Der Kreis Euskirchen arbeitet an der Berufsschule 2030. In Kall und Euskirchen werden neue Ausbildungszweige angeboten und Konzepte umgesetzt.
„Modernstes Lernumfeld in NRW“In Euskirchen erfindet sich die Berufsschule neu
Offene Lernlandschaften, multifunktionale Räume, Mensa, Grünes Klassenzimmer, neue Ausbildungsgänge in Kall und Euskirchen – die Berufsschulen im Kreis Euskirchen sollen modern und zukunftsorientiert werden. Erklärtes Ziel des Trägers und der Schulleiter ist es, die Berufskollegs zu einem Ort zum Wohlfühlen zu machen – für Schüler und Lehrer.
In Euskirchen soll der modernste Schul-Bereich in ganz NRW entstehen
Am Thomas-Eßer-Berufskolleg in Euskirchen soll das teilweise bereits zum Start des Schuljahres 2024/25 der Fall sein. „Hier entsteht der wohl modernste Bereich einer Schule in ganz Nordrhein-Westfalen“, sagt Hermann Wilkens, Leiter des Thomas-Eßer-Berufskollegs. Er spricht beim Trakt B der Berufsschule nicht von blühenden, dafür aber von offenen Landschaften. Offenen Lernlandschaften.
„Wir wollen das ganze Dilemma, das die Flut mit sich gebracht hat, als Chance nutzen und weg vom Prinzip ,Ein Lehrer, eine Klasse'“, fügt Nadine Schmitz an. Sie ist beim TEB Bereichsleiterin Wirtschaft und Verwaltung und maßgeblich an dem neuen Konzept beteiligt.
Das neue Konzept wurde in der ehemaligen Werkstatt bereits getestet
Wobei Wünsche von Lehrern und Schülern berücksichtigt werden. Das neue Konzept wurde nämlich im Bereich der ehemaligen Werkstatt bereits getestet. Der Bereich war ebenfalls von der Flut betroffen, wurde ausgeräumt und dann als großer Lernraum genutzt.
„Das war natürlich nicht schallisoliert und daher schon laut“, berichtet Schülerin Anna Mende. Aber das Konzept selbst – sich mit anderen Schülern austauschen und auch mal einen anderen Lehrer um Rat fragen zu können – sei einfach gut. Mitschülerin Carina Spilles ergänzt: „Man lernt viel selbstständiger, eigenverantwortlicher. Das ist ein wunderbares Konzept.“
Ein Konzept, das nicht nur in Euskirchen umgesetzt werden soll, sondern auch am Berufskolleg Eifel in Kall (BKE). Auch dort waren die Schäden der Flut immens. Auch dort wird seitdem an der Schule der Zukunft gearbeitet. So werden die Lehrküchen künftig nicht mehr im Erdgeschoss untergebracht sein, sondern sicher vor Hochwasser auf einer höheren Etage.
Auch die Aula wird künftig anders aussehen. „Bisher hatten wir kein Tageslicht in diesem Bereich. Das wird sich ändern“, erklärt Schulleiter Holger Mohr, der die Aula zu einer Art Schaufenster für die Schule machen will. „Wir liegen ein wenig in der zweiten Reihe. Aber wir wollen zeigen, was wir können und was wir hier so machen“, sagt er. Das soll beispielsweise in einem Grünen Klassenzimmer geschehen, aber auch in offenen Lernlandschaften, die das BKE zu einem Wohlfühlort machen sollen, erklärt der Schulleiter.
Der klassische 60-Minuten-Unterricht soll an Berufsschulen bald Ausnahme sein
Sein Kollege Wilkens sagt, dass der klassische 60-Minuten-Unterricht an den Berufsschulen schon bald die Ausnahme bilden dürfte. „Moderner Unterricht am Berufskolleg sieht anders aus. Man hat mindestens Tagesaufgaben oder arbeitet an Projekten. Dann kommen die Vorteile von offenen Lernlandschaften richtig zum Tragen“, so der TEB-Chef.
Landrat Markus Ramers hat noch einen weiteren Vorteil des Unterrichts der Zukunft ausgemacht: „Die Schüler werden selbstverantwortlicher und selbstständiger. Darauf können sich die Betriebe freuen. Das ist eine der sehr guten Rückmeldungen, die wir schon bekommen haben.“
Während viele Baumaßnahmen noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden, ist bei der Sporthalle am BKE endgültig Licht am Ende des Tunnels. Achim Blindert, Koordinator des Wiederaufbaus beim Kreis Euskirchen, sagte, dass die Turnhalle wohl Ende Januar an die Schule und Vereine übergeben werden könne.
Es gab ein großes Interesse daran, das „Berufskolleg der Zukunft“ zu bauen
Die Planungsleistungen seien für beide Berufsschulen in diesem Jahr ausgeschrieben worden. Das Interesse daran, das Berufskolleg der Zukunft zu bauen, sei durchaus groß gewesen, berichtet Blindert im Gespräch mit dieser Zeitung. Wobei das Interesse der Ingenieurbüros am Projekt „Berufsschule 2029“ in Euskirchen größer gewesen sei als an Kall.
Das liege aber auch daran, dass in Euskirchen einige Bereiche komplett neu gebaut werden müssen. „Wir haben den Planungsbüros bewusst Zeit gegeben, denn es ist kein triviales Verfahren“, so Blindert. Für das BKE und das TEB seien die wesentlichen Planungsaufträge bereits beschlossen worden und können nun auf den Weg gebracht werden.
In Euskirchen waren die Flutschäden so groß, dass Teile der Berufsschule abgerissen werden müssen. Dazu zählen auf jeden Fall der Trakt C und die Werkstätten. Denkbar ist laut Blindert, dass auch der Trakt A wirtschaftlich nachhaltig nicht mehr zu sanieren ist und ebenfalls zurückgebaut werden muss. Insgesamt war Angaben des Kreises an den beiden Schulen ein Schaden in Gesamthöhe von knapp 150 Millionen Euro entstanden.
Kreis Euskirchen arbeitet an einem neuen schulischen Konzept
Bei so viel Zerstörung ist auch zweieinhalb Jahre nach dem Hochwasser die Raumnot an den Berufsschulen im Kreis noch spürbar. Am TEB sind das Kobiz (Ipas) und der Kreissportbund (Alte Tuchfabrik) ausgezogen, um so Platz im Bestand zu schaffen. Zudem sind Unterrichtscontainer angeschafft worden.
„Wir bauen die Berufsschulen neu – nicht nur die Gebäude, sondern auch die Konzepte, durch die sie mit Leben gefüllt werden“, sagt Landrat Markus Ramers. Das, was Schüler und Lehrer und Verantwortliche in Kall und Euskirchen nach der Flut geleistet hätten, sei phänomenal gewesen. „Sie haben die Situation hervorragend angenommen“, so Ramers.
Das beginne damit, dass die Wege zu den Klassenräumen immer noch und immer wieder andere seien als die, die man ursprünglich gekannt habe. Und es ende damit, dass auch zweieinhalb Jahre nach der Flut bei weitem noch nicht alle Räumlichkeiten zu nutzen seien.
Neue Ausbildungsangebote in Kall und Euskirchen
„Bei uns weichen Schüler und Lehrer, beispielsweise im Bereich Ernährungs- und Versorgungsmanagement, immer noch an andere Standorte aus“, sagt der Leiter des Berufskollegs Eifel in Kall.
Noch wird an anderen Standorten die Praxisintegrierte Ausbildung (PIA) zu staatlich anerkannten Erzieherinnen und Erziehern angeboten. Das soll sich zum neuen Schuljahr in Kall ändern. Dann soll auch dort der Ausbildungszweig angeboten werden und damit ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft gegangen werden.
„Wir haben von der Bezirksregierung bereits mündlich grünes Licht erhalten“, sagt Landrat Ramers: „In den vergangenen sechs Jahren sind 1500 Kita-Plätze geschaffen worden. Entsprechend groß ist der Personalbedarf. Es ist also mehr als sinnvoll, wohnortnah an beiden Standorten diese Ausbildung anzubieten.“
Der Bedarf sei auch für den geplanten Ausbildungsgang „Verwaltungsfachangestellte“ groß. Mit der Einrichtung dieses Bildungsgangs tut sich der Kreis nach eigenen Angaben selbst einen Gefallen. Er hat nämlich ermittelt, dass künftig jährlich 23 bis 26 Fachangestellte in den Verwaltungen der elf Kommunen ausgebildet werden. Damit sei auch die Mindestgröße der Klasse von 22 zu erreichen.
Entsprechend habe man sich entschieden, den Bildungsgang anzubieten. Unterrichtet werden sollen die Berufsschüler in Kall. Auch dafür hatte der Kreis eine Abfrage gemacht, in welchen Kommunen die aktuellen Auszubildenden wohnen. Die Auswertung habe ergeben, dass mehr als die Hälfte, die derzeit eine Ausbildung absolvieren, in den Südkreiskommunen wohnen, heißt es vom Kreis.
Aktuell müssen diese für den schulischen Part ihrer Ausbildung beispielsweise nach Köln auspendeln. „Die Gefahr ist dann da, dass wir jemand aus dem Kreis Euskirchen verlieren. Wer in Köln seine Ausbildung macht, verlagert auch schnell seinen Lebensmittelpunkt dorthin. Und nicht mehr zurückkommt“, so Mohr. Dem wolle man so entgegenwirken.
„Viel Überzeugungsarbeit“ für Ausbildungsgänge am TEB
Seit dem Schuljahr 2023/24 werden am Thomas-Eßer-Berufskolleg in Euskirchen (TEB) Fachkräfte für Lagerlogistik und Fachlageristen ausgebildet. Gestartet worden ist laut Torsten Hinz in einer Klasse, weil in den ersten beiden Jahren die Lernfelder gleich seien. „Am Anfang war die Resonanz etwas schleppend. Ich muss einige Klinken putzen“, sagt der Lehrer.
Mit viel Überzeugungsarbeit habe er aber die Firmen überzeugen können, dass sich ihre Azubis am TEB anmelden. Aus den zu Beginn gut 20 Schüler seien mittlerweile mehr als 30 geworden. Fürs kommende Schuljahr sei geplant, die Klassen in getrennte Jahrgänge zu splitten. „Unabhängig davon versuchen wir, uns bei den Firmen bekannter zu machen“, sagt der Lehrer. Dafür nutze man beispielsweise den Ausbildungssprechtag.
„Dann haben wir angefangen, einzelne Betriebe aufzusuchen. So waren wir im Materiallager der Bundeswehr in Mechernich. Das nutzen wir, um einen Eindruck zu bekommen, wie Firmen arbeiten“, so Hinz: „Wir schauen auch, was brauchen die Firmen. Da werden wir uns nun fortbilden.“ Am TEB soll ab dem kommenden Schuljahr zudem der Ausbildungszweig Ingenieurtechnik angeboten werden.