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GeflüchteteJob-Börse im Euskirchener Kreishaus funktioniert mit Händen, Füßen und Handy

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt Hans-Jürgen Lammers, wie auf das Smartphone eines Job-Suchenden schaut.

Das Smartphone als Übersetzer: Hans-Jürgen Lammers (M.) und Oleksii Smyznyi kommunizieren mithilfe des Mobiltelefons.

Das Handy war bei der Job-Börse für Geflüchtete im Kreishaus in Euskirchen sehr wichtig. Ohne Smartphone war die Sprachbarriere oft hoch.

Die Frage, ob er Deutsch spreche, beantwortet Oleksii Smyznyi mit zwei Fingern. Daumen und Zeigefinger des 41-jährigen Ukrainers, der in Nettersheim lebt, befinden sich dabei etwa drei Zentimeter auseinander: Ein bisschen, heißt das. Also zückt Hans-Jürgen Lammers sein Handy. Er ist Geschäftsführer des Flamersheimers Familienbetriebs „Lapinchen“, der sich auf Schaf- und Kaninchenzucht und die regionale Vermarktung des Fleischs der Tiere spezialisiert hat.

Das Smartphone des Lapinchen-Chefs hilft bei der Übersetzung im Kennenlerngespräch. Abwechselnd sprechen Lammers und Smyznyi ins Telefon, die Übersetzungs-App macht den Rest. Beispielsweise will Lammertz wissen, ob der Ukrainer aktuell einen Job hat oder schon mal im Kreis Euskirchen gearbeitet hat. Die Antwort via Smartphone: Ja, einen Mini-Job.

Sprachbarrieren werden mit Händen und Füßen überwunden – und mithilfe des Handys

So überwinden Arbeitgeber und möglicher neuer Arbeitnehmer mit Handy, Händen und Füßen die Sprachbarrieren. Auch ein Bildband über den Familienbetrieb hilft. Damit kann Lammers sein Englisches „Sheep“ und „Rabbit“ mit Bildern von Schafen und Kaninchen untermalen. Am Ende stehen die Kontaktdaten von Oleksii Smyznyi auf einem kleinen „Bewerber-Vordruck“ – handschriftlich ausgefüllt.

Der Ukrainer ist einer von mehr als 400 Teilnehmern am sogenannten Job-Turbo. Der ist ein Aktionsplan der Bundesregierung, der die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt beschleunigen soll. Die Maßnahmen richten sich an alle geflüchteten Menschen, die Integrationskurse beendet haben und in den Jobcentern betreut werden.

Das Bild zeigt Issam Aswab im Gespräch mit einigen männlichen Job-Interessierten.

Jobcenter-Übersetzer Issam Aswab hatte im Kreishaus viel zu tun.

Das Bild zeigt einen Überblick über die Job-Börse.

Die Job-Börse für Geflüchtete im Kreishaus war mit mehr 400 Interessenten gut besucht. In Zeiten des Fachkräftemangels ist diese Art der Kundenvermittlung auch für Arbeitgeber interessant.

Angeschrieben und eingeladen worden sind nach Angaben von Carsten Hemberger, Bereichsleiter beim Jobcenter in Euskirchen, etwa 1000 Klienten. Dass am Donnerstagvormittag etwa die Hälfte davon ins Kreishaus kommt und sich über Jobangebote informiert, macht Hemberger glücklich. „Ich bin sogar ein bisschen gerührt“, sagt er mit Blick auf den Pulk von Menschen, der um kurz vor 9 Uhr darauf wartet, dass die Jobbörse endlich startet.

Einer der meistgefragten Männer während des Job-Turbos ist Issam Aswab, der für das Jobcenter während der vier Stunden als Übersetzer aktiv ist. Immer wieder beantwortet er Fragen auf Arabisch und hilft, sprachliche Barrieren zu überwinden. Aber da er eben nicht überall sein kann, behilft sich auch Gunhild Weber vom Euskirchener Garten- und Landschaftsbauer Peter Sturm mit dem Smartphone, wenn das Gespräch mit einem Interessenten ins Stocken gerät.

Euskirchener Gartenbau-Unternehmen klagt über Fachkräftemangel

Doch was motiviert das Unternehmen zur Teilnehme an der Jobbörse im Kreishaus? „Der Fachkräftemangel“, antwortet Weber wie aus der Pistole geschossen. Man benötige dringend Hilfe im Unternehmen. Auch wenn während der Gespräche das Smartphone eine gute Hilfe ist, beim K.o.-Kriterium für einen Job beim Euskirchener Unternehmen kann es nicht helfen. „Ganz oft scheitert es daran, dass die Interessenten keinen Führerschein haben“, erklärt Weber.

Die Frage, wie man die Mitarbeiter zu den Baustellen bekomme, stelle sich neuerdings immer wieder. „Für ein, zwei Leute oder eben bei einer Baustelle funktioniert es mit einer Art Hol- und Bringdienst. Für mehrere geht es aber nicht“, sagt sie: „Deshalb müssen wir darauf achten, dass jemand den Führerschein hat.“ Mit Geflüchteten hat das Unternehmen nach Angaben von Weber bereits gute Erfahrungen gemacht.

Das Bild zeigt Christian Mahlberg im Gespräch mit einem Mann, der einen Flyer in der Hand hält.

Bowl-Fabrik-Chef Christian Mahlberg (l.) im Gespräch mit einem potenziellen Bewerber auf die freie Stelle als Koch.

Das Bild zeigt eine Mitarbeiterin des Jobcenters im Gespräch mit einem jungen Mann.

Das Jobcenter hat zum Job-Turbo geladen. Interessenten wurden dabei bereits am Eingang zur Veranstaltung bestens informiert.

Unter anderem habe man einen jungen Mann aus Eritrea ausgebildet. Dabei hat ein Buch geholfen, das er vom Unternehmen erhalten hat. Das hat Weber auch mit zum Job-Turbo ins Kreishaus gebracht: ein Gala-Bau Bilder- und Wörterbuch. Auf vielen Seiten mit noch mehr Bildern werden darin Fachausdrücke rund um den Garten- und Landschaftsbau mithilfe eines QR-Codes in unterschiedlichen Sprachen erklärt – vom Spaten über das Vakuumhebegerät bis zur Waschbetonplatte. Das helfe im Tagesgeschäft ungemein.

Wie Hemberger vom Jobcenter berichtet, habe sich die Integration über den Job bewährt und funktioniere mindestens genauso gut wie über Sprachkurse. Der Grund: Das Erlernen der Sprache klappe besser, weil man es bei der Arbeit eher „nebenher“ mache und sich nicht in einen Kurs setzen müsse. Das sei eine Erfahrung aus der Flüchtlingswelle 2015, erklärt der Jobcenter-Bereichsleiter.

Bowl-Fabrik sucht einen Koch und hat nun drei Probe-Arbeitstermine

Seine Kollegin Anja Daub, Geschäftsführerin operativ der Agentur für Arbeit Brühl, ist mit dem Job-Turbo ebenfalls zufrieden: „Der Vermittlungstag bietet für die geflüchteten Menschen im Rahmen des Job-Turbo hervorragende Möglichkeiten, schnell und unkompliziert mit Unternehmen, die offene Stellen anbieten, in Kontakt zu kommen und diese kennenzulernen.“

Während das eine oder andere Unternehmen Stammgast auf Jobbörsen ist, sind Christian Mahlberg und Lena Salentin erstmals bei einem solchen Angebot dabei. Der Geschäftsführer und die Betriebsleiterin der Bowl-Fabrik in der Zikkurat in Firmenich suchen seit mehr als einem Jahr einen zweiten Koch. „Wir haben unsere Präsentation am Tag vor der Jobbörse fertiggestellt und die Flyer sind druckfrisch“, erklärt Mahlberg.

Die Anfrage des Jobcenters sei recht kurzfristig gekommen, die Zusage noch etwas kurzfristiger. Aber sie könnte sich gelohnt haben. Bereits nach einer Stunde haben er und die Betriebsleiterin drei Probe-Arbeitstage mit potenziellen neuen Köchen vereinbart. „Es wäre toll, wenn das klappt“, so Mahlberg.


Jobcenter arbeitet ab Juli im Anbau

Ab dem 1. Juli will das Jobcenter im Anbau am Kreishaus für seine Kunden erreichbar sein. Carsten Hemberger, Bereichsleiter beim Jobcenter in Euskirchen, sagt im Gespräch mit dieser Zeitung: „Erster Umzugstag ist der 24. Juni. Das ist nach all der Zeit gefühlt morgen.“ Er rechnet damit, dass der Umzug nach einer Woche abgeschlossen ist. Er sagt aber auch: „Während der Zeit werden wir nicht im gewohnten Umfang erreichbar sein.“