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Zu wenige LebensmittelDie Tafeln im Kreis Euskirchen sind an ihrer Belastungsgrenze

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zeigt eine Menschenschlange vor der Euskirchener Tafel, die auf die Ausgabe der Lebensmittel wartet.

Lange Schlangen bilden sich regelmäßig bei der Lebensmittelausgabe der Tafeln im Kreis Euskirchen.

Bei den Tafeln in Kall und Mechernich gibt es einen Aufnahmestopp. In allen sechs Tafeln im Kreis Euskirchen gibt es Frust-Themen.

Aufnahmestopp bei der Tafel in Kall, Aufnahmestopp bei der Tafel in Mechernich. In Euskirchen sind die ehrenamtlichen Mitarbeiter an der Belastungsgrenze, sodass auch dort die Ausgabe der Lebensmittel nicht mehr wie gewohnt ablaufen kann.

Die Arbeit bei den sechs Tafeln im Kreis Euskirchen ist in den vergangenen Monaten deutlich intensiver geworden. Die Herausforderungen sind vielschichtig. In Zülpich, Bad Münstereifel, Euskirchen, Weilerswist, Kall und Mechernich ist aber eins gleich: Die Arbeit ist wichtiger denn je und so schwierig wie nie.

Beim Weilerswister Tafel-Chef schrillen die Alarmglocken

Und die vielen Herausforderungen drücken bei den Verantwortlichen auf die Stimmung. „Wir werden von jetzt auf gleich immer wieder vor fast unlösbare Aufgabe gestellt“, sagt Bernd Schlösser, Vorsitzender der Tafel Weilerswist: „Ohne einen Hinweis von der Gemeinde standen vor einigen Monaten morgens 300 ukrainische Geflüchtete bei uns und wollten versorgt werden.“ Die stetig steigende Zahl von Geflüchteten, gepaart mit weniger zur Verfügung stehenden Lebensmitteln, habe dazu geführt, dass die Tafel in Weilerswist am Limit sei. Es gebe schlichtweg zu wenig Lebensmittel für zu viele Bedürftige.

Und das, so Schlösser, obwohl viele sozial schwache Deutsche aktuell schon gar nicht mehr zur Ausgabe kämen. „Viele fühlen sich nicht mehr wohl, fühlen sich zurückgedrängt“, sagt Schlösser. Ihn mache das sehr traurig. So bitter das sei, es habe auch eine gute Seite, so der Vorsitzende: „Wir hätten ja im Moment gar nicht die Lebensmittel, sie auch zu versorgen.“

Das Anspruchsdenken der Geflüchteten ist teilweise nicht in Ordnung.
Bernd Schlösser, Vorsitzender der Weilerswister Tafel

Laut Schlösser ist die Ausgabe der Lebensmittel in Weilerswist aktuell auf zwei Tage aufgeteilt. Mittwochs der erste Nummernblock und freitags die andere Hälfte. Aktuell werden 285 Erwachsene und 36 Kinder von der Weilerswister Tafel versorgt. „Das Anspruchsdenken der Geflüchteten ist teilweise nicht in Ordnung“, so Schlösser: „Wir sind nicht der Vollversorger, wir sind nicht der Rewe von Weilerswist.“

Viele Kunden der Tafel seien direkt gegenüber der Ausgabestelle von der Gemeinde untergebracht worden. „Man muss nicht meinen, dass jemand seine Hilfe beim Sortieren anbietet“, ärgert sich Schlösser. Lediglich eine Ukrainerin sei in den vergangenen Monaten vorstellig geworden und packe seitdem regelmäßig mit an.

Bei der Zülpicher Tafel helfen viele Geflüchtet mit

Gary Emerson ist Schatzmeister bei der Tafel in Zülpich. Er berichtet anders aus seinem Alltag. „Bei uns helfen sehr viele Syrer oder andere Geflüchtete. Teilweise waren es etwa 50 Prozent des Teams, die einen Flüchtlingshintergrund haben“, so Emerson. So habe sich auch das eine oder andere Problem bei der Ausgabe oder im Zwischenmenschlichen regeln lassen, „weil die Tafelmitarbeiter in ihrer Muttersprache auf den Tisch gehauen haben und die Sachen geklärt haben“, so Emerson.

Aber auch bei der Zülpicher Tafel habe man durchaus mit Problemen zu kämpfen. So sei dem „Tafel-Tourismus“ ein Riegel vorgeschoben worden. Mittlerweile werden dem Schatzmeister zufolge nur noch Menschen versorgt, die auch im Zülpicher Stadtgebiet gemeldet sind. Bei den anderen Tafeln sei das bereits seit längerem Standard.

Das Bild zeigt eine Mitarbeiterin der Zülpicher beim Sortieren von Lebensmitteln.

In Zülpich helfen bei der ehrenamltichen Arbeit zahlreiche Menschen mit einem Fluchthintergrund.

In Kall sind nach Angaben von Kirsten Althoff, Vorstandsmitglied der Tafel, von Januar bis Ende März keine weiteren Kunden aufgenommen worden. Ob der Aufnahmestopp aufrechterhalten werde, werde sich in den kommenden Tagen zeigen. Dann wolle man das Angebot wieder öffnen.

„Wir haben einfach nicht genügend Lebensmittel“, berichtet Althoff im Gespräch mit dieser Zeitung. Natürlich sei der Aufnahmestopp nicht leichtgefallen, natürlich habe er wehgetan, aber er sei unumgänglich gewesen. „Immer wieder kam die Bitte, doch eine Ausnahme zu machen, aber das konnten wir nicht“, sagt sie.

Kaller Tafel hofft, den Aufnahmestopp beenden zu können

Aktuell betreut die Kaller Tafel laut Althoff etwa 200 Haushalte. „Die Geschäfte geben weniger Lebensmittel ab, seit sie beispielsweise die 30-Prozent-Theke eingeführt haben“, erklärt Althoff stellvertretend für die anderen Tafeln im Kreis die Lebensmittelknappheit. In den Theken platzieren Supermärkte beispielsweise Milchprodukte oder Frischwaren, die zeitnah das Mindesthaltbarkeitsdatum erreichen. Diese Waren gingen früher oftmals an die Tafel. „Vor Ostern war unser Kühlschrank halb leer. Milchprodukte hatten wir kaum noch“, so Althoff.

Damit die Lebensmittel zu den Tafeln kommen, nehmen die Ehrenamtler mitunter viele Kilometer auf sich, um Waren abzuholen. Zweimal pro Woche fährt beispielsweise ein Mitarbeiter der Weilerswister Tafel bis nach Bad Godesberg. Da kommen Schlösser zufolge bei einer Tour gut 100 Kilometer zusammen.

Die Tafeln im Kreis Euskirchen suchen dringend neue Helfer

Auch in Euskirchen werden Kilometer gemacht – und die werden von zwei Mitarbeitern abgerissen, die zusammen auf 168 Jahre Lebenserfahrung kommen. In Sachen Lebensmitteln sei man in der Kreisstadt aktuell aber vergleichsweise gut aufgestellt, berichtet Michael Barion, zweiter Vorsitzender der Euskirchener Tafel. Glücklicherweise habe man den einen oder anderen Großspender im Portfolio.

„Bei uns krankt es an der Kapazität der Mitarbeiter. Wir können die Ausgabe in der bisherigen Form nicht mehr stemmen“, berichtet Barion. An den beiden Ausgabetagen steuern jeweils etwa 150 Familien die Ausgabestelle an der Gottlieb-Daimler-Straße an. Die größte Familie bestehe aus elf Köpfen. „Das ist ein harter Job für die Ehrenamtler“, so Barion: „Im vergangenen Jahr konnten die Familien noch zweimal pro Woche kommen, das haben wir schon auf einmal reduziert. Wir werden jetzt wahrscheinlich sogar auf alle 14 Tage gehen müssen, weil unsere Ehrenamtler an der Belastungsgrenze sind.“

Gleiches berichteten auch die Vertreter der Tafeln in Mechernich und Bad Münstereifel mit ihrem Standort in Iversheim. „Neue Ehrenamtler zu finden, junge Ehrenamtler zu finden, ist unheimlich schwierig“, sagt Volker Nüßmann von der Mechernicher Tafel.

Landrat Markus Ramers unterstützte im vergangenen Jahr die Kaller Tafel, packte dort bei einer Essensausgabe mit an. Man könne für das Engagement nicht genug danken. „Sie stellen sich Woche für Woche in den Dienst der bedürftigen Menschen. Dabei leisten die Tafeln viel mehr als nur eine Lebensmittelausgabe – sie sind Anlaufstelle und Treffpunkt für viele Menschen. Und sie schenken den Bedürftigen auch immer wieder ein offenes Ohr“, lobte der Landrat bei einer Spendenübergabe.


Tafeln im Kreis Euskirchen haben konkrete Ideen

Der Kreis Euskirchen hat an die sechs Tafeln im Kreis Euskirchen insgesamt gut 7000 Euro gespendet. Das Geld stammt aus den Erlösen des traditionellen Prinzenempfangs im Kreishaus Euskirchen, wo dieses Jahr 35 Karnevalsgesellschaften ihre Tollitäten präsentiert hatten. „Das ist der höchste Erlös seit vielen Jahren“, sagte Landrat Markus Ramers, bevor er den Tafeln in Bad Münstereifel, Euskirchen, Weilerswist, Zülpich, Mechernich und Kall im Kreishaus je einen Scheck über 1180 Euro überreichte.

„Es ist wichtig, dass die ehrenamtliche Arbeit der Tafeln unterstützt wird. Sie leisten einen großen Beitrag für bedürftige Menschen in unserer Gesellschaft.“ Teilweise gibt es bei den Tafeln bereits konkrete Projekte, für die das Geld verwendet werden soll. So wird nach Angaben von Michael Barion, zweiter Vorsitzender der Euskirchener Tafel, in die Infrastruktur der Ausgabestelle investiert. So sei unter anderem ein Waschbecken mit Warmwasseranschluss vorgesehen, so Barion.

Das Bild zeigt Vertreter der Tafeln und Landrat Markus Ramers (2.v.r.) mit einem symbolischen Scheck.

Die Tafeln aus dem Kreis Euskirchen haben etwa 7000 Euro gespendet bekommen. Der Kreis hat beim Tollitäten-Empfang unter den Karnevalisten gesammelt.

Die Euskirchener Tafel war ursprünglich bei der ehemaligen Spedition Daufenbach untergebracht. Seit dem Großbrand ist die Ausgabestelle an der Gottlieb-Daimler-Straße. Laut Barion beteiligt sich die Stadt an den Mietkosten. In Weilerswist sei das anders, so Tafel-Chef Bernd Schlösser. Da müssten alle Kosten aus eigener Tasche gestemmt werden. In Mechernich befindet sich laut Volker Nüßmann die Ausgabestelle im städtischen Besitz. Dort soll das Geld in Lagerkapazitäten für Lebensmittel investiert werden. Der Rest komme aufs Sparkonto.

In Weilerswist ist der Wunsch, einen Regenschutz für die Kunden der Tafel zu errichten. „Wir haben Kostenvoranschläge, die fangen bei 5500 Euro an. Daher werden wir das gespendete Geld erstmal aufs Konto packen und hoffen, dass wir noch Sponsoren für den Regenschutz finden“, so Schlösser. In Zülpich möchte man die während der Corona-Pandemie provisorisch eingerichtet Einbahnstraßenregelung bei der Ausgabe zu einem festen Bestandteil machen.