Bei einer Veranstaltung der Dienstleistungsgenossenschaft Eifel im Gemünder Kurhaus ging es um den Fachkräftemangel in der Region.
DiskussionWie Arbeitgeber im Kreis Euskirchen an neue Fachkräfte kommen können
Ist der Fachkräftemangel in einigen Jahren kein Thema mehr, weil künstliche Intelligenz die Arbeit der Mitarbeiter in vielen Berufsfeldern übernimmt? Davon geht zumindest Arbeitsmarktexpertin Prof. Dr. Jutta Rump aus, die auf Einladung der Dienstleistungsgenossenschaft Eifel (DLG) zu der Veranstaltung „Ländliche Zukunft aktiv gestalten – Arbeitskräfte im Fokus“ ins Gemünder Kurhaus gekommen war. Bis es so weit ist, müssen die Unternehmen in der Region aber noch schauen, wie sie ausreichend Nachwuchs und Fachkräfte akquirieren können.
Knapp 100 Mitglieder des Netzwerks waren nach Gemünd gekommen, um sich darüber auszutauschen, wie man Arbeitskräfte finden und halten kann. Ein Vorreiter in dem Bereich ist Herbert Zahnen, Inhaber der Zahnen Technik GmbH, die sich auf Wasseraufbereitungen spezialisiert hat. Die Firma aus Arzfeld modernisiert und baut Wasser- und Abwasseranlagen auf der ganzen Welt. „Man sollte sich viel mehr um die Förderung von Talenten kümmern, als Fachkräfte zu suchen, die es sowieso nicht gibt.“ Man müsse neue Wege gehen.
Im Kreis Euskirchen gibt es 1500 offene Stellen und 6000 Arbeitslose
Ralf Holtkötter, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Brühl, erklärte, die Lage im Kreis Euskirchen sei noch positiv. Ein Arbeitskräftemangel sei an den nüchternen Zahlen nicht ablesbar: „Wir haben im Kreis rund 6000 arbeitslos gemeldete Menschen und rund 1500 offene Stellen.“ Was oft nicht zusammenpasse, seien Wohnort, Mobilität und Qualifikationen.
Die Zahl der neu gemeldeten Stellen sei gesunken und liege bei 150. Dagegen sei die Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen relativ konstant: „Ausbildung ist eine Investition in den Fachkräftebedarf eines Unternehmens.“ Künstliche Intelligenz sei aktuell schon in der Lage, standardisierte Tätigkeiten zu übernehmen: „Künftig wird das aber noch viel weiter zunehmen und mehr Berufsbilder betreffen.“
Ein weiterer Trend sei, dass es eine konstant hohe Zahl von Jugendlichen gebe, die die Schule ohne Abschluss verließen. Bundesweit seien das jedes Jahr 60.000, bei sinkenden Schülerzahlen: „Für die gibt es bisher kaum eine Perspektive, weil es ohne Schulabschluss kaum Möglichkeiten gibt.“ Außerdem würden rund 30 Prozent der Lehrlinge ihre Ausbildung abbrechen und keine neue beginnen: „Von den 6000 Arbeitslosen im Kreis Euskirchen haben rund 60 Prozent keine Ausbildung.“ Man müsse sich ein Stück weit vom bisherigen Fachkräftebegriff verabschieden: „Wir müssen nicht auf die Zertifikate schauen, die jemand mitbringt, sondern auf das, was er kann.“
Menschen nach ihren Stärken einschätzen, nicht nach Abschlüssen
Im öffentlichen Dienst sei das nicht so einfach machbar, betonte Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings. Man sei an den TVöD gebunden und dessen Regelungen seien nun einmal extrem steif. „Am Ende des Tages geht es immer darum, was hat der Bewerber für einen Abschluss.“
Patrick Bormann ist Geschäftsführer der Thome-Bormann GmbH aus Prüm, die sich um Handel, Vermietung und Reparatur von kommunalen Maschinen und Landmaschinen kümmert. „Bei uns kann KI nur begrenzt Aufgaben übernehmen. Da müssen noch Menschen mit ihren Händen arbeiten.“ Wichtig sei, die Menschen nach ihren Stärken einzuschätzen und nicht nach ihren Abschlüssen.
In seinem Betrieb gebe es einen Mitarbeiter, der die Ausbildung nicht geschafft habe: „Er ist heute einer unserer besten Fachkräfte und wird auch so bezahlt.“ Sein Unternehmen habe gute Erfahrungen damit gemacht, Wohnraum für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund geschaffen, um ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, einmal für einige Wochen auf Probe zu arbeiten.
Ziel: Junge Leute aus der Eifel mit attraktiven Jobs in der Region halten
„Die Vereinbarkeit von Job und Freizeit ist ein ganz wichtiges Thema bei jungen Leuten“, sagte Max Hendus, Abteilungsleiter beim Planungsbüro PE Becker in Kall. Man müsse verstehen, was junge Arbeitskräfte wollen. Ziel müsse es sein, die Eifeler in der Region zu halten. Dafür müsse man die Vorteile der Region noch stärker als bisher nach außen tragen.
Michael Mombaur, Leiter der Marienschule Euskirchen, betonte, an den Schulen habe sich schon viel getan. „Früher haben Gymnasien nur darüber nachgedacht, Schüler auf das Studium vorzubereiten.“ Das habe sich geändert. Heute sei beispielsweise das Handwerk von großer Bedeutung. Berufsorientierung beginne heute schon in der achten oder neunten Klasse mit den Potenzialanalysen. Dann gehe es weiter mit Praktika und anderen Angeboten: „Die Menschen haben Potenziale, die entdeckt und genutzt werden müssen.“ Er wünsche sich einen engen Austausch mit den Unternehmen in der Region.
Infrastrukturprobleme schaden der Wirtschaft in der Eifel
Auf ein Problem der Region, die schlechte Verkehrsinfrastruktur, ging Ingo Pfennings ein: „Die Ortsumgehung Roggendorf wird schon seit ewigen Zeiten gewünscht. Jetzt hapert es gerade wieder zwischen Land und Bund.“ Das seien Zustände, die der Wirtschaft schaden. Auch die Anwohner würden massiv belastet. Ein weiteres Problem sei, dass Kommunen nur auf ihr Gebiet schauen: „Wir müssen als Verbund denken und auch über Kreisgrenzen hinweg handeln.“
„Wir haben richtig viele Fördermittel für betriebliche Qualifizierungen“, sagte Holtkötter. Die meisten unentdeckten Talente gebe es im eigenen Betrieb. Auch bei der Berufsorientierung sei die Agentur sehr aktiv: „Die Jugendlichen sind konfrontiert mit mehr als 350 Ausbildungsberufen und 17.000 Studiengängen. Und da kommen laufend neue hinzu.“ Mit dieser Vielfalt dürfe man die Jugendlichen nicht alleine lassen. Aktuell gebe es eine große Zahl von Auspendlern bei den Auszubildenden. „Die Attraktivität des Ausbildungsstandorts Kreis Euskirchen ist für viele nicht erkennbar.“