass Meuren vom Kreis Euskirchen als „Best Practice“ nach Zülpich eingeladen worden war, um die dritte Auflage des Wegweisers „Familie und Beruf“ vorzustellen. Und wenn das Musterbeispiel dann auch noch ein wenig zu spät kommt, weil das eigene Kind einfach Kind ist, dann ist es wohl glückliche Fügung für einen Pressetermin.

Familie und Beruf lassen sich immer besser kombinieren

Neu ist das Thema nicht. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nimmt in der Gesellschaft einen immer größeren Stellenwert ein. Doch wie lässt sich beides unter einen Hut bringen? Wie regelt man die Kinderbetreuung? Wie schafft man nach einer Familienphase den beruflichen Wiedereinstieg? Gibt es eine finanzielle Förderung? Diese und viele andere Fragen beantwortet die neue Broschüre „So gelingt die Balance – Wegweiser Familie und Beruf im Kreis Euskirchen“, die jetzt erschienen ist und in der VDAB-Pflegeschule in Zülpich vorgestellt wurde.

Landrat Markus Ramers betonte die Bedeutung des Wegweisers als hilfreiches Instrument für die Balance zwischen Familie, Beruf und Freizeit: „Als Familienvater weiß ich um die Herausforderungen, die dieser Spagat mit sich bringt. Der Wegweiser bietet praktische Lösungen und umfassende Beratungsangebote für nahezu alle Lebenslagen.“

Ich hätte mich nie für ein Kind entschieden, wenn ich nicht für es hätte da sein können.
Ingmar Baum, Vater

Ein „Mutmacher“ in der neuen Broschüre ist der Erfahrungsbericht von Ingmar Baum, dem der Spagat zwischen Familie und Beruf gut gelungen ist. Hier wird aufgezeigt, wie Eltern durch flexible Arbeitszeitmodelle und partnerschaftliche Zusammenarbeit erfolgreich Beruf und Familie meistern können. Der Erfahrungsbericht verdeutlicht, dass Organisation und Kreativität entscheidend sind, um den oft schwierigen Alltag zu bewältigen. „Ich hätte mich nie für ein Kind entschieden, wenn ich nicht für es hätte da sein können“, sagte Baum in Zülpich.

Er habe sich bewusst für Teilzeit entschieden, um Zeit mit seinem Sohn verbringen zu können. Baum sagt aber auch, dass das nur möglich gewesen sei, weil er von seiner Partnerin bei diesem Weg unterstützt wurde. Mittlerweile sei das Kind in der Kita und er könne wieder verstärkt als Selbstständiger bei Produktionen für den WDR aktiv werden. „Was aber nicht heißt, dass ich mir bisher zu Hause einen schlanken Fuß gemacht habe“, sagte Baum und geriet fast schon in einen Rechtfertigungsmodus für sein reduziertes Arbeitsverhältnis zugunsten für die Familie.

Bürgermeisterin nimmt viele Termine mit der Familie wahr

Blankenheims Bürgermeister Jennifer Meuren sagte dazu: „Bei einer Frau würde das niemand denken. Mutter und Vater sein ist teilweise ein Fulltime-Job.“ Die Verwaltungschefin versuche viele ihrer Termine in den Nachmittag zu legen und dreimal in der Woche im Rathaus zu sein. Den Rest der Zeit arbeite sie aus dem Homeoffice heraus. „Viele Termine lassen sich auch als Familie wahrnehmen“, berichtete Meuren: „Man schafft es besser, als ich gedacht habe, Mutter und Bürgermeisterin sein unter einen Hut zu bringen.“

Das Bild zeigt zahlreiche Männer und Frauen, die vor mehreren Stellwänden den Wegweiser präsentieren.

Die Initiatoren des Gemeinschaftsprojekts stellten den Wegweiser in Zülpich vor.

Sie hob hervor, dass der gesellschaftliche Diskurs über die Vereinbarkeit von Kind und Karriere weiter vorangetrieben werden muss. „Es braucht kluge Lösungen, Unterstützung und Akzeptanz“, so Meuren. Der Wegweiser „Familie und Beruf“ umfasst im Serviceteil praxisnahe Informationen, Kontaktadressen und konkrete Handlungsempfehlungen – von Kinderbetreuung und Elternzeit bis hin zu Pflegeverantwortungen. Er richtet sich nicht nur an Eltern, sondern auch an Unternehmen, die ihre Attraktivität durch familienfreundliche Strukturen steigern wollen.

Kreis Euskirchen: Neuer Wegweiser Familie und Beruf umfasst 80 Seiten

Die 80 Seiten umfassende Broschüre ist in vier Themenbereiche gegliedert: Berufswahl und Lebensplanung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Beruflicher (Wieder-) Einstieg und Existenzgründung. Ein zweiter Schwerpunkt der Broschüre ist eine umfangreiche Adressen- und Kontaktübersicht aller Institutionen, die in diesem Bereich tätig sind. Wertvoll dürfte auch eine entsprechende Linkliste sein.

Mark Boß ist vierfacher Vater und der gelernte Elektroinstallateur macht gerade eine Ausbildung zur Pflegefachkraft. Auch er schafft es, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen – auch wenn das manchmal durchaus ein wenig Vaterflexibilität verlange. „Einer will kuscheln, der andere Fußball und der dritte hat eine Frage zum Tablet“, berichtete der 39-Jährige aus seinem Alltag.

„Das Ganze ist wohl auch nur so möglich, weil ich von meinem Arbeitgeber total gut unterstützt werde“, so Boß. Und auch das Zusammenspiel mit seiner Frau funktioniere hervorragend – auch wenn die gemeinsame Zeit mitunter ein bisschen darunter leide. Der Grund: Auch seine Frau sei in der Pflege tätig und die Schichten im Beruf als auch im Alltag teile man sich mehr oder weniger auf.

„Wir geben uns aber nicht nur die Tür und die Klinke in die Hand. Wir haben zum Glück noch ein bisschen mehr Zeit“, so die angehende Pflegefachkraft: „Es ist ein total schöner Beruf. Wir sind für ältere Menschen oft die Brücke zur Außenwelt. Das, was man von den Senioren zurückbekommt, kann man mit keinem Geld der Welt bezahlen.“ Und das, obwohl das Gehalt in der Pflege mittlerweile auch richtig gut sei, sagt Boß.


Hier geht es um Wegweiser Familie und Beruf

Der Wegweiser „Familie und Beruf“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Kompetenzzentrums Frau und Beruf im Region-Aachen-Zweckverband, des Kreises Euskirchen, der Agentur für Arbeit Brühl und des Jobcenters EU-aktiv. Er umfasst etwa 80 Seiten und vermittelt vor allem viele Informationen und Ansprechpartner. Das Heft gibt es nur in digitaler Form.